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Waffenlieferungen stören Friedensgespräche

Syrische Regierung verurteilt US-Aufrüstung von Aufständischen. Islamisten kontrollieren Ölfelder

Von Karin Leukefeld *

Mit scharfen Worten hat die syrische Regierungsdelegation in Genf auf die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen der USA an irreguläre Kampfverbände in Syrien reagiert. Der Beschluß sei eine »Provokation und ein himmelschreiender Verstoß gegen die Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates«. Die Entscheidung wirke sich auf den Ablauf der Genfer Gespräche negativ aus. Informationsminister Omran Al-Subi sagte vor Journalisten in Genf, er frage sich, »wie so ein Verhalten der USA den Genf-II-Prozeß fördern« solle. Immerhin seien die USA mit Rußland und den Vereinten Nationen Initiator der Friedensgespräche. Die syrische Regierung sei sich bewußt, daß auch aus der Türkei, Saudi-Arabien, Katar und Jordanien weiter Waffen geliefert würden, dennoch bleibe Damaskus »offen für politische Gespräche«.

Auch der stellvertretende Außenminister Faisal Mekdad warf der US-Administration vor, die Genfer Gespräche behindern zu wollen. Die Regierungsdelegation wolle den Erfolg und werde sich »äußerst flexibel verhalten, um Sicherheit und Frieden für die Syrer zu erreichen«, so Mekdad weiter. Auf Fragen von Journalisten hatte er zuvor gesagt, daß die von der EU und den USA gegen Syrien verhängten Sanktionen »bisher kein Thema« bei den Gesprächen gewesen seien. »Einige Seiten« hätten das Thema nicht gewollt. »Die ökonomischen Sanktionen töten das Volk«, sagte Mekdad. Sie richteten sich gegen »jedes syrische Kind, jeden Alten, jeden, der in Syrien friert«. Sie seien »unmenschlich, unrechtmäßig und nicht zu rechtfertigen«. Wer das Gute für die Syrer wolle, müsse die verantwortlichen Regierungen drängen, die Sanktionen aufzuheben.

Im April 2013 hatte die EU ihre zuvor verhängten Sanktionen einseitig zugunsten der oppositionellen »Nationalen Koalition« und der ihr angegliederten (Kampf-)Verbände und Hilfsorganisationen aufgehoben. Damit wurde nicht nur die Lieferung von sowohl humanitärer Hilfe als auch Waffen in die sogenannten »befreiten Gebiete« möglich. Die mit der »Nationalen Koalition« verbündeten Kampfverbände konnten zudem das Öl aus besetzten syrischen Fördergebieten in die Türkei und an westliche Abnehmer verkaufen.

Die New York Times bestätigte am Dienstag, daß inzwischen islamistische Kampfverbände die Kontrolle über die syrischen Ölfelder übernommen hätten. Der Bericht beruht offenbar auf Geheimdienstinformationen und wurde von Journalisten in Beirut, Washington und Houston geschrieben. Mit dem Einkommen aus diesen Ressourcen könnten sich die Kämpfer weitgehend selbst finanzieren, erklärte ein »amerikanischer Beamter« demnach. Davon profitierten vor allem die Gruppen »Islamischer Staat im Irak und Syrien« (ISIS) und Al-Nusra-Front. Beide werden von den US-Behörden der Al-Qaida zugerechnet. Angeblich verkaufe der ISIS Öl an die syrische Regierung, heißt es weiter. Das untermauere Vorwürfe von Oppositionellen, daß die Regierung in Damaskus mit dem ISIS zusammenarbeite, um die moderaten Kampfverbände zu schwächen und die internationale Gemeinschaft davon abzuhalten, ihnen Waffen zu liefern. Michel Kilo, der der Delegation der »Nationalen Koalition« in Genf angehört, hatte dem Internetportal Al-Monitor versichert, man habe »Beweise« für die Kooperation zwischen dem ISIS und der syrischen Regierung.

Möglicherweise handelt es sich bei dem Bericht der New York Times um mediales Störfeuer, das die syrische Regierungsdelegation in Genf unter Druck setzen und die Abordnung der »Nationalen Koalition« entlasten soll. Nicht erwähnt wird, daß die syrische Armee und Sicherheitskräfte mit allen bewaffneten Gruppen Verhandlungen über Rückzug und Waffenruhen führen (müssen), nicht zuletzt, um humanitäre Hilfe passieren zu lassen. Auch die Tatsache, daß eine Reihe islamistischer Kämpfer 2011 auf Druck von Oppositionellen aus den syrischen Gefängnissen freigelassen wurden, erfährt man nicht. Einige von diesen führen heute als Kommandanten des saudischen Geheimdienstchefs Bandar bin Sultan bewaffnete Gruppen im Umland von Damaskus und in der Provinz Deraa.

Durch gezielte Sabotage der bewaffneten Gruppen wurde die landesweite Infrastruktur für die Strom-, Öl- und Gasversorgung massiv beschädigt. Die »Wilderei« auf den Öl- und Gasfeldern hat zu schweren Schäden an den Anlagen sowie zu Umweltverschmutzungen und Gesundheitsproblemen in der Bevölkerung geführt.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 30. Januar 2014


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