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Yingluck streckt die Hand aus

Eskalation in Thailand. Regierungschefin will Runden Tisch

Von Thomas Berger *

Die Lage in der thailändischen Hauptstadt Bangkok spitzt sich immer weiter zu. Dennoch setzt die Regierung weiter auf Deeskalation. Premierministerin Yingluck Shinawatra bot am Donnerstagnachmittag ihren Gegnern in einer Fernsehansprache die Einrichtung eines Runden Tisches an, um über Streitpunkte zu diskutieren. Zuvor müßten aber wieder Normalität einkehren und die Demonstranten die Ministerien räumen, die sie zum Teil seit Wochenbeginn besetzt halten. Rund ein Dutzend Regierungsstellen befinden sich inzwischen in der Hand der Protestierenden, darunter das Finanz- und Außenministerium sowie die Behörde für öffentliche Arbeiten. Seit Donnerstag wird zudem das Hauptquartier der Polizei belagert. Ein Mißtrauensvotum gegen Yingluck wehrte die Regierungskoalition derweil am Donnerstag mit 297 zu 134 Stimmen ab.

Ihre Regierung setze weiter auf einen friedlichen Dialog, so Yingluck. Forderungen wie die nach der Einrichtung eines »Volksrats« aus nicht gewählten Vertretern, die der derzeit radikalste Oppositionsführer Suthep Thaugsuban gestellt hatte, seien aber schon aus Verfassungsgründen unerfüllbar. Gegen Suthep, derzeit Generalssekretär der Demokratischen Partei (DP), läuft seit 2012 eine Anklage wegen Mordes. Der einstige Stellvertreter von Ex-Premier Abhisit Vejjajiva war als Sicherheitsbeauftragter im Mai 2010 für den Einsatz der Armee gegen Anhänger des heutigen Regierungslagers mitverantwortlich, bei dem 92 Menschen getötet wurden. Am gestrigen Donnerstag stellten fünf Abgeordneten der regierenden Pheu Thai Party zudem eine weitere Strafanzeige wegen »Rebellion«. Neben Suthep führen ehemalige Abgeordnete der DP, die ihre Mandate niedergelegt haben, die Protestwelle an. Sie haben sich die völlige Zerschlagung des »Thaksinismus« – eine Anspielung auf Yinglucks älteren Bruder, den im Exil lebenden Ex-Premier Thaksin Shinwatra – auf die Fahnen geschrieben.

Diese Strategie sorgt nun für Kritik. Die größte englischsprachige Tageszeitung Bangkok Post sieht die Opposition auf einem verhängnisvollen Kurs: »Wieviel Boden die Demokraten auch immer in den vergangenen Monaten gutgemacht haben mögen – die Aktionen von Suthep und Co. sind ein Rückschlag um Jahrzehnte«, heißt es dort. Zu Recht hätten die Menschen vor einer Woche gegen das letztlich im Senat gestoppte Gesetz für eine Generalamnestie demonstriert. Inzwischen aber seien die Proteste völlig aus dem Ruder gelaufen – und dafür seien genau diejenigen verantwortlich, die sich in der Vergangenheit immer als Hüter von Recht und Ordnung aufgespielt hätten.

Selbst UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich nun eingeschaltet. Er äußerste sich besorgt über die jüngsten Entwicklungen und rief alle Beteiligten zu »maximaler Zurückhaltung« auf, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Derzeit ist die Besorgnis groß, daß es zu Vandalismus, tätlichen Angriffen oder gar einem neuen Militärputsch kommen könnte.

* Aus: junge Welt, Freitag, 29. November 2013


Misstrauensantrag gescheitert

Proteste gegen Thailands Regierung gehen auf kleinerer Flamme weiter **

Die Protest gegen die Regierung in Thailand flauen ab. Ein Misstrauensvotum gegen die Regierungschefin ist scheitert. Der Wortführer der Demonstranten will trotzdem bis zum Letzten kämpfen.

Die Massenproteste gegen Thailands Regierung haben am Donnerstag deutlich an Schub verloren. Ein Misstrauensvotum gegen die Regierungschefin scheiterte im Parlament. Auf der Straße ging die Zahl der Demonstranten in einem großen Ministeriumskomplex in Nordbangkok nach Angaben von Teilnehmern deutlich zurück.

Der Anführer der Regierungsgegner, Suthep Thaungsuban, feuerte seine Anhänger zum Durchhalten an. Er werde nicht aufgeben, bis das Volk die Macht in den Händen habe, sagte er. »Wenn wir keinen Erfolg haben, bin ich bereit, auf dem Schlachtfeld zu sterben«, zitierte ihn die »Bangkok Post«. Die Opposition machte seit Tagen von zwei Seiten Druck auf die Regierung: einerseits mit Straßenprotesten und andererseits mit dem Misstrauensantrag im Parlament. Suthep hatte erst vor kurzem sein Mandat als Abgeordneter der Opposition niedergelegt. Er dirigierte seit Sonntag zeitweise Zehntausende Demonstranten zur Blockade von Ministerien, um die Regierung lahmzulegen.

Die Demonstranten werfen der Regierung vor, sie lasse sich von dem 2006 gestürzten und wegen Korruption verurteilten ehemaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra gängeln. Thaksins Schwester Yingluck wurde 2011 in freien Wahlen zur Premierministerin gewählt.

Im Parlament warf Oppositionsführer Abhisit Vejjajiva Yingluck Korruption vor. Die Regierungskoalition verfügt aber über 60 Prozent der Stimmen und gewann die Misstrauensabstimmung komfortabel. »Ich bin zur Zusammenarbeit bereit, um einen Weg (aus der Krise) zu finden«, sagte Yingluck anschließend.

Eine Gruppe Akademiker empfahl nach Medienberichten vorgezogene Wahlen und ein Referendum über Änderungen der Verfassung. Ein Stein des Anstoßes war für die Demonstranten eine Verfassungsänderung, die die Regierung angestrebt hatte. Ein Gericht erklärte sie jedoch für illegal.

Yingluck appellierte an die Demonstranten, die Belagerung der Ministerien aufzugeben und friedlich abzuziehen. Sie erinnerte daran, dass König Bhumibol Adulyadej am 5. Dezember 86 Jahre wird. Der Monarch wird tief verehrt. Straßenproteste an diesem Feiertag sind eigentlich undenkbar.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Konfliktparteien am Mittwoch zu Zurückhaltung, zum Gewaltverzicht und zur Wahrung der Gesetze und der Menschenrechte auf.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 29. November 2013


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