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Washington wertet syrische Opposition symbolisch auf

Büros der Nationalen Koalition in New York und Washington sind nun "ausländische diplomatische Missionen" / Geste an Chef der Gruppierung *

Vor dem Besuch des syrischen Oppositionsführers Ahmed Dscharba in Washington haben die USA sein Oppositionsbündnis diplomatisch aufgewertet.

Das US-Außenministerium stufte am Montag (Ortszeit) die Büros der Nationalen Syrischen Koalition in New York und Washington als »ausländische diplomatische Missionen« ein. Koalitionsführer Dscharba sprach von einem wichtigen Schritt zur Anerkennung des »neuen Syriens« auf der internationalen Bühne.

Die stellvertretende Außenamtssprecherin Marie Harf sagte, mit dem Schritt solle die »moderate syrische Opposition gestärkt« werden. Bereits im März hatte Washington die Botschaft und zwei Konsulate Syriens im Land geschlossen und die Diplomaten von Staatschef Baschar al-Assad in ihre Heimat zurückgeschickt. Harf sagte weiter, Washington sehe auch jetzt die Syrische Nationale Koalition nicht als »Regierung Syriens« an.

Die Aufwertung der Opposition ist weitgehend symbolisch. Die Mitarbeiter der Vertretungen in Washington und New York genießen keine diplomatische Immunität. Allerdings werde die Arbeit der Opposition erleichtert, vor allem was den Kontakt mit Exilsyrern und mit Banken in den USA angehe.

Oppositionsführer Dscharba wird an diesem Mittwoch in Washington erwartet. Erste Mitglieder seiner Delegation trafen bereits in der US-Hauptstadt ein. Begleitet werden soll er vom neuen Generalstabschef der oppositionellen Freien Syrischen Armee, Abdel Ilah al-Baschir. Auf dem Programm stehen unter anderem Treffen mit US-Außenminister John Kerry und der Nationalen Sicherheitsberaterin von Präsident Barack Obama, Susan Rice. Die Aufwertung der Opposition erfolgt zu einer Zeit, da der politische Prozess zur Lösung des Konflikts blockiert ist und die Rebellen an Boden gegenüber den Regierungstruppen verlieren. Erst am Sonntag waren sie gezwungen, in den Abzug aus ihrer Hochburg Homs einzuwilligen. Zudem befinden sich die moderaten Aufständischen im Kampf gegen radikale Dschihadisten.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 7. Mai 2014


Bittsteller im Weißen Haus

Roland Etzel zum Besuch der syrischen Exilführung in den USA **

Wenn der syrische Exilführer Dscharba heute in Washington eintrifft, darf er mit einem freundlichen Präsent rechnen. In der diplomatischen Stufenleiter darf er ein Treppchen höher klettern. Dscharba wird sich – im Gegensatz zu manchen Rabauken, die vor ihm für die syrische Anti-Assad-Koalition im Ausland als Bittsteller auftraten – sicher zu Dankesworten durchringen.

Dabei ist auch er zutiefst unzufrieden, weil er viel mehr will, vor allem schwere, bessere Waffen; die leichteren, dazu Geld und Logistik bekommt er unter der Hand längst. Trotzdem sind die auf Dscharba hörenden syrischen Rebellen seit Monaten auf dem Rückzug, mussten gerade ihre letzten Stellungen in Syriens drittgrößter Stadt Homs aufgeben. Die Elogen der US-Amerikaner auf sie als »Vertreter des neuen Syrien« können da ein nur schwacher Trost sein.

Im US-Kongress gibt es in beiden Parteien starke Kräfte, wenn nicht sogar eine Mehrheit, die Dscharba seinen Wunsch gern erfüllen würden. Was sie dennoch bisher davon abhielt: Sie müssen damit rechnen, dass die gewünschten High-Tech-Waffen in die Hände unkontrollierbarer islamistischer Verbände fallen und vielleicht heute noch gegen Assads Truppen, morgen aber schon auf amerikanische Ziele gerichtet sein können. Wie einst in Afghanistan. Das offen einzugestehen ziert man sich aber im Weißen Haus.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 7. Mai 2014 (Kommentar)


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