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"Wir werden uns nicht beugen"

Großdemonstration gegen US-Angriff in Syrien

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Die Nachrichten zur Lage an der syrisch-irakischen Grenze sind widersprüchlich. Nach dem völkerrechtswidrigen US-Angriff von irakischem Boden aus auf das syrische Dorf Sukkirya, bei dem am 26. Oktober acht Bewohner getötet und etwa 20 verletzt worden waren, war es zu schweren diplomatischen Turbulenzen zwischen Washington und Damaskus gekommen. Am Freitag (31. Okt.) berichtete ein privater syrischer Fernsehsender, daß Damaskus seine im Grenzgebiet zum US-besetzten Irak stationierten Truppen verringert, während Bagdad behauptete, daß Syrien die Militärdichte ebendort ausbaue

Am Donnerstag (30. Okt.) war Washingtons Botschaft in der syrischen Hauptstadt geschlossen geblieben. Sie wurde zum Ziel Zehntausender Demonstranten, die unter der Losung »Die wahren Terroristen sind die USA und Israel« in mehreren Zügen aus verschiedenen Stadtteilen ins Diplomatenviertel Malki zogen. »Amerika ist der Sponsor von Zerstörung und Kriegen« war auf einem Plakat zu lesen, auf einem anderen hieß es: »Wir werden uns dem Terror nicht beugen«.

Die syrische Regierung hatte scharf gegen den Angriff protestiert. Dem UN-Sicherheitsrat in New York wurde ein Schreiben mit der Forderung überreicht, er solle dafür sorgen, daß Syrien in Zukunft vor solchen Angriffen geschützt werde. Allerdings macht sich Damaskus keine Illusionen: Solange in dem Gremium die USA ein Vetorecht hätten, werde sich auf dieser Ebene kaum etwas bewegen, hieß es in Damaskus.

Aus Bagdad verlautete nach anfänglichem Zögern der US-gestützten Regierung, daß die »irakische Regierung den US-Hubschrauberangriff auf syrisches Territorium« veruteilt. Die Verfassung des Irak erlaube nicht, »daß irakischer Boden als Basis für Angriffe auf Nachbarländer« genutzt würde. Libanon, Ägypten, Iran und die Arabische Liga hatten bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der US-Attacke protestiert.

Die Frage, was Washington veranlaßt hat, den Überfall zu befehlen, beschäftigt auch die syrische Öffentlichkeit. Daoud Hido, Wirtschaftsexperte und früherer Staatsminister in Damaskus, meinte dazu gegenüber jW, der US-Angriff könne als »Wahlhilfe für den republikanischen Präsidentschaftsbewerber John McCain« gewertet werden. Außerdem wollten die USA Syrien drohen, sich angesichts einer gewissen Öffnung seitens der Europäischen Union gegenüber dem Land »nicht zu sicher zu fühlen«.

* Aus: junge Welt, 1. November 2008

Weitere Meldungen

Syrien setzte aus "Angst vor wutschnaubendem Stier" keine Waffen gegen US-Angreifer ein

DAMASKUS, 31. Oktober (RIA Novosti). Syrien hat das Feuer von US-amerikanischen Hubschraubern auf das Dorf Sukariya nahe der irakischen Grenze aus Angst nicht erwidert, "zwischen die Hörner des wutschnaubenden Stiers" zu geraten.
Das sagte Syriens Informationsminister Mohsen Bilal am Freitag im Landesfernsehen. "Syrien hat gesehen, wie die USA den Irak und Afghanistan zerstört hatten. Die gegenwärtige US-Administration verwandelte sich in den letzten Tagen ihrer Regierung in einen wutentbrannten Stier ... Es gibt viele andere Methoden, auf die Aggression zu antworten."
Zur ersten Reaktion der irakischen Regierung, die die Handlungen der USA zu rechtfertigen versuchte, sagte Bilal, dass die Iraker alles Mögliche sagen können, solange der Irak von den US-Truppen besetzt ist.
Nach syrischen Medienberichten waren vier US-Hubschrauber am vergangenen Sonntag aus dem Irak in syrisches Gebiet eingedrungen und hatten dort Ziele im Dorf Sukariya angegriffen, das einige Kilometer von der syrisch-irakischen Grenze entfernt liegt. Dabei starben acht Zivilisten, die ein Haus gebaut hatten.

