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Bombenkrieg in Damaskus

Syrische Aufständische terrorisieren Bevölkerung. Homs unter Kontrolle der Armee

Von Karin Leukefeld *

Während in Marrakesch (Marokko) die zukünftige »Übergangsregierung« für Syrien mit umfassender politischer, finanzieller und militärischer Unterstützung ausgestattet wird, haben bewaffnete Gruppen in Syrien ihre Angriffe auf die Bevölkerung verstärkt. Die Außenminister Irans und Chinas, Ali Akbar Salehi und Yang Jiechi, haben am Mittwoch in Peking erneut eine friedliche und politische Lösung ohne ausländische Einmischung für Syrien angemahnt.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur SANA meldet, wurden am Donnerstag morgen bei einem Autobombenanschlag in einem Vorort der Hauptstadt Damaskus mindestens 16 Menschen getötet, darunter sieben Kinder. 23 weitere Menschen wurden durch die Explosion in Katana verletzt. Ebenfalls am Donnerstag morgen wurden Arbeiter des Jandar-Elektrizitätswerks bei Homs verletzt, als ihr Werksbus auf dem Weg zur Arbeit von bewaffneten Gruppen unter Beschuß genommen wurde. Bereits am Mittwoch waren bei Bombenanschlägen in Damaskus fünf Menschen getötet worden. Wie häufig bei den Anschlägen waren dabei zunächst zwei Autobomben gezündet worden. Als Menschen herbeieilten, um Hilfe zu leisten, detonierte ein dritter Sprengsatz.

Die syrische Armee und Sicherheitskräfte haben derweil die Kontrolle über die Stadt Homs zurückgewonnen. Das berichteten sowohl der britische Fernsehsender Sky News als auch der Reporter des britischen Independent, Patrick Cockburn. Bis auf bewaffnete Gruppen, die weiterhin Teile der bisher von Christen bewohnten Altstadt von Homs besetzt halten und von den Regierungstruppen umstellt seien, sei der bewaffnete Aufstand niedergeschlagen worden, schreibt der Reporter.

Cockburn, der sich am Montag in Homs aufhielt, beschreibt militärische Kontrollpunkte, die den Verkehr aber nicht wesentlich behindert hätten. Er habe keinen Gefechtslärm gehört, Geschäfte seien geöffnet gewesen. In einem zumeist von Armeniern bewohnten Bezirk sei tags zuvor jedoch ein vierstöckiges Wohnhaus nach dem Beschuß mit Raketen eingestürzt. Dabei seien fünf Menschen getötet worden. Militärische Einrichtungen hätten sich in der Umgebung nicht befunden, zitierte Cockburn eine Anwohnerin, die die bewaffneten Gruppen aus der Altstadt für den Beschuß verantwortlich machte. Die Journalisten, die eine staatlich organisierte Fahrt nach Homs unternommen hatten, besuchten auch den Bezirk Bab Amr am Stadtrand, wo es Anfang des Jahres zu heftigen Kämpfen gekommen war. Die Straßen seien weitgehend leer, schreibt Cockburn, viele Gebäude ausgebrannt, die Wände mit Einschußlöchern übersät, Dächer eingestürzt. Die wenigen Menschen, denen sie begegneten, hätten gar nicht oder nur zögernd mit den ausländischen Reportern gesprochen. Der Gouverneur von Homs, Ahmad Munir Mohand, machte gegenüber den Journalisten Al-Qaida, die Golfstaaten und die USA für den Krieg in Syrien verantwortlich. Von der Europäischen Union wünsche er sich, daß sie »medizinische Hilfe schickt, anstatt damit zu drohen, Waffen zu liefern«.

* Aus: junge Welt, Freitag, 14. Dezember 2012


Moskau setzt sich von Assad ab

Russischer Politiker: Niederlage des syrischen Präsidenten nicht auszuschließen **

Moskaus Unterstützung war bislang eine Stütze im Überlebenskampf der syrischen Regierung. Dass russische Politiker jetzt erklären, sie hielten seine Niederlage für möglich, ist für Assad ein schwerer Schlag.

