Déjà-vu in Damaskus
Arabische Liga setzt Syriens Mitgliedschaft aus – wie zuvor bei Libyen
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
»Der erste Schritt ist getan, um das
Libyenszenario zu wiederholen« – so
lautete die Schlagzeile im arabischen
Onlineportal Middle East Online,
nachdem die Arabische Liga am
Sonnabend die Mitgliedschaft Syriens
in dem Gremium ausgesetzt hatte.
Die syrische Delegation soll bei der
Arabischen Liga in Kairo von allen
Gesprächen, Diskussionen und Aktivitäten
ausgeschlossen werden.
Arabische Staaten sollen wirtschaftliche
und politische Sanktionen
gegen Syrien verhängen und
darüber nachdenken, ihre Botschafter
aus Damaskus abzuziehen.
Zum Schutz der Zivilbevölkerung
sollen arabische und UN-Organisationen
nach Syrien reisen,
»um das Blutvergießen zu stoppen
«; die syrische Armee wurde
aufgefordert, »nicht weiter auf Zivilisten
zu schießen«. Die Strafmaßnahmen
gegen Syrien wurden
in Kairo verkündet, der syrischen
Regierung wurde ein Ultimatum bis
zum 16. November eingeräumt.
Sollte sie diese Frist nicht nutzen,
würden die Maßnahmen in Kraft
treten und weitere überlegt, hieß es.
Innerhalb von drei Tagen will sich
die Liga mit syrischen Oppositionsgruppen
treffen, um sich mit
diesen auf »eine gemeinsame Vorstellung
über eine zukünftige Übergangsphase
in Syrien zu einigen«.
Die Entscheidung wurde von 18
Außenministern der Liga gegen die
Stimmen von Syrien, Libanon und
Jemen getroffen. Irak enthielt sich.
Außenminister Guido Westerwelle
begrüßte die Entscheidung,
die »nicht ohne Konsequenzen für
die Region« bleiben werde.
Syrien wies die Entscheidung
der Liga mit scharfen Worten ihres
Vertreters als »illegal« zurück
und forderte eine Sondersitzung
der Organisation. Am Freitag hatte
Syrien offiziell eine Delegation der
Liga eingeladen, um die Entwicklungen
vor Ort zu verfolgen. Am
Samstagabend zogen Hunderte
empörte Syrer durch Damaskus
und protestierten vor den Botschaften
Katars und Saudi Arabiens
gegen die Entscheidung der Liga.
Bei beiden Botschaften kam es
zu Sachschaden. Insbesondere Katar
wird vorgeworfen, sich zum
Sprachrohr von US-Interessen zu
machen. In Katar ist die größte Basis
der US-Armee in der Region stationiert,
von hier wurde der Krieg
gegen Irak 2003 koordiniert. Auch
bei der Eskalation gegen Libyen, die
mit der Aussetzung der Mitgliedschaft
Libyens in der Arabischen
Liga begann, spielte Katar eine wesentliche
Rolle.
Am Sonntag (13. Nov.) versammelten sich
landesweit Hunderttausende zornige
Syrer, um gegen das Verdikt
der Liga zu protestieren. Schulen,
Universitäten und Ministerien
blieben geschlossen, damit die
Menschen sich an den von der
Baath-Partei organisierten Protesten
beteiligen konnten. »Herzlich
willkommen in unserem
Land«, begrüßte der Demonstrant
Abdullah Hatef die ND-Korrespondentin
auf dem Platz vor der
syrischen Nationalbank in Damaskus.
Er sei froh, dass ausländische
Journalisten aus Syrien berichteten,
er hoffe, seine Stimme
würde von Menschen in Deutschland
gehört. »Ich unterstütze meinen
Präsidenten und die von ihm
vorgeschlagenen Reformen«, so
der 51-jährige Ingenieur, dessen
Heimatdorf auf den von Israel besetzten
Golanhöhen liegt. »Niemand
hat das Recht für mich zu
sprechen. Nicht Europa, nicht die
USA, nicht die Arabische Liga.«
Weder in der Erklärung der Liga
noch in den Stellungnahmen
der EU oder der USA wird auf die
Situation in der Stadt Homs eingegangen,
wo bewaffnete Gruppen
sich seit Wochen einen mörderischen
Kampf mit der syrischen
Armee liefern.
* Aus: neues deutschland, 14. November 2011
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