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Geist von Paris in Tandahimba

Krankenhaus in Tansania profitiert von besserer Zusammenarbeit mit deutschen Helfern

Von Kai Walter *

Hilfsorganisationen sehen sich immer wieder in der Kritik, wenn es um die Wirkung ihrer Arbeit geht. Seit einer OECD-Konferenz 2005 in Paris schweben Begriffe wie Effektivität und Harmonisierung durch die Entwicklungslandschaft. Um die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen, müssten Geberländer und Hilfsorganisationen besser kooperieren, so das neue Credo. Im Entwicklungshilfealltag tun sich die Akteure schwer. In Tansania gibt es einen Erfolg versprechenden deutschen Versuch.

Die Sandpiste nach Tandahimba führt vorbei an Cashewnussplantagen und Lehmhüttendörfern durch den Süden Tansanias. Auf älteren Landkarten ist der knapp 20 000 Einwohner zählende Ort gar nicht eingezeichnet. Tandahimba hat erst vor einigen Jahren an Bedeutung gewonnen, als es im Zuge administrativer Reformen zur Distrikthauptstadt wurde. Befestigte Straßen gibt es nicht, Stromversorgung nur für wenige. Tandahimba gehört zum Arbeitsbereich des Chirurgen Christian Strosing vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED). Schon oft hat er die Strecke von seinem Dienstsitz in Mtwara hierher bewältigt. Geschickt weicht er Schlaglöchern, schwer beladenen Lastkraftwagen und Fahrradfahrern aus. Mitten im Ort steuert Strosing ein eingezäuntes Gelände mit weißen, gemauerten Häusern an, das Krankenhaus.

»Diese Gebäude hier waren früher das Health Centre«, zeigt der leitende Chefarzt Dr. Mputeni auf drei umliegende Flachbauten. Vor der Maternity, der Entbindungsstation, sitzen bunt gekleidete Frauen und Kinder, die unter dem Vordach Schutz vor der heißen Mittagssonne suchen. »Vor sechs Jahren wurde aus dem ehemaligen Health Centre offiziell ein Distriktkrankenhaus«, erzählt Mputeni. Eines von landesweit knapp einhundert für fast 40 Millionen Menschen. Seitdem wird daran gearbeitet, den Service für die Patienten auf das entsprechende Niveau zu bringen. Dazu gehört vor allem die Möglichkeit, Operationen durchzuführen. Stolz zeigt Dr. Mputeni die neueste Errungenschaft: ein Operationssaal. Früher seien operationsbedürftige Patienten viele Kilometer weit in die Hospitäler nach Ndanda, Masassi oder Mtwara gebracht worden, erzählt er. In der Regenzeit, wenn die unbefestigten Pisten unbefahrbar wurden, ging das oft nicht. Seit Herbst 2007 können in Tandahimba auch Operationen durchgeführt werden. »Das ist ein Vorteil für alle. Die Patienten werden besser versorgt und wir sparen Geld und Personal«, sagt Mputeni.

In Tansania kommen nicht nur die Patienten ins Krankenhaus, sondern auch Angehörige. Mindestens ein Familienmitglied kommt mit, um für die Verpflegung zu sorgen. Dafür reichen die knappen Finanzen des Krankenhauses und die Gebühren der Patienten nicht aus. »Die Patienten beteiligen sich an den Kosten«, sagt Dr. Mputeni. Bei 1000 Tansanischen Schillingen (etwa 60 Eurocent) pro Tag könne man nicht davon sprechen, dass die Patienten die Behandlung bezahlen. Für schwangere Frauen ist die Behandlung kostenlos. Wer zur Sprechstunde kommt, muss sich mit 500 Schillingen beteiligen. Da fast vierzig Prozent der Tansanier mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen, sind diese Summen trotzdem für viele eine Hürde.

Tandahimba profitiert vom District Health Improvement Programme in der Region Mtwara. Der DED und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) arbeiten hier eng zusammen, um die medizinische Versorgung für die Menschen in ländlichen Gebieten zu verbessern. Inklusive personeller Leistungen wurden bisher über 6 Millionen Euro in zwei Programmphasen ausgegeben. »Der OP in Tandahimba schlägt mit ungefähr 90 000 Euro zu Buche«, sagt der Chirurg Strosing.

An der Basis der medizinischen Versorgung stehen in Tansania die Dispensaries. Das sind kleine medizinische Einrichtungen, in denen Patienten ambulant versorgt werden können. »Meist arbeiten dort notdürftig ausgebildete Krankenschwestern, die eine Grundversorgung durchführen können«, erklärt Christian Strosing. Die nächste Stufe sind die Health Centre, in denen es auch eine stationäre Unterbringung gibt. Hier sollen normalerweise Assistant Medical Officers (AMO) die Versorgung übernehmen. Die AMOs seien laut Strosing jedoch eher auf der nächsten Stufe in den Distriktkrankenhäusern anzutreffen.

Seit 2003 ist die Region Mtwara, zu der Tandahimba gehört, auch einbezogen in das deutsch-tansanische Programm TGPSH (Tanzanian German Programme to Support Health), in dessen Rahmen mehrere deutsche Hilfsorganisationen gemeinsam auf allen Ebenen des Gesundheitswesens agieren. »Was wir hier machen, ist nichts anderes, als die Pariser Erklärung vor Ort umzusetzen«, sagt Strosing. Gemeint ist die Bündelung von Potenzialen der Akteure. Statt mit dem Skalpell in der Hand im OP zu stehen, sitzt Strosing in Treffen, um im Rahmen des Programms das Engagement der beteiligten deutschen Hilfsorganisationen zu koordinieren. Seit einigen Jahren werden nicht nur Ärzte geschickt, die ein paar Jahre dort arbeiten, wo es keine einheimischen Ärzte gibt. In mehreren Bereichen werden die Bemühungen der tansanischen Regierung unterstützt. Dazu zählen die Sanierung und der Neubau medizinischer Einrichtungen ebenso wie die Ausbildung von Personal und die Präventionsarbeit im Bereich HIV/Aids.

Christian Strosing kennt auch die Gefahren für den Erfolg seiner Arbeit und der seiner Kollegen. Während deutsche Hilfsorganisationen zunehmend effektiver miteinander arbeiten, sei dies auf internationaler Ebene bisher selten der Fall. In der Nachbarregion Lindi habe eine deutsche Ärztin vier Jahre lang ein HIV/Aids-Team aufgebaut, welches beispielhaft arbeite. Nun habe die Bill-Clinton-Stiftung beschlossen, sich dort ebenfalls im Bereich HIV/Aids zu engagieren. Die Stiftung werfe mit Geld um sich, schaue jedoch nicht hin, was schon läuft. Die deutsche Ärztin sei von den US-Amerikanern nicht in die Gespräche mit den tansanischen Verantwortlichen einbezogen worden. Strosing fürchtet um die Ergebnisse langjähriger Arbeit, wenn er solche indifferenten Herangehensweisen sieht. Dr. Mputeni in Tandahimba schätzt das TGPSH: »Es erleichtert uns die Zusammenarbeit, wenn die Akteure gemeinsam und koordiniert auftreten.«

In Tandahimba gibt es fünf AMOs. Zu wenig meint Dr. Mputeni. Trotz des neuen Operationssaals könnten komplizierte Fälle noch immer nicht behandelt werden. Deshalb hat Mputeni bereits Unterstützung vom DED beantragt. Er darf sich auf eine neue Ärztin freuen, die im Herbst ihren Dienst in Tandahimba aufnehmen soll.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Mai 2008


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