Auch Russland glaubt nicht mehr an ein politisches Überleben des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Der Präsident verliere zunehmend die Kontrolle über das Land. Deshalb sei eine Niederlage Assads nicht auszuschließen, sagte Vizeaußenminister Michail Bogdanow am Donnerstag der Agentur Itar-Tass zufolge. Außenminister Sergej Lawrow will an diesem Freitag syrische Oppositionsvertreter empfangen.

Unterdessen wächst in der syrischen Opposition die Kritik an der Entscheidung Washingtons, die Al-Nusra-Front zur Terrororganisation zu erklären. An diesem Freitag wollen die Revolutionsaktivisten unter dem Motto »Es gibt keinen Terror in Syrien außer dem Terror Assads« demonstrieren. Zuvor hatte sich bereits ein Mitglied der syrischen Muslimbruderschaft negativ über diese Entscheidung der USA geäußert.

Die islamistische Al-Nusra-Front kämpft gegen das Assad-Regime, zum Teil auch Seite an Seite mit anderen Rebellenbrigaden. Die Gruppe hat zahlreiche Sprengstoffanschläge auf Soldaten und staatliche Einrichtungen verübt, auch mit Selbstmordattentätern. Der Al-Nusra-Front gehören auch Kämpfer aus anderen islamischen Ländern an.

Durch die Detonation einer Autobombe in Katana, einem Vorort der Hauptstadt Damaskus, starben laut Berichten von Anwohnern 16 Menschen, 20 wurden verletzt. Die Attacke soll sich gegen eine Offizierssiedlung gerichtet haben. Ein Augenzeuge berichtete, das Ministerium für Soziales und Arbeit sei evakuiert worden. Experten hätten eine Autobombe in der Nähe des Gebäudes entschärft.

Die Syrische Soziale Nationale Partei (SSNP) teilte mit, der Parlamentarier Abdullah Kairus, ein Mitglied ihres Politbüros, sei bei dem Anschlag auf das Innenministerium am Vortag ums Leben gekommen. Hinter dem Gebäude waren nach Angaben regierungsnaher Medien zwei Sprengsätze detoniert. Nach inoffiziellen Angaben starben insgesamt neun Menschen. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, landesweit habe es am Donnerstag 50 Tote gegeben, darunter acht Angehörige der Regierungstruppen. Sie seien bei Gefechten in Aleppo getötet worden.

Die deutschen Patriot-Luftabwehrraketen sollen rund 120 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt im Südosten der Türkei aufgestellt werden. Mit dem voraussichtlichen Stationierungsort in der Nähe der Stadt Kahramanmaras soll der defensive Charakter der Mission betont werden, wie der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Link, am Donnerstag laut einer Mitteilung der deutschen Botschaft in Ankara erklärte. Der Stationierungsort Kahramanmaras stelle sicher, dass die Bundeswehr-Patriots ihrem Mandat entsprechend »nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken« könnten, hieß es.

Unterdessen werfen die USA der syrischen Führung den Einsatz von Scud-Raketen gegen Rebellentruppen vor. »In Syrien sind Scuds gelandet«, sagte ein US-Regierungsvertreter. Außenamtssprecherin Victoria Nuland erklärte ebenfalls, im Syrien-Konflikt würden inzwischen auch Raketen eingesetzt. Zudem verwende die Regierung eine weitere »ungeheuerliche Waffe«. Es sei eine Art Rohrbombe, die brennbares Material enthalte. Damaskus dementierte den Scud-Einsatz.

Die Syrien-»Freundesgruppe« aus über 125 Staaten und Organisationen hat das Oppositionsbündnis Nationale Koalition als »legitime Vertretung des syrischen Volkes« anerkannt.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 14. Dezember 2012


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