Syrien schließt Kulturzentrum und Schule der USA in Damaskus

DAMASKUS, 29. Oktober (RIA Novosti). Das syrische Außenamt hat den Geschäftsträger der USA in Syrien (Leiter der Botschaft in Abwesenheit des Botschafters) am Mittwoch über den Beschluss des Landes in Kenntnis gesetzt, das amerikanische Kulturzentrum und die Schule in Damaskus zu schließen.
Dies sei eine Antwort auf den Angriff auf die syrische Ortschaft as-Sukaria nahe der irakischen Grenze am Sonntag, bei dem acht Menschen ums Leben kamen. Das teilte das Ressort Journalisten mit.
Das syrische Außenamt forderte vom Chef der amerikanischen diplomatischen Mission, die für die Erfüllung dieses Beschlusses notwendigen Maßnahmen zu treffen.

Bei einem Treffen mit den in Damaskus akkreditierten ausländischen Botschaftern äußerte der syrische Vizeaußenminister Faissal al-Mikdad, die von Syrien gesetzten Schritte seien eine "Antwort auf eine grundlose Aggression".
Ihm zufolge "erwartet Syrien offizielle Erklärungen von den Regierungen der USA und des Iraks bezüglich der unzulässigen Verletzung seiner Souveränität, bevor weitere Maßnahmen getroffen werden".
Er rief die internationale Gemeinschaft auf, sich für den "Schutz der Unabhängigkeit des Völkerrechts einzusetzen und nicht zuzulassen, das sich die Rechtswillkür auf die internationalen Beziehungen ausbreitet".

Die USA haben den Angriff auf das syrische Territorium offiziell nicht bestätigt.
Die amerikanische Seite bestätigt jedoch, dass bei einem Angriff am Sonntag ein hochrangiger Vertreter des Terrornetzwerkes Al Qaida getötet worden sei, der laut den Informationen des Geheimdienstes einen Terroranschlag im Irak geplant hatte.

(RIA Novosti, 31. bzw. 29.11.2008)

Syrien friert seine Kontakte zum Irak ein

Bagdad/Dubai (dpa) - Syrien friert wegen der US-Kommandoaktion in einem syrischen Dorf seine Kontakte zum Nachbarland Irak ein. Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete, der irakische Geschäftsträger in der syrischen Hauptstadt Damaskus sei am Donnerstag (30. Okt.) ins Außenministerium zitiert worden.
Dort habe man ihm mitgeteilt, dass die wirtschaftliche Kooperation zwischen beiden Staaten bis auf weiteres auf Eis gelegt sei. Das Gleiche gelte für die Zusammenarbeit der nationalen Sicherheitsdienste.
Amerikanische Soldaten, die mit Hubschraubern aus dem Irak gekommen waren, hatten am vergangen Sonntag im Dorf Al-Sukkarija nahe der irakischen Grenze nach syrischen Angaben mehrere Menschen getötet.
Die US-Regierung hat sich offiziell nicht zu der Attacke geäußert, aber inoffiziell durchblicken lassen, dass bei der Operation ein gefährlicher El-Kaida-Terrorist getötet oder verletzt worden sei. Aus der irakischen Regierung wurde zwar vorsichtige Kritik an dem Vorgehen der US-Streitkräfte laut. Regierungsnahe irakische Medien nannten den Angriff jedoch eine «Mahnung» an Nachbarstaaten, die das Eindringen von Terroristen in den Irak nicht verhinderten.
(dpa, 31.10.2008)

Irak verlegt Polizisten an syrische Grenze

Bagdad (AP) Der Irak hat am Samstag (1. Nov.) zusätzliche Sicherheitskräfte an die syrische Grenze verlegt. Eine Sondereinheit der Polizei aus Ramadi, der Hauptstadt der Provinz Anbar, wurde in die Grenzstadt Kaim entsandt, wie ein Polizeisprecher sagte. Es solle verhindert werden, dass dort Kämpfer des Terrornetzwerks Al Kaida aus Syrien in den Irak gelangen. (AP, 01.11.2008)




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