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"Tyrannen bringen Okkupanten"

Syrische Oppositionsvertreterin: Wenn Assad Krieg von außen vermeiden will, sollte er zurücktreten *


Rim Farha gehört zum Vorstand des Syrischen Demokratischen Forums. Die Syrerin kurdischer Abstammung engagiert sich auch im Deutschen Friedensrat. Das Gespräch führte Karin Leukefeld in Berlin.


Das Syrische Demokratische Forum hat kürzlich eine Erklärung veröffentlicht. »Es ist Zeit, sich von der Unterdrückung zu befreien«, heißt sie.

Nach mehr als 29 Monaten kriegerischer Auseinandersetzung ist es Zeit, sich von den Machthabern zu befreien, denn sie allein sind dafür verantwortlich. Es ist Zeit, dass die gesamte syrische Opposition Hand in Hand daran arbeitet. Unsere Erklärung macht deutlich, wohin dieses Regime Syrien geführt hat: Tyrannen bringen Okkupanten. Besonders jetzt, da Syrien eine ausländische Invasion droht, sollten Soldaten der syrischen Armee und Soldaten der »Freien Syrischen Armee« gemeinsam kämpfen, um das Volk von diesem Regime zu befreien. So können eine ausländische Aggression bzw. ein Eingreifen der USA verhindert werden.

Fordern Sie einen Militärputsch?

Wir wollen, dass die Militärs beider Seiten zusammenkommen und – wenn man so will – einen Putsch in Syrien machen. Grundsätzlich sind wir gegen ausländische Einmischung. Die Iraner mischen sich ein, die libanesische Hisbollah ist an den Kämpfen beteiligt.

Die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und der Westen unterstützen auch Kämpfer in Syrien.

Es gibt Dinge, die nicht in unserer Macht stehen. Wir hoffen auf ein Bündnis der Revolutionäre und Demokraten.

Die Erklärung wurde kurz vor dem Antikriegstag veröffentlicht, der im Zeichen von Protesten gegen eine US-Militärintervention in Syrien stand. In Ihrer Erklärung wird diese Forderung nicht erwähnt.

Ich betone noch einmal, dass wir gegen jede ausländische Einmischung in Syrien sind. Jetzt gehen viele der Friedensbewegung auf die Straße und sagen »Nein zum Krieg«. Wo waren sie in den letzten zwei Jahren? In Syrien herrscht Krieg.

Vielerorts haben Kriegsfürsten die Kontrolle übernommen, viele Menschen fürchten, das Land könne zerfallen wie Somalia. Teilen Sie diese Befürchtung?

Die Situation ist wirklich schlecht, aber nicht wie in Somalia. Es gibt Extremisten in Syrien, aber nicht in der Zahl, wie Medien es berichten. Dieses Regime hat von Anfang an eine Konterrevolution gegen unsere Revolution eingeleitet.

Das Syrische Demokratische Forum macht die Regierung in Damaskus für alles verantwortlich. Hat nicht auch die Opposition Fehler gemacht? Bis heute ist sie zerstritten, auch die »Freie Syrische Armee« fordert Waffen, ist aber zum Dialog nicht bereit.

Die Opposition ist vielfältig, ausländische Mächte haben ihre Hände im Spiel. Russland, die USA, Westeuropäer, Türken, Saudi-Arabien, Katar. Wo es Fehler gegeben hat, muss die Opposition sich dazu bekennen. Fünfzig Jahre haben wir in Syrien unter einer Diktatur gelebt, die viele Spaltungen bewirkt hat. Als 1969 Hafez al-Assad die Macht übernahm, gab es eine Kommunistische Partei in Syrien, heute sind es fünf. Wir hatten zwei kurdische Parteien damals, heute sind es 12 oder mehr. Das Regime hat immer gespalten.

Viele Syrer sind aber der Meinung, dass Baschar al-Assad Syrien geeint und vor allem eine Trennung von Staat und Religion durchgesetzt habe.

Viele Oppositionelle haben wenig Erfahrung gehabt und sich zu Forderungen überreden lassen, die nicht richtig waren. Der Syrische Nationalrat, gegründet 2011, hat sofort nach einer ausländischen Intervention und einer Flugverbotszone gerufen.

Das Syrische Demokratische Forum ist seit zwei Monaten Mitglied in der Nationalen Koalition, die jedes Gespräch verweigert und die Genf-II-Konferenz blockiert.

Wir sind dort nicht Mitglied. Wir wollen aber eine politische Lösung, wir wollen, dass die Waffen schweigen. An der zweiten Genfer Konferenz sollten sich alle Oppositionellen beteiligen, die Nationale Koalition vertritt nicht alle Syrer.

Wagen Sie eine Prognose für Syrien?

Jetzt, wo ein Krieg von außen droht, wünschte ich, dass Assad und seine Generäle zurücktreten. Wenn er wirklich vermeiden wollte, dass unser Land noch mehr in Schutt und Asche versinkt, hätte er das tun sollen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 5. September 2013


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