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Moskau im Streit mit Duschanbe

Tadshikistan pokert um Truppenstandorte

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Trotz sommerlich heißer Temperaturen in Moskau und vor allem in Duschanbe, der Hauptstadt Tadshikistans, ist das Klima in den zwischenstaatlichen Beziehungen derzeit frostig. Grund sind Differenzen bei den Verhandlungen zur Verlängerung eines Abkommens über russische Nutzungsrechte an Militärstützpunkten.

Russland hat in Tadshikistan – nahe der Grenze zu Afghanistan – zurzeit an drei Standorten insgesamt 7000 Soldaten stationiert: in Duschanbe, Kuljab und Kurgan Tjube. Dazu gehört die 201. Schützendivision, die im tadshikischen Bürgerkrieg (1992 bis 1997) eine herausragende Rolle beim Zwang zum Frieden spielte.

Die Stationierungsabkommen, die 2004 vereinbart wurden, laufen 2014 aus. Verhandlungen über einen Folgevertrag, die Russlands damaliger Präsident Dmitri Medwedjew schon 2008 anregte, brachten auch nach der Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt keine Ergebnisse. Im Gegenteil: Die Töne wurden schriller. Beide Seiten nannten die Bedingungen, die der jeweils andere dabei stellt, unannehmbar.

Russland will, ähnlich wie für seine Stützpunkte in Armenien und Kirgistan, einen Pachtvertrag für 49 Jahre durchsetzen. Tadshikistan aber will sich für maximal zehn Jahre binden und den Pachtzins deutlich erhöhen. Von 250 Millionen Dollar jährlich war in der Presse die Rede. Außerdem pocht der tadshikische Präsident Emomali Rachmon, der die russische Endung -ow von seinem Namen gestrichen hat, auf unentgeltliche Lieferung russischer Waffen und Munition.

Ohne einen akzeptablen Vertragsentwurf werde Moskau keinen Rubel mehr in den Ausbau der Basen in Tadshikistan investieren, drohte Nikolai Makarow, den Putin kürzlich im Amt des Generalstabschefs bestätigte. Der tadshikische Verteidigungsminister Sherali Chayrulloyev zeigte sich unbeeindruckt. Am Rande der jüngsten Tagung der Organisation des Vertrages für kollektive Sicherheit (OVKS), dem Verteidigungsbündnis der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS, erklärte Chayrulloyev, er habe ein eigenes Papier als Verhandlungsgrundlage mitgebracht, den russischen Entwurf habe er daher gar nicht erst gelesen.

Das sind völlig neue Töne, die Tadshikistan, eines der 20 ärmsten Länder der Welt, gegenüber dem einstigen großen Bruder anschlägt. Das zeigt, wie weit Moskaus Einfluss in der Region gelitten hat. Auf die Basen in Tadshikistan werfen auch die USA inzwischen begehrliche Blicke. Kommt das Geschäft zustande, will Washington Duschanbe nach dem Abzug aus Afghanistan 2014 große Mengen an Waffen und Kriegstechnik überlassen. China bekundete ebenfalls Interesse. Nach einem fünftägigen Besuch im Reich der Mitte erklärte Staatschef Rachmon dann auch die guten Beziehungen zu China zur absoluten außenpolitischen Priorität.

Schon im vergangenen Jahr hatten sich China und Tadshikistan endgültig über den bisher in Teilen strittigen Verlauf der gemeinsamen Grenze geeinigt. Den territorialen Zugewinn – 1122 Quadratkilometer, ein Prozent des tadshikischen Hoheitsgebietes – vergoldete Peking mit einem Darlehen von zwei Milliarden US-Dollar.

Experten sehen in dem Kurswechsel auch einen Racheakt. Im Streit um die knappen Wasserreserven der Region hatte Moskau stets den Nachbarn Usbekistan unterstützt. Putin beehrte nach seiner Wiederwahl den usbekischen Despoten Islam Karimow sogar mit einem seiner ersten Auslandsbesuche: Nach Belarus, Deutschland und Frankreich war Usbekistan an der Reihe. Er wollte sich den unsicheren Kantonisten auch weiter als Bündnispartner verpflichten. Vergeblich. Ende Juni trat Usbekistan, das wegen seiner Nähe zu Afghanistan strategisch ähnlich bedeutsam wie Tadshikistan ist, aus dem GUS-Verteidigungsbündnis aus. Jetzt sondieren die Usbeken mit den USA, denen Karimow 2005 auf Druck Moskaus die Nutzungsrechte für seine Luftwaffenbasis Karschi kündigte, Möglichkeiten für einen neuen Vertrag.

* Aus: neues deutschland, Montag, 16. Juli 2012


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