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Waffen statt Dialog

Westen will neue syrische Oppositionskoalition aufrüsten

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Geld, Waffen und politische Anerkennung erwartet sich die in Doha gegründete Nationale Koalition der syrischen Opposition von den »Freunden Syriens«. Man habe Bedenken zerstreut und »viele Vorbedingungen erfüllt«, sagte Koalitionssprecher Yaser Tabbara dem britischen Guardian. Man vertrete 90 Prozent der syrischen Oppositionsgruppen, auch die bewaffneten Gruppen. Die Länder des Golfkooperationsrates und Frankreich haben die Nationale Koalition bereits anerkannt, den nächsten großen Schritt will die Koalition in Marrakesch machen, wo sich die »Freunde Syriens« im Dezember treffen. Angesichts der wachsenden Destabilisierung Syriens sehe die internationale Gemeinschaft ihre regionalen Interessen gefährdet, so Tabbara. Er sei überzeugt, »die internationale Gemeinschaft ist sowohl militärisch als auch politisch bereit, in die Opposition zu investieren. Das haben wir in Doha gespürt.« Vor allem wolle man Waffen haben, mit denen man selber eine Flugverbotszone durchsetzen könnte, sagte Tabbara. Gemeint sind tragbare Flugabwehrraketen, die bisher über Katar, Saudi-Arabien, Libyen und die Türkei nach Syrien geschmuggelt wurden.

Die USA, Großbritannien und Frankreich planen nach eigenen Angaben, die neue Koalition militärisch besser auszurüsten. Großbritannien sucht einen Weg, das EU-Waffenembargo an die Aufständischen zu umgehen. Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte, Frankreich erkenne »das Recht des syrischen Volkes an, sich gegen die Angriffe des kriminellen Regimes in Damaskus zu verteidigen«. Die neue Koalition solle sich rasch der »breitest möglichen Unterstützung der Syrer und der internationalen Gemeinschaft« erfreuen. Sowohl Großbritannien als auch Frankreich arbeiten an militärischen Interventionsplänen.

Gestützt auf eine entsprechende Berichterstattung der arabischen Fernsehsender Al-Dschasira und Al-Arabiya rechnet tatsächlich so mancher Regierungsgegner in Damaskus damit, daß ein Angriff einzelner NATO-Staaten unmittelbar bevorstehe. Die Nationale Koalition werde das schaffen, meinte ein Geschäftsmann, der seinen Namen nicht nennen wollte. »Wie auch immer, Hauptsache das Regime verschwindet«.

Der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mekdad betonte dagegen im russischen Sender Russia Today, daß eine Opposition, die nicht im eigenen Land und mit der Unterstützung der eigenen Bevölkerung entstanden sei, die Heimat schlecht machen und zerstören wolle. Nachdem die USA festgestellt habe, daß der im August 2011 in Istanbul gegründete Syrische Nationalrat ihre Erwartungen nicht erfüllt habe, hätten sie in Doha ein neues Kind aus der Taufe gehoben. Die Welt erwarte ebenso wie Syrien, »daß die Krise in Syrien auf friedlichem Weg im nationalen Dialog gelöst« werde, sagte Mekdad. Statt dessen sei die erste Entscheidung gewesen, einen nationalen Dialog abzulehnen und Krieg und Bewaffnung fortzusetzen.

Der Opposition im Ausland gehe es nur darum, daß ihre Finanzquellen nicht versiegten, meinte ein Gesprächspartner in Damaskus. Sie hätten allem zugestimmt, nur um weiterhin finanziert zu werden.

Aus Angst, daß Syrien ein neues »Afghanistan oder Somalia« werden könnte, werde man »jetzt alles akzeptieren«, damit das Morden und Zerstören aufhöre, so die Frauenrechtlerin Sawzan Zakzak im Gespräch mit jW. Die Nationale Koalition sei ein Kind der USA, »wir werden ohnehin nicht gefragt«.

Er frage sich, wie repräsentativ die Nationale Koalition tatsächlich sei, meint George Jabbour, der Vorsitzende der Syrischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen im Gespräch mit jW. »Haben sie Beziehungen zu der Al-Nusra-Front, die für viele Anschläge verantwortlich ist? Können sie die beeinflussen?« Das gleiche gelte für die vielen verschiedenen bewaffneten Gruppen. »Sie wollen Waffen, aber wir brauchen einen Dialog«, so Jabbour. Ein militärischer Sieg sei nicht möglich, »sie werden Syrien mit ihren Waffen vernichten, von der Landkarte radieren«. Die Haltung Frankreichs treibe zu mehr Gewalt an, ist Jabbour überzeugt. Die syrische Regierung habe weiterhin viele Unterstützer, nicht zuletzt die Armee. Er appelliere an die drei Vorsitzenden der Koalition – Ahmet Mouaz al-Khatib, Riad Seif und Suhair Atassi – »ihre guten Qualitäten als Gesprächsvermittler« einzusetzen. »Sie sollten wieder die Haltung einnehmen, die sie früher hatten, als sie hier in Damaskus waren und sich für friedlichen Dialog aussprachen.«

* Aus: junge Welt, Samstag, 17. November 2012

Karin Leukefeld

referiert auf dem 19. Friedenspolitischen Ratschlag am 1./2. Dezember 2012 in Kassel zum Thema:
Was habt ihr dem arabischen Frühling in Libyen und Syrien angetan!?
Hier geht es zum Programm des Kongresses




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