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Suche nach der angepassten Lösung

Die Organisation "Ingenieure ohne Grenzen" transferiert Know-how als Hilfe zur Selbsthilfe

Volker Eiselein ist Diplom-Ingenieur für Technische Informatik und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin. Bei der als gemeinnützig anerkannten Hilfsorganisation »Ingenieure ohne Grenzen« kümmert er sich ehrenamtlich um die Öffentlichkeitsarbeit. Der 2003 gegründete Verein hat inzwischen knapp 1000 Mitglieder und Unterstützer aus allen Berufssparten. Über die Arbeit und die derzeitige Projektreise nach Tansania sprach mit Eiselein für das "Neue Deutschland" (ND) Martin Ling.

ND: Derzeit befinden sich elf Mitarbeiter von »Ingenieure ohne Grenzen« in Tansania. Woran arbeiten sie dort?

Eiselein: Wir sind vor allem in der Region Kagera im Hochland Tansanias aktiv. Dort sind verschiedene Projekte zur Wasser- und auch zur Energieversorgung im Gange oder in der Planung. Bei der Wasserversorgung gibt es drei Zisternenprojekte, zwei davon laufen. Eines ist für 2011 geplant. Das erste Zisternenprojekt läuft seit 2008. Da geht es darum, dass Familienclans, jeweils rund 30 Personen, eine Zisterne zur Wasserversorgung bekommen. Das ist deshalb nötig, weil es in dieser Region keine funktionierende Wasserversorgung gibt. Vor allem Kinder und Frauen sind deswegen gezwungen, weite Wege zu Wasserlöchern zurückzulegen. Bei den Kindern geht das zu Lasten des Schulbesuchs. Das wollten wir ändern. Mit den bereits gebauten mehr als 30 Regenwasserzisternen werden mittlerweile über 1050 Menschen versorgt.

Und das zweite laufende Projekt?

Das betrifft die Wasserversorgung einer Mädchenschule in Ngara im Grenzgebiet zu Ruanda und Burundi. Früher wurde die Wasserversorgung der Schule mitsamt der Bürgerkriegsflüchtlinge aus jenen beiden Ländern im Lager Benaco durch das Flüchtlingshilfswerk der UNO gewährleistet. Seit der Rückkehr der letzten Flüchtlinge nach Burundi Ende 2008 ist die Schule auf sich alleine gestellt. Unser Projekt sieht den Aufbau einer Trink- und Brauchwasserversorgung für etwa 200 Schülerinnen, die auf dem Schulcampus leben, sowie für die in der Schule tätigen Lehrer mit ihren Familien vor. Geplant ist, eine Regenwasserversorgung über Zisternen zu errichten, die in der Regenzeit über Dachflächen gespeist werden. Bisher wird das Wasser teuer per Lkw angeliefert.

Wasserknappheit ist in Afrika fast allgegenwärtig. Wie suchen sich »Ingenieure ohne Grenzen« ihre Projektorte aus?

Im Fall Kagera war es im Endeffekt ein persönlicher Kontakt vom Projektleiter Marko Faber. Er war mit »Ingenieure ohne Grenzen« aus Schweden früher schon mal in der Gegend und hatte dabei unsere Partnerorganisation Mavuno, eine tansanische Nichtregierungsorganisation kennen gelernt. Von Mavuno kam 2008 die Anfrage, ob wir nicht eine Möglichkeit hätten, die Zisternen, die sie schon bauen, zu verbessern, weil die Wasserqualität nicht gut genug war. Für uns ist es der Idealfall, wenn eine Anfrage von vor Ort kommt, denn das bedeutet, dass die Menschen sich über ein Problem im Klaren sind, das sie gelöst haben möchten. Wir übertrugen das Know-how im Zisternenbau von einer kenianischen Organisation, mit der wir schon viel länger zusammenarbeiten, nach Tansania, das klimatisch und topografisch sehr ähnliche Verhältnisse hat. Danach bildeten wir Tansanier aus, die nun in der Lage sind, mit diesen verbesserten Zisternen das Wasserproblem quantitativ und qualititativ anzugehen. Das Ziel ist, Hilfe zur Selbsthilfe zu liefern. In Kagera wurde das erreicht, die Menschen dort können nun selbstständig Zisternen bauen. Jetzt geht es um die weitere Verbesserung der Wasserqualität.

Was macht Mavuno, außer Zisternen zu bauen?

Mavuno ist eine Nichtregierungsorganisation, die von der tansanischen Bevölkerung gegründet wurde. Sie führen Projekte im Bereich Landwirtschaft, Gesundheit, Wasser, Wiederaufforstung in der Gegend durch. Zudem sind sie in der Mikrofinanzierung aktiv oder kümmern sich um Waisenkinder. Das ist eine relativ große Organisation, mit der wir seit 2005 zusammenarbeiten. Für uns ist es wichtig, dass wir einen verlässlichen Partner haben, weil wir langfristig arbeiten. Es gibt durchaus noch einen Bedarf von 150 bis 200 Zisternen in der Gegend und den möchten wir langfristig auch decken. Dafür brauchen wir einen zuverlässigen Partner

Bei der Energieversorgung setzen »Ingenieure ohne Grenzen« auf Biogas. Diese Technologie gilt als nicht ganz einfach zu handhaben. Wie wird das gelöst?

Falsch angewandt hat Biogas sicher seine Tücken. Der Ausgangspunkt unseres Biogasprojektes in Kagera war eine Diplomarbeit, die untersucht hat, was es in der Gegend an Biogasanlagen gibt und welche Form sinnvoll wäre. Die Bestandsaufnahme fiel ernüchternd aus: Es gab ungefähr zehn Anlagen, von denen eine noch halbwegs funktioniert hat. Das Problem war einfach, dass das Anlagen waren, die für europäische Verhältnisse ausgelegt waren. Sie wurden mit Kuhdung betrieben, der vor Ort kaum vorhanden war, und benötigten viel des knappen Wassers.

Für unser Projekt haben wir deshalb nach einer angepassten Lösung gesucht. Wir haben eine neue, an die tansanischen Klimabedingungen angepasste Bauform entwickelt, in dem statt Kuhdung Pflanzenreste verwendet werden. Dieser neue Anlagentyp wurde in einem Gewächshaus in Berlin-Lichtenberg in den letzten Monaten erprobt. In Tansania wird nun in Zusammenarbeit mit der lokalen Partnerorganisation Mavuno ein erster Prototyp vor Ort errichtet, dem weitere folgen sollen. In unserem Projekt sollen die Menschen lernen, diese Anlage zu bauen, zu warten und zu bedienen.

»Ingenieure ohne Grenzen« existieren seit 2003. Wer hatte die Gründungsidee?

Die Initialzündung kam vom Diplomingenieur Jojakim Sames, der durch seine berufliche Arbeit für das Technische Hilfswerk und die Vereinten Nationen zunehmend mit den Problemen anderer Ländern konfrontiert wurde. Vor allem in den Bereichen Wasserversorgung und Infrastruktur sind in Entwicklungsländern immer wieder Lösungen zu entwickeln, die ingenieurtechnisches Know-how erfordern. Hier sehen wir unser Einsatzgebiet.

Ingenieure ohne Grenzen e.V.
Spendenkontonr: 1030 333 337
Sparkasse Marburg Biedenkopf
BLZ 533 500 00 www.ingenieure-ohne-grenzen.org


* Aus: Neues Deutschland, 10. August 2010


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