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Offensive angekündigt

Syrien: Opposition plant Angriffe auf Armee

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Westliche Staaten im UN-Sicherheitsrat unterstützen einen von Großbritannien eingebrachten Resolutionsentwurf zu Syrien, der in der Nacht zum Freitag debattiert werden sollte und die dortige Regierung auffordert, »sichtbar und verifizierbar« ihre Truppen sowie schwere Waffen aus Wohngebieten abzuziehen. Sollte Damaskus der Forderung nicht binnen zehn Tagen nachkommen, solle der Sicherheitsrat nichtmilitärische Sanktionen verhängen. Rußland hatte bereits am Dienstag einen Entwurf vorgelegt, in dem für die UN-Beobachtermission eine Verlängerung des Mandats um zunächst drei Monate verlangt wird.

Derweil haben bewaffnete Aufständische eine Offensive für die kommenden drei Tage angekündigt. In Satellitenstädten um Damaskus fanden Bürger Zettel vor, auf denen sie aufgefordert wurden, ihre Wohnungen zu verlassen, weil Angriffe auf die Armee geplant seien. Unterschrieben waren die Warnungen nicht, Einwohner vermuten aber die »Freie Syrische Armee« als Absender.

Der von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga eingesetzte Sonderbotschafter für Syrien, Kofi Annan, berichtete am Mittwoch über seine Gespräche in Damaskus, ­Teheran und Bagdad. Annan will Iran auf internationaler Ebene in die Lösung der Krise in Syrien einbeziehen, was bisher durch die USA und Frankreich verhindert wurde. Vor Journalisten in Genf sagte Annan, er habe »alle Regierungen aufgefordert zu kooperieren«. Wenn der Sicherheitsrat mit einer Stimme spreche, habe er mehr Macht, als wenn er gespalten sei.

Am Mittwoch abend hatte der syrische Botschafter im Irak, Nawaf Fares, in einer »exklusiv« vom katarischen Nachrichtensender Al-Dschasira ausgestrahlten Botschaft gesagt, er schließe sich der »Revolution des syrischen Volkes« an. Fares rief »alle würdigen und freien Menschen in Syrien, vor allem die Soldaten«, auf, »Kanonen und Panzer auf die Kriminellen dieses Regimes« zu richten. Nawaf Fares hatte sein Amt in Bagdad 2008 angetreten. Er steht einem sunnitisch-muslimischen Stamm in der ostsyrischen Provinz Deir Essor vor, der entlang der Grenze zum Irak zu Hause ist. Seit Ende 2011 wurden über diese Grenze Waffen und Kämpfer aus dem Zweistromland eingeschmuggelt. In den letzten Wochen war die reguläre syrische Armee massiv gegen bewaffnete Gruppen in diesem Gebiet vorgegangen. Am Donnerstag nachmittag wurde bekannt, daß Fares sich nach Katar abgesetzt hat.

* Aus: junge Welt, Freitag, 13. Juli 2012


USA fordern Ultimatum an Assad

Syrische Opposition beschimpft UN-Vermittler Annan **

Zehn Tage will der Westen dem syrischen Präsidenten Assad noch geben. Wenn dann noch Blut fließt, sollen Sanktionen greifen. Es ist allerdings fraglich, ob eine Resolution dieser Lesart im UN-Sicherheitsrat durchkommt. Assad-Gegner sind wütend auf UN-Vermittler Annan.

Die westlichen Staaten im UN-Sicherheitsrat wollen Syrien eine Frist von zehn Tagen setzen. Dann sollen Sanktionen greifen. Russland hat bereits angekündigt, diesen Resolutionsentwurf nicht mitzutragen. Er sollte am Donnerstag im Sicherheitsrat verhandelt werden und droht erstmals nichtmilitärische Sanktionen nach Artikel 41 der UN-Charta an. Eingereicht wurde er von Großbritannien, Frankreich, den USA, Portugal und Deutschland. Gefordert werden ein »Ende der Gewalt« und der Rückzug der Armeewaffen aus Wohngebieten innerhalb von zehn Tagen. Keine Erwähnung findet in dem Entwurf Artikel 42, der die militärischen Optionen regelt.

Ein syrischer Diplomat, der sich am Mittwoch von Präsident Baschar al-Assad losgesagt hatte, rief im katarischen Sender »Al Dschasira« alle Mitglieder der regierenden Baath-Partei auf, seinem Beispiel zu folgen.

