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5 konkrete Schritte, welche die USA zur Beendigung der Krise in Syrien unternehmen können

Die Zivilgesellschaft muss ihre Forderungen zuspitzen

Von Phyllis Bennis *

Der Bürgerkrieg in Syrien zieht sich weiter hin, und die Verhältnisse für die syrische Zivilbevölkerung – sowohl für die innerhalb seiner Grenzen lebenden, wie die zur Flucht in Nachbarstaaten gezwungenen Millionen – verschlimmern sich beständig. Da globale und regionale Mächte nicht nur bei der Hilfe zur Beendigung des Krieges versagen, sondern noch aktiv dabei sind, alle Seiten in den Kämpfen zu bewaffnen und finanzieren, müssen wir in der Zivilgesellschaft unsere Forderungen nach einer von unseren Regierungen sich unterscheidenden Position verstärken.

Die Krise nahm ihren Ausgang von einem weit verbreiteten Aufruf zu einem Ende der Repression und von einer gewaltfreien Bewegung, die Rechenschaftslegung von der Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, sowie die Freilassung politischer Gefangener und Verhafteter forderte. Ökonomische und ökologische Traumen, einschließlich einer verheerenden Dürre und einem Verringern von Schlüsselsubventionen der Regierung, verstärkten die Krise. Die Regierung reagierte mit einem Reformversprechen – was aber nicht erfüllt wurde – begleitet von einem schrecklichen Gewalteinsatz. Viele syrische Aktivisten und desertierende Soldaten griffen daraufhin zu den Waffen, und als sich die Kämpfe ausweiteten, schlossen sich Islamisten – viele von ihnen nicht-syrische Extremisten – dem Kampf gegen die Regierung an. In den vergangenen drei Jahren hat sich der Bürgerkrieg ausgeweitet in mehrere einander überschneidende aber unterscheidbare Kriege, nationale, regionale, konfessionelle und internationale.

Wir müssen auf der Seite derer stehen, die kämpfen für Gleichheit, Würde und Menschenrechte für alle Syrer, und auf dem Prinzip bestehen, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt gibt. Fortgesetztes militärisches Vorgehen wird die Gewalt und Instabilität lediglich verstärken, nicht nur innerhalb Syriens sondern auch in der ganzen Region und sogar global – und wird die Lebensbedingungen der bedrängten syrischen Zivilbevölkerung nicht verbessern.

Im Folgenden sind Empfehlungen aufgeführt für möglichst bald zu erfolgendes erforderliches Handeln.

(1) Die USA sollten, zuerst einmal, keinen weiteren Schaden zufügen. Die Obama-Regierung sollte die Entscheidungsprozesse der UNO unterstützen, internationales Recht und Diplomatie anstelle von militärischen Mitteln, und sich ihrem häufig geäußerten Bekenntnis gemäß verhalten, dass „es keine militärische Lösung in Syrien gibt“. Das bedeutet, keine US-Militärschläge oder Drohungen damit, und ein Beenden von jeglichem sonstigen militärischen Einmischen, einschließlich Waffenlieferungen. Dies ist ein grundsätzlicher Punkt und nicht eine Sache des Timing – denn wir wissen, dass, selbst wenn Bemühungen für eine Feuerpause, ein Waffenembargo und Diplomatie nicht unmittelbar erfolgreich sind, ein militärisches US-Engagement die Dinge nur verschlimmern wird.

(2) Das Beenden eines militärischen US-Engagements ist nur der erste Schritt; wir müssen eine Politik fordern, die dazu beiträgt den schrecklichen Bürgerkrieg zu beenden. Washington sollte eine sofortige Feuerpause auf jeder Seite verlangen und unterstützen, wie auch ein umfassendes internationales Waffenembargo. Die Regierung sollte sofortige Pläne verkünden, die das Verschiffen von Waffen oder das Ermöglichen von Waffenlieferungen an die Rebellen stoppt, und US-Verbündete daran hindern dies zu tun, und gleichzeitig Druck auf Russland und den Iran wiederaufnehmen zum Beenden von Waffenlieferungen ihrerseits an die syrische Regierung. Eine derartige Aufforderung an Russland und den Iran besäße allerdings mehr Glaubwürdigkeit, wenn sie verknüpft wäre mit einer öffentlichen Verpflichtung der USA, auch eigene Waffenlieferungen zu beenden. Washington sollte sich darauf vorbereiten, Endverbleibs-Abkommen ("end-use") für Waffenexporte zu stärken und durchzusetzen, um damit Druck auszuüben auf seine regionalen Verbündeten, einschließlich Saudi-Arabiens, Katars, der Vereinigten Arabischen Emirate, der Türkei, Jordaniens und Israels. Washington sollte diesen Waffenempfängern klarmachen, dass eine Weitergabe von Waffen an irgendeine Seite in diesem Konflikt ein Beenden sämtlicher Waffen-Verträge der USA mit ihnen zur Folge hätte. Washington sollte darauf vorbereitet sein, eine UN-Sicherheitsratsresolution zu unterstützen, die ein vollständiges und durchsetzbares Waffenembargo gegenüber allen Seiten in diesem Konflikt verkündet, und es sollte ferner Anstrengungen für örtliche Feuerpausen und Waffenstillstände innerhalb Syriens unterstützen.

