Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Damaskus unter Druck

UN-Menschenrechtsrat verurteilt Gewalt in Syrien

Von Karin Leukefeld *

Auf Antrag der USA, der EU und arabischer Staaten, darunter Saudi-Arabien, hat sich der UN-Menschenrechtsrat am Freitag in New York zum dritten Mal seit Beginn der Unruhen mit der »gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung« in Syrien befaßt. Der dabei von der EU vorgelegte Resolutionsentwurf war offenbar nach intensiven Verhandlungen mit den Vertretern Chinas, Kubas und Rußlands dahingehend abgeschwächt worden, daß der vorgelegte Bericht einer Untersuchungskommission zur weiteren Befassung an den UN-Generalsekretär weitergeleitet werden soll. Verurteilt wurden in der Resolution die »anhaltenden, weit verbreiteten, systematischen und schweren Verletzungen von Menschenrechten und grundlegenden Freiheiten«. Die dreiköpfige Kommission unter Leitung des Brasilianers Paulo Pinheiro hatte für ihren Bericht außerhalb von Syrien mehr als 200 Opfer und Augenzeugen gehört. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, daß die syrischen Sicherheitskräfte und das Militär »Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Zivilisten« verübt haben. Sie hätten gemordet, gefoltert, vergewaltigt und Menschen festgenommen. »Wenn die syrischen Behörden ihre skrupellose Unterdrückung nicht sofort stoppen, kann es das Land in einen umfassenden Bürgerkrieg treiben«, stellte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, fest.

Damaskus wies die Resolution als »ungerecht und politisch motiviert« zurück. Der Bericht basiere auf »falschen Informationen«. Der syrische Botschafter im UN-Menschenrechtsrat, Faysal Khabbas Hamoui, betonte, nur die Syrer könnten ihre internen Probleme lösen und verwies auf die umfassenden Reformen, die Anfang kommenden Jahres mit den geplanten Parlamentswahlen in Kraft treten sollen. Er warnte davor, durch Vorschläge und Resolutionen »nur noch mehr Öl ins Feuer« zu gießen. Auch das russische Außenministerium kritisierte, die Maßnahmen der syrischen Regierung zur Stabilisierung der Lage seien nicht beachtet worden. Man lehne die »Nutzung von Menschenrechtsmechanismen zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens und zur Durchsetzung politischer Ziele« ab, hieß es in einer Erklärung aus Moskau.

Als Reaktion auf die verschärften Strafmaßnahmen der Europäischen Union und der Türkei hat Syrien am Wochenende seine Mitgliedschaft in der Mittelmeerunion ausgesetzt. Ein Freihandelsabkommen mit der Türkei wurde ebenfalls auf Eis gelegt. Die Arabische Liga will demnächst über weitere Sanktionen beraten, sollte Syrien nicht bis zum gestrigen Sonntag der Einreise eines Beobachterteams der Liga zustimmen. Damaskus erklärte, die Forderungen der Regionalorganisation seien mit »unmöglichen Bedingungen« verknüpft, die mit der Souveränität Syriens nicht vereinbar seien, und verwies auf die Aktivitäten von bewaffneten Gruppen im Land, die von der Türkei und Katar unterstützt würden. Ankara hat derweil angekündigt, im Norden Syriens eine »Pufferzone« einrichten zu wollen. Diese Maßnahme solle mit der Arabischen Liga diskutiert werden, sagte Außenminister Ahmed Davutoglu.

Nach Angaben des UN-Menschenrechtsrates sollen in Syrien seit April mehr als 4000 Menschen getötet und 14000 festgenommen worden sein. Die Behörden in Damaskus geben die Zahl der getöteten Soldaten und Polizeikräfte offiziell mit 1300 an, zu zivilen Toten gibt es keine Angaben. Rund 3000 Gefangene wurden in den vergangenen Wochen freigelassen, 912 waren es zuletzt am vergangenen Mittwoch.

* Aus: junge Welt, 05. Dezember 2011


Zurück zur Syrien-Seite

Zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage