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Drohung gegen Libanon

Aufständische werfen Hisbollah und Iran Einmischung in Syrien-Konflikt vor

Von Karin Leukefeld *

Die »Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte« und die »Freie Syrische Armee« (FSA) haben erneut den Iran und die libanesische Hisbollah beschuldigt, in Syrien militärisch einzugreifen. Weil der Iran die Hisbollah, die an der Seite der syrischen Armee kämpfe, unterstütze, sei er verantwortlich für »Verbrechen, Morde und die Zerstörung von persönlichem Eigentum unschuldiger syrischer Zivilisten«. So hieß es in einer bereits am Montag in Kairo veröffentlichten Stellungnahme der Koalition. Der jüngste Beweis für diese Verbrechen seien Ereignisse »in dem Gebiet Al-Qusair«. Der Angriff müsse als »Kriegserklärung gegen die Syrer« verstanden werden und sei eine »unwiderlegbare Verletzung des Völkerrechts und der nationalen Souveränität«.

Die Hisbollah habe Dörfer und Stützpunkte der Aufständischen um Qusair vom Libanon aus mit Raketen angegriffen, erklärte auch General Selim Idriss vom Militärkommando der »Freien Syrischen Armee« telefonisch einem Reporter der Internetplattform Middle East Online in Beirut. Man gebe der Hisbollah eine Frist von »48 Stunden«, um die Angriffe einzustellen. Falls nicht, werde die FSA ihrerseits Stellungen der Hisbollah im Libanon angreifen.

Der strategisch wichtige Ort Al-Qusair war lange Zeit bekannt für seine religiöse und kulturelle Vielfalt, wo Christen und Muslime verschiedener Strömungen zusammen lebten. Seit Ende 2011 kommt es dort immer wieder zu Kämpfen. Der Ort liegt in der Provinz Homs an einer Eisenbahnlinie und an einer Straße, über die Aufständische ihren Nachschub aus dem Nordlibanon organisieren und ihre Verletzten und Flüchtlinge aus Syrien herausbringen.

Der libanesische Außenminister Adnan Mansour wies die Anschuldigungen gegen die Hisbollah zurück. Tatsache sei, »daß einige libanesische Dörfer und ihre Bewohner sich auf syrischem Territorium befinden«, sagte der Außenminister dem russischen Nachrichtensender Russia Today. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der Neuordnung der Region durch die Siegermächte Frankreich und Großbritannien war 1920 festgestellt worden, daß es sich bei den fraglichen etwa 20 Gemeinden um libanesische Dörfer mit libanesischen Bürgern handelte, die zum Libanon gehörten. Die Einwohner hätten bis heute dessen Staatsangehörigkeit. Diese Libanesen hätten sich gegen Angriffe zur Wehr gesetzt, ein Akt der Selbstverteidigung, führte Mansour aus. »Sie wurden von Bewaffneten attackiert, und es gab Kämpfe. Das bedeutet nicht, daß es eine Einmischung in die syrischen Angelegenheiten gab.« Der Libanon spreche sich seit zwei Jahren gegen jede ausländische Intervention in Syrien aus und beharre auf dieser Position.

Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah hatte bereits 2012 auf die geographischen und sozialen Besonderheiten der Dörfer um Al-Qusair hingewiesen, in denen Libanesen lebten, darunter auch Mitglieder und Anhänger der Hisbollah. Wiederholt hat die Organisation zu einer friedlichen Lösung des innersyrischen Konflikts aufgerufen und erklärt, sich militärisch nicht an den Kämpfen zu beteiligen.

Daß der Vorwurf dennoch von den Aufständischen immer wieder erhoben werde, sei ein Hinweis, daß westliche und arabische Unterstützer der Aufständischen verschiedene Gruppen innerhalb des Islam gegeneinander aufhetzen wollten, sagte Danny Makki im Gespräch mit Russia Today. Er ist Mitbegründer der Organisation »Syrische Jugend in Großbritannien«, deren Büro sich in London befindet. Im Libanon versucht man, »eine islamische Bewegung gegen die andere in Stellung zu bringen – die sunnitische FSA gegen die schiitische Hisbollah«, so Makki. Diese Politik des »Teile und herrsche« werde »vom Westen durch die Medien angefeuert und führt zu Konflikten und Brüchen in der arabischen syrischen und libanesischen Gesellschaft«. Nach vielen Jahren Bürgerkrieg sei im Libanon die Angst groß, daß der Konflikt aus Syrien auf das Land übergreifen könne.

Das Golfemirat Katar hat derweil der »Abteilung für humanitäre Hilfe« in der Nationalen Koalition eine Spende von 100 Millionen US-Dollar überwiesen. Das teilte die katarische Nachrichtenagentur QNA bereits am Mittwoch mit.

* Aus: junge Welt, Samstag, 23. Februar 2013


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