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Elefant in Singapur

Konzentration und Expansion: Thailands "Getränkekönig" sichert sich nach Übernahmepoker beherrschende Mehrheit bei Konkurrenten im Stadtstaat

Von Thomas Berger *

