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Der Angriff von Regierungstruppen in Treimse galt vor allem "Deserteuren und Aktivisten" / The attack on Tremseh "appeared targeted at specific groups and houses, mainly of army defectors and activists"

Damaskus verteidigt sich - UN-Mission bestätigt die Version - aber nur teilweise

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Die syrische Regierung hat am Sonntag einen Militäreinsatz in Treimse (25 km nördlich von Hama) bestätigt. Der Sprecher des Außenministeriums, Jihad Mekdassi sagte vor Journalisten in Damaskus, Armee und Sicherheitskräfte hätten fünf Häuser angegriffen, in denen sich bewaffnete Aufständische (Mekdassi: „Terroristen“) verschanzt hätten. Ein Massaker an Zivilisten sei von der Armee nicht verübt worden. Vorwürfe, die Armee habe „schwere Waffen“ eingesetzt, wies Mekdassi zurück.

Die syrische Auslandsopposition und Aktivisten in Syrien hatten berichtet, die syrische Armee und regierungsnahe Milizen (‚Schabiha’) hätten am vergangenen Donnerstag mehr als 200 Menschen in Treimse ermordet. Dabei seien auch „Hubschrauber, Panzer und Artillerie“ eingesetzt worden.

Mekdassi erklärte, Treimse sei lediglich 1 km² groß, da verbiete sich „aus logischen Gründen“ der Einsatz von Hubschraubern oder Panzern von selbst. Die Armee habe BMB-(gepanzerte Ketten-)Fahrzeuge, leichte Waffen und Granatwerfer (RPG) eingesetzt. Die BMB-Fahrzeuge dienen demm Transport von Soldaten. In Waffenlagern habe man Maschinengewehre, Pistolen, Handgranaten, Gasmasken, Sprengstoff und große Mengen Munition für Präzisionsgewehre gefunden, die von Scharfschützen eingesetzt werden. Nach Auskunft eines religiösen Scheichs, dessen Identität Mekdassi aus Gründen der Sicherheit nicht enthüllen wollte, seien 37 bewaffnete Kämpfer und zwei Zivilisten getötet worden. Mekdassi sagte, die Armee werde weiterhin hart „gegen alle vorgehen, die bewaffnet gegen den Staat antreten“ würden. Für alle, die sich an einem politischen Dialog beteiligen wollten, stehe die Tür weiterhin offen. Seit Beginn des Waffenstillstandes am 12. April 2012 habe Syrien „mehr als 10.000 Angriffe“ bewaffneter Gruppen dokumentiert. Diese Statistik sei sowohl UNSMIS als auch dem UN-Sicherheitsrat bekannt. Der Leiter der UN-Mission in Syrien, General Robert Mood hatte am Freitag unter Berufung auf ein UN-Team, das etwa 6 km vom Ort der Kämpfe entfernt war, den Einsatz von „Hubschraubern, Panzern und Artillerie“ zunächst bestätigt. Nach einer ersten Inaugenscheinnahme durch die UN am Samstag, hieß es, dass „eine Vielzahl von Waffen“ darunter „Artillerie, Mörsergranaten und Kleinwaffen“ eingesetzt worden seien. Der Angriff habe offenbar „speziellen Gruppen und Häusern“ gegolten, „vor allem von Deserteuren und Aktivisten“. Am Sonntag setzte die UN ihre Untersuchungen in Treimse fort.

Unter Verweis auf das „Massaker in Treimse“ hatte die syrische Auslandsopposition am Freitag den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, eine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta zu Syrien zu beschließen. Danach wären weitere Sanktionen und ein Militäreinsatz gegen das Land möglich. Der Sicherheitsrat wird am 18. Juli über die Zukunft der UN-Mission in Syrien beschließen, die am 20. Juli ausläuft. In einem Editorial forderte die Washington Post am Wochenende, dass die Obama-Administration sich nicht länger von den Russen im Sicherheitsrat vorführen lassen dürfe. Sollte Russland weiterhin Sanktionen gegen Syrien verhindern, müsse die USA eine Verlängerung der UN-Mission verweigern. Das mache den Weg frei, für „effektivere Aktionen des Westens, wie mehr Unterstützung für die Freie Syrische Armee und Schutzzonen für Zivilisten“. Moskau müsse „klar gemacht werde, dass es UN-Sanktionen zustimmen muss, wenn es solche Schritte vermeiden will.“

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon wird am Montag in Moskau erwarteten, Kofi Annan wird sich am Dienstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen.

Ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf hat am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, dass es in Syrien einen “nicht-internationalen bewaffneten Konflikt” gebe, eine Umschreibung für Bürgerkrieg. Das IKRK überwacht das humanitäre Völkerrecht und hatte zuvor von „lokalen Bürgerkriegen“ in Syrien zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Oppositionsgruppen gesprochen.

* Dieser Artikel wurde - gekürzt - unter dem Titel "10000 Banditenangriffe" in der "jungen Welt" vom 16. Juli 2012 veröffentlicht.

UN observers confirm latest attack after visit to Syrian village of Tremseh

14 July 2012 – United Nations observers who entered the Syrian village of Tremseh on Saturday confirmed that an attack took place there two days ago, involving the use of artillery, mortars and small arms.

The attack on Tremseh “appeared targeted at specific groups and houses, mainly of army defectors and activists,” said a statement issued by the spokesperson for the UN Supervision Mission in Syria (UNSMIS).

“There were pools of blood and blood spatters in rooms of several homes together with bullet cases,” stated the Mission, which also observed a burned school and damaged houses with signs of internal burning in several of them.

“On the basis of this preliminary mission, UNSMIS can confirm that an attack, using a variety of weapons, took place.”

Thursday's attack, which reportedly resulted in over 200 deaths, was condemned by UN officials as well as the Joint Special Envoy for the UN and the League of Arab States for Syria, Kofi Annan, who said the attack violated the Government's commitment to the six-point peace plan.

That plan calls for an end to violence, access for humanitarian agencies to provide relief to those in need, the release of detainees, the start of inclusive political dialogue, and unrestricted access to the country for the international media.

The Mission added that the number of casualties is still unclear and that observers plan to go back into Tremseh, located 25 kilometres north-west of the city of Hama, on Sunday to continue their fact-finding visit.

“UNSMIS is deeply concerned about the escalating level of violence in Syria and calls on the Government to cease the use of heavy weapons on population centres and on the parties to put down their weapons and choose the path of non-violence for the welfare of the Syrian people who have suffered enough.”

The UN estimates that more than 10,000 people, mostly civilians, have been killed in Syria and tens of thousands displaced since the uprising against President Bashar Al-Assad began last year.

Secretary-General Ban Ki-moon discussed the situation in Syria and the need for the violence to stop at once in a telephone call with Chinese Foreign Minister Yang Jiechi today. Mr. Ban called on China to use its influence to ensure the full and immediate implementation of the six-point plan and the communiqué resulting from last month's meeting of the Action Group on Syria which forged an agreement outlining the steps for a peaceful transition in the country.

** UN News Centre, Saturday, 14 July 2012; www.un.org




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