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Flirt mit Terrorgruppen

Israel greift seit 2011 mit Artillerie und Luftwaffe immer wieder auf seiten der Assad-Gegner in den syrischen Krieg ein

Von Karin Leukefeld *

Mit seinen wiederholten Angriffen auf Syrien verhalte Israel sich wie die Luftwaffe des »Islamischen Staats« (IS), heißt es in einem aktuellen Kommentar des renommierten US-amerikanischen Internetportals Information Clearing House, das nach eigenen Angaben Nachrichten verbreitet, die »weder bei CNN noch bei Fox News« zu finden seien. Wie aktive und ehemalige Kongressabgeordnete fragten sich die Autoren des Internetportals: »Warum kämpfen wir auf der gleichen Seite wie Terroristen?«

Medien und Kommentatoren spekulieren seit 2011 darüber, welche Interessen Israel in dem Krieg verfolgt und auf welcher Seite es steht. Während einige in Israel den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad einem »Islamischen Kalifat« in Syrien vorziehen würden, nutzt Israel ohne Zweifel die Kampfverbände, um Informationen auszutauschen. Israelischen Medien zufolge soll es einen »Waffenstillstand« zwischen der israelischen Armee und der Al-Nusra-Front geben, die im August 2014 den wichtigsten Grenzübergang auf dem besetzten Golan bei Kuneitra eingenommen hatte.

Mehrfach hat Israel seit 2011 mit Artillerie und Luftwaffe in den innersyrischen Konflikt eingegriffen. Dabei waren nicht ein einziges Mal die bewaffneten Kampfverbände das Ziel, die seit Herbst 2012 entlang der Grenze des von Israel besetzten Golan aufmarschierten. Statt dessen wurden in allen Fällen Stellungen der syrischen Streitkräfte angegriffen und zerstört, die versuchten, die von Jordanien geführte Islamische Front und die Nusra-Front zurückzudrängen. Letztere kooperiert andernorts in Syrien gelegentlich mit dem IS, beide Gruppen werden vom UN-Sicherheitsrat als »Terrorgruppen« gelistet.

Die ersten, die ihre Augen vor der engen Kooperation zwischen Israel und den Kämpfern des IS und der Nusra-Front nicht länger verschließen wollten, waren die österreichischen Blauhelme der UNDOF-Mission, die im Auftrag der UNO seit 1974 den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien auf dem Golan überwacht hatten. Mehrfach waren die Soldaten Ziel von Anschlägen und Entführungen, gleichzeitig konnten sie beobachten, dass die Kämpfer offenbar in gutem Einvernehmen mit den israelischen Truppen standen. Die österreichische Regierung zog ihr Kontingent im Sommer 2013 ab.

Ein ausführlicher Bericht der UN-Truppen auf dem Golan bestätigt die enge Kooperation zwischen Israel und den Kämpfern. Am 1. Dezember legte der UN-Generalsekretär ihn dem Sicherheitsrat vor, der bis Jahresende über die Fortsetzung der Mission auf dem Golan entscheiden muss.

Der UNDOF-Bericht beschreibt detailliert die verschiedenen Begegnungen zwischen Kämpfern und dem israelischen Militär. So wurden etwa 15 Kilometer südlich von Kuneitra mehrfach verwundete Kämpfer über die Grenze in den von Israel annektierten Golan transportiert. Nach ihrer Behandlung und Genesung konnten die Kämpfer ungehindert den Rückmarsch nach Syrien antreten. Auch die Übergabe von Paketen an die Kämpfer wurde beobachtet.

In einem früheren Bericht vom Juni heißt es, dass allein in der Nähe des UNDOF-Stützpunktes 85 im dreimonatigen Berichtszeitraum 59mal Verletzte an die israelische Armee übergeben und 19 behandelte Männer nach Syrien zurückgekehrt seien. UNDOF geht davon aus, dass mehr als 1.000 verletzte Kämpfer in Israel behandelt worden seien.

Am 23. September schoss die israelische Luftabwehr im Grenzgebiet einen syrischen Kampfjet ab, der angeblich israelischen Luftraum verletzt hatte. Diese Angaben werden von UNDOF in dem Bericht nicht bestätigt. Man habe lediglich eine Explosion am Himmel wahrgenommen und beobachtet, dass Reste des Kampfjets auf der syrischen Seite der Demarkationslinie niedergegangen seien. Der Bericht bestätigt gleichwohl, dass sowohl Israel als auch Syrien mit den UN im Gespräch über die Fortdauer der UNDOF-Mission sei, die von beiden Seiten gutgeheißen werde.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 11. Dezember 2014


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