Der Unmut der syrischen Opposition richtet sich zunehmend auch gegen den UN-Sonderbeauftragten. Unter dem Motto »Nieder mit Kofi Annan, dem Diener von Assad und Iran« sollen am heutigen Freitag in Syrien landesweit Demonstrationen stattfinden. Das teilten die Organisatoren am Donnerstag mit. Regimegegner berichteten am Donnerstag von Mörserangriffen auf Kafr Susa bei Damaskus. Sie zählten landesweit 26 Tote.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 13. Juli 2012

Letzte Meldung:

Syrische Behörden machen Terroristen für Blutbad im Dorf Tremseh verantwortlich

Die syrischen Behörden haben am Freitag Terrorgruppen des Massenmordes vom Vortag an Einwohnern des Dorfes Tremseh, Provinz Hama, beschuldigt.

Laut der syrischen staatlichen Nachrichtenagentur SANA sind mindestens 50 Menschen Opfer eines Überfalls von Terroristen auf Tremseh geworden. Die am Ort der Tragödie eingetroffenen syrischen Sicherheitskräfte hatten den Kampf gegen die Terroristen aufgenommen, viele von ihnen getötet und andere gefangen genommen, so SANA. Ein Teil der Extremisten sei mit Maschinengewehren aus israelischer Produktion bewaffnet gewesen, heißt es.

„Hätte es im Dorf einen Sicherheitsposten der Armee oder eine Polizeieinheit gegeben, hätten die Terroristen nicht ins Dorf eindringen und keinen Massenmord verüben können“, sagte ein Dorfbewohner, dessen Vetter bei dem Angriff getötet wurde, in einem Gespräch mit SANA.

Die syrischen Behörden werfen einigen Massenmedien vor, den Konflikt im Land aufzubauschen und „im Vorfeld einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates die internationale öffentliche Meinung gegen Syrien und dessen Volk stimmen und eine ausländische Intervention provozieren zu wollen“.

Zugleich hat der Syrische Nationalrat (SNC), der die äußere syrische Opposition vertritt, am Freitag den UN-Sicherheitsrat aufgerufen, eine verbindliche Resolution anzunehmen, die einen Weg für die Anwendung von Gewalt von Außen in Syrien freimacht und den Sturz des Regimes von Präsident Bashar Assad ermöglicht.

Russische Nachrichtnagentur RIA Novosti, 13.07.20912; http://de.rian.ru


Annan schockiert über neues Blutbad in Syrien - Paris fordert Sanktionen

Nach dem Massaker im syrischen Dorf Tremseh hat Chef-Vermittler Kofi Annan der Regierung in Damaskus vorgeworfen, mit dem Einsatz von Artillerie, Hubschraubern und Panzern gegen ihre Verpflichtungen verstoßen zu haben.

Er sei schockiert über den Angriff auf Tremseh, sagte Annan am Freitag nach Angaben der Agentur AFP. Es handle sich um eine Verletzung der Verpflichtung der Regierung, den Einsatz schwerer Waffen in Wohngebieten zu beenden und den Sechs-Punkte-Friedensplan einzuhalten. „Es ist äußerst dringend, diese Gewalt und Gräueltaten zu beenden. Es ist wichtiger denn je, dass Regierungen mit Einfluss diesen effektiver nutzen, damit die Gewalt aufhört“, so Annan, der im Auftrag der UNO und Arabischen Liga im Syrien-Konflikt vermittelt. Das französische Außenministerium hat seinerseits den UN-Sicherheitsrat aufgerufen, harte Strafmaßnahmen gegen Damaskus zu verhängen.

In der Nacht zum Freitag hatte die syrische Opposition mitgeteilt, dass Regierungstruppen Tremseh überfallen und zwischen 100 und 200 Zivilisten ermordet hätten. Die Behörden machten bewaffnete Rebellen für das Massaker verantwortlich. ach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur SANA wurden in Tremseh mehr als 50 Menschen von Terroristen umgebracht. UN-Beobachter berichteten von andauernden Gefechten in Tremseh unter Einsatz von Hubschraubern und schweren Waffen.

Russische Nachrichtnagentur RIA Novosti, 13.07.20912; http://de.rian.ru




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