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McCain auf Kriegskurs

Delegation von US-Senatoren bereitet in Golfstaaten Aufstellung für Söldnertruppe gegen Syrien vor. UN fordern politische Lösung

Von Karin Leukefeld *

Während die Vereinten Nationen derzeit für ein »Einfrieren« der Kämpfe in der syrischen Stadt Aleppo werben und Russland sowie Ägypten eine neue innersyrische Gesprächsrunde vorbereiten, bereiten US-Senatoren in den Golfstaaten die nächste Eskalationsstufe im Syrien-Krieg vor. Eine Delegation unter der Führung des Vorsitzenden des Streitkräfteausschusses des Senats, John McCain, traf sich dazu am Samstag zunächst mit dem saudischen Verteidigungsminister und Kronprinzen Salam bin Abdulazid Al-Saud. Anschließend gab es ein Gespräch mit Ahmed Jarba, dem ehemaligen Präsidenten der oppositionellen »Nationalen Koalition« (Etilaf). Jarba gilt als einer der größten Waffenbeschaffer für die militante Gruppen in Syrien.

McCain hat seit Beginn der Unruhen in den arabischen Ländern 2010/2011 die Militarisierung in Libyen und in Syrien vorangetrieben und traf sich in beiden Ländern wiederholt mit Führern der bewaffneten Gruppen. Nun will seine Delegation die von den USA unterstützte Aufstellung einer Söldnertruppe vorbereiten. Einerseits soll der Verbund gegen die Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) eingesetzt werden, andererseits aber auch gegen die regulären syrischen Streitkräfte Krieg führen und so einen »Regime-Change« in Syrien vorbereiten.

An dem Treffen mit Jarba und Al-Saud nahm einer Twitter-Meldung von McCain zufolge auch ein Kommandeur des saudischen Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramms teil. Am Sonntag reisten die Senatoren ins benachbarte Katar weiter, wo sie mit Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani zusammenkamen. Katar und Saudi-Arabien haben seit 2011 bewaffnete Gruppen in Syrien mit Waffen, Munition und Kleidung ausgerüstet und logistisch insbesondere mit Kommunikations- und Aufklärungstechnik unterstützt.

Das Pentagon hatte am Freitag bestätigt, dass 400 Militärs und Hunderte zusätzliche Ausbilder in die Türkei, nach Saudi-Arabien und Katar entsandt würden, um 15.000 »moderate Rebellen« für den Einsatz gegen den IS auszubilden. Offiziell will die USA pro Jahr jeweils 5.000 solcher Kämpfer ausbilden, das Programm soll drei Jahre dauern. Seit März 2013 trainiert der US-Geheimdienst CIA bereits in Jordanien derartige Einheiten. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass dabei auch Kämpfer der dschihadistischen Nusra-Front ausgebildet und ausgerüstet werden.

Der amtierende UN-Sondervermittler für Syrien, Staffan de Mistura, hatte am vergangenen Donnerstag in Genf mit Nachdruck auf eine politische Lösung für Syrien im Jahr 2015 gedrängt. Durch den »absolut verheerenden Konflikt« sei das Land in den vergangenen vier Jahren in seiner Entwicklung »um 40 Jahre« zurückgefallen, so de Mistura. Die humanitäre Krise sei »die größte seit dem Zweiten Weltkrieg«, die Zahl der syrischen Flüchtlinge größer, als die der Flüchtlinge aus Afghanistan. »Während die Regierung und die Opposition weiter gegeneinander kämpfen, steht der IS nur 20 Meilen vor Aleppo«, warnte de Mistura. Das »Einfrieren« der Kämpfe in Aleppo sei dringend, sein Stellvertreter Ramzi Ezzedine werde noch diese Woche nach Damaskus reisen, um weitere Gespräche zu führen.

Auf syrischer Seite wird der Plan skeptisch gesehen. Ein Waffenstillstand würde bedeuten, dass die bewaffneten Gruppen Teile der Stadt halten und mit humanitärer Hilfe ihre Position ausbauen könnten. Das liefe perspektivisch auf eine »Pufferzone« hinaus, wie sie von Frankreich und der Türkei gefordert wird. Die syrischen Streitkräfte wollen das verhindern und setzen ihre Einkreisung von Aleppo fort. Ziel ist, den Nachschubweg für Kämpfer aus der Türkei zu unterbrechen.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wiederholte derweil am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters seine Forderung nach einer Flugverbotszone über Aleppo. »Die Ursache des Problems« sei »nicht nur der Kampf gegen den ›Islamischen Staat‹«, so Davutoglu. Er gab vor, Aleppo vor Luftangriffen schützen zu wollen, damit »nicht noch mehr Flüchtlinge in die Türkei kommen«. Ein Sprecher der »Nationalen Koalition« forderte in Istanbul erneut einen »sicheren Hafen im Norden und Süden Syriens«.

* Aus: junge Welt, Montag, 19. Januar 2015


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