(3) Trotz des Rücktritts des UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi sollte die Obama-Regierung gemeinsam mit Russland die Führung übernehmen für einen Neustart von internationalen Verhandlungen für eine politische Lösung. Alle Seiten müssen einbezogen werden, auch gewaltfreie syrische Aktivisten, Frauen und anderen Aktivisten der Zivilgesellschaft, wie auch die Repräsentanten syrischer, palästinensischer und anderer Flüchtlinge und gewaltsam vertriebene inner-syrische Flüchtlinge. Alle nicht-syrischen Parteien in diesem Konflikt – Syriens regionale Nachbarn und andere internationale Akteure inklusive Iran – müssen einbezogen werden. Aufbauend auf dem Erfolg der gegenwärtigen Nuklear-Verhandlungen mit dem Iran, sollte die US-Regierung ihr Engagement mit dem Iran erweitern, mit dem Ziel, damit dem Krieg in Syrien zu einem Ende zu verhelfen. Washington muss darauf bestehen, dass jedwedes Abkommen Schutz für alle Gemeinschaften in Syrien garantiert, wie auch das Recht auf sichere Rückkehr aller Flüchtlinge von außerhalb und innerhalb des Landes. Die Vereinbarung darf keiner Gruppe der Bevölkerung als solcher Rechte verweigern, einschließlich derer, die Regierungsämter innehatten oder dem Militär oder oppositionellen Milizen angehörten. Wenn der Waffenstillstand einmal in Kraft getreten ist, sollten die USA auch Bemühungen unterstützen, die alle Individuen aller Parteien, die sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, zur Verantwortung ziehen wollen.

(4) Der Krieg in Syrien hat eine enorme humanitäre und Flüchtlingskrise geschaffen, die sich mittlerweile über die ganze Region ausbreitet. Der Ausbruch diese Desasters muss gesehen werden im Kontext von Washingtons Kriegen in der Region des Nahen/Mittleren Ostens in der Folge des 11. Septembers, die keine der regionalen Krisen gelöst haben, sondern sie im Gegenteil eindeutig verschlimmert haben. Mehr als 40 Prozent der syrischen Bevölkerung sind mittlerweile vertrieben worden. Es gibt derzeit mehr als eine Millionen syrische Flüchtlinge im Libanon, die die bereits fragile soziale Stabilität der ungefähr 4,5 Millionen Libanese gefährden. Das riesige, stadt-ähnliche syrische Flüchtlingslager von Zaatari in Jordanien stellt eine enorme Belastung für die Wasser- und übrigen knappen Ressourcen in diesem Wüstenstaat dar.

Diese humanitäre Krise ist deshalb besonders kompliziert, weil sich unter jenen aus Syrien Fliehenden, wie auch unter den innerhalb des Landes vertriebenen und verarmt lebenden Menschen eine signifikante Anzahl von Flüchtlingen aus anderen ungelösten regionalen Konflikten befindet. Einige Palästinenser und Iraker insbesondere sind bereits drei, vier oder sogar fünf Mal zu Flüchtlingen gemacht worden Die USA haben sich zu einem der größten Beträge an humanitärer Hilfe verpflichtet, aber selbst der ist noch zu klein, und viel davon ist noch nicht ausbezahlt worden. Mit der Verkündung eines sofortigen Waffenembargos sollt Washington gleichzeitig einen massiven Anstieg in Flüchtlings- und humanitärer Hilfe ankündigen, die den UN-Hilfsorganisationen sofort zur Verfügung gestellt werden sollte, und andere Länder dazu aufrufen, ihre Hilfe zu erhöhen und durch die UN zu koordinieren.

(5) Die Organisation zum Verbot chemischer Waffen setzt die Überwachung des Transfers der syrischen chemischen Waffen unter internationale Kontrolle fort, sodass diese sicher entfernt oder zerstört werden können. Washington sollte dies und weitere Entwaffnungsbestrebungen fördern durch Unterstützung von Forderungen nach der Schaffung einer Massenvernichtungswaffen-freien Zone ausnahmslos im gesamten Nahen/Mittleren Osten.

* Dieser Artikel erscheint in der US-amerikanischen Wochenzeitung „The Nation“ am 2. Juni 2014. Originalartikel: "5 Concrete Steps the US Can Take to End the Syria Crisis. We in civil society must sharpen our demands".
Die Übersetzung aus dem Englischen besorgte Eckart Fooken.



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