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Solidarität mit Glaubenskriegern

Trotz Einreiseverbot: Saudischer Prediger wirbt in Deutschland für "heiligen Krieg" in Syrien

Von Nick Brauns *

Die deutsche Salafistenszene wirbt eifrig für den bewaffneten Kampf in Syrien und sammelt Gelder zur Unterstützung von Dschihadisten. Trotz eines Einreiseverbots konnte so der saudi-arabische Scheich Muhammad Al-Arifi am 1. Januar in Mainz und Heidelberg sowie am folgenden Tag in den Berliner Dar-Assalam- und Al-Nur-Moscheen vor Hunderten Teilnehmern auf Solidaritätsveranstaltungen zum »Dschihad« in Syrien aufrufen. Der in Saudi-Arabien zum »Doktor des Glaubens« promovierte Scheich ist einer der Starprediger der internationalen Dschihadistenszene. Über Facebook, Twitter und Youtube erreicht Al-Arifi, der in arabischen Fernsehsendern gerne auch Ratschläge zum Verprügeln ungehorsamer Ehefrauen gibt, weltweit Millionen Anhänger.

Ob es zutrifft, daß Al-Arifi mit einem Einreiseverbot in den gesamten Schengenraum belegt sei, wollte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, in einer Schriftlichen Anfrage wissen. »Die Darstellung in den Pressemeldungen hinsichtlich des Bestehens einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung in das Schengener Gebiet können bestätigt werden«, gab die Bundesregierung nun zu. Das seit dem 13. Dezember gültige Einreiseverbot wurde vom Schweizer Bundesamt für Migration für den Schengenraum beantragt, nachdem vom Islamischen Zentralrat der Schweiz ein Auftritt des Predigers angekündigt worden war. Von Al-Arifi ginge eine »Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung« aus, da er zum »bewaffneten Kampf« aufrufen könne, lautete die Begründung. »Eine Einreise in das Schengener Gebiet vor einer Ausschreibung und/oder über die grenzkontrollfreien Schengen-Binnengrenzen ist jedoch möglich«, meint die Bundesregierung auf Nachfrage der Abgeordneten Jelpke. Nach Informationen der Wochenzeitung Die Zeit verfügte al-Arifi zwar über ein vor dem 13. Dezember ausgestelltes Schengen-Visum. Doch auf Twitter behauptete der Prediger noch am 22. Dezember, an diesem Tag Schüler auf einem saudischen Gemüsemarkt getroffen zu haben, so daß die Einreise nach Deutschland wohl danach erfolgte.

Die geplanten Deutschlandauftritte Al-Arifis waren auf einschlägigen Internetseiten angekündigt worden. Vor der Berliner Al-Nur-Moschee waren zwar Polizisten anwesend, sie griffen aber nicht ein, bestätigten Augenzeugen gegenüber junge Welt. Möglicherweise war Al-Arifi unter diplomatischen Schutz angereist. So waren zwei Fahrzeuge mit saudischen Diplomatenkennzeichen vorgefahren.

Am Sonntag vor einer Woche fand in Berlin eine weitere von Hunderten Salafisten besuchte Solidaritätsveranstaltung mit den »notleidenden Muslimen« in Syrien statt, auf der Starprediger wie der Konvertit Pierre Vogel und der Palästinenser Ibrahim Abuo Nagie sprachen. Die offenbar zur Täuschung der Öffentlichkeit anfangs unter dem Titel »Die Schönheit der Muslima« beworbene Veranstaltung war konspirativ in einen Raum an der Neuköllner Sonnenallee verlegt worden, nachdem der zuvor angemietete Saal in Kreuzberg gekündigt worden war.

Die Regierung messe wohl mit zweierlei Maß, beklagt Ulla Jelpke. Während sie in kostenlosen Koranverteilungen in deutschen Fußgängerzonen bereits den Untergang des Abendlandes wittere, verschließe sie beide Augen, wenn dieselben Gruppen Gelder für den bewaffneten Kampf in Syrien sammeln. »Die dschihadistischen Banden kämpfen in Syrien nicht für Demokratie und Menschenrechte, sondern sie führen einen blutigen Krieg gegen religiöse und ethnische Minderheiten«, so Jelpke.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 22. Januar 2013


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