Tausende Angriffe
Ein Jahr US-Bombenkrieg im Irak und in Syrien: Attacken werden ausgeweitet. Russische Regierung warnt vor weiterer Destabilisierung
Von Karin Leukefeld *
Unbestätigten Berichten zufolge haben die USA am vergangenen Wochenende erstmals Drohnenangriffe aus der Türkei auf syrisches Territorium durchgeführt. Ziel sollen demnach Stellungen der Nusra-Front gewesen sein, die in der vergangenen Woche eine Gruppe der von den USA gesponserten »Neuen Syrischen Streitkräfte« angegriffen und bis zu acht ihrer Kämpfer entführt hatten. Die US-Luftwaffe habe zu deren Schutz eingegriffen, hieß es im Fernsehsender CNN. Zuvor hatte der Sender bereits berichtet, dass US-Präsident Barack Obama offiziell Luftangriffe »auch gegen die syrische Armee« genehmigt habe, sollte diese die US-Verbündeten angreifen.
Man werde »nicht über Details des militärischen Engagements sprechen«, erklärte daraufhin der Sprecher des beim Weißen Haus angesiedelten Nationalen Sicherheitsrates, Alistair Baskey. Allerdings seien die Kämpfer »mit umfassender Feuerkraft zu ihrem eigenen Schutz unterstützt worden«, bestätigte er dann doch die Eskalation. Bisher hatte die US-Armee nur grünes Licht für Angriffe gegen die Milizen des »Islamischen Staats« (IS) bekommen. Deren Stellungen im Irak bombardieren die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten seit August 2014. Einen Monat später wurden diese Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien ausgeweitet. Seither wurden nach Angaben des Internetportals airwars.org 5.866 Angriffe geflogen. Rund 15.000 IS-Kämpfer und bis zu 1.247 Zivilisten sollen getötet worden sein. Nachhaltig gestoppt werden konnte die Terrormiliz durch die Bombenangriffe allerdings bislang nicht.
»Erfreut« über die nun erfolgte Ausweitung des Mandats durch Obama zeigte sich der republikanische Senator John McCain, der seit Beginn der Unruhen in Syrien die Bewaffnung von Kampfgruppen gefordert und – von Libyen aus – betrieben hatte, um den Sturz von Präsident Baschar Al-Assad zu forcieren.
Russland hat dagegen die US-Luftangriffe in Syrien kritisiert. Sollten US-Kampfjets syrische Regierungstruppen angreifen, die unter dem Kommando des legitimen Präsidenten Assad stehen, handele es sich um einen »Angriff auf einen souveränen Staat«, der nur vom UN-Sicherheitsrat genehmigt werden könne, stellte der russische Nachrichtensender RT fest. Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete die Attacken als »kontraproduktiv« und forderte ein sofortiges Ende der »ausländischen Intervention«. In Doha war Lawrow mit Außenministern des Golfkooperationsrates, unter ihnen Saudi-Arabiens Chefdiplomat Adil Al-Dschubair, sowie mit seinem US-Amtskollegen John Kerry zusammengetroffen. Ziel war es, in der Syrien-Frage zu einer Zusammenarbeit zu kommen. »Ich glaube nicht, dass es mir gelungen ist, die Haltung der USA ins Wanken zu bringen«, räumte Lawrow anschließend ein.
Unklar sind weiterhin die Umstände, die am Wochenende zum Absturz eines syrischen Kampfjets über der Stadt Ariha in der an die Türkei grenzenden Provinz Idlib geführt haben. Die Stadt und die Provinz waren im März von der islamistischen »Armee der Eroberung« überfallen worden. Diese auch von der Nusra-Front unterstützte Organisation ist ein von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei gesponsertes Joint Venture. Ihr Auftrag ist es, der syrischen Armee vernichtende Verluste zuzufügen, um die Regierung zu stürzen. Das gleiche Ziel verfolgt Washington. Das US-Finanzministerium hat ein weiteres Mal die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien ausgeweitet. Sieben namentlich nicht genannte Institutionen und vier Einzelpersonen wurden auf die Sanktionsliste gesetzt. Außerdem wurden sieben Frachter beschlagnahmt. So solle der »wirtschaftliche und finanzielle Druck auf die syrische Regierung intensiviert werden, ihre Kampagne der Gewalt gegen ihr Volk zu beenden«, lautete die Begründung.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. August 2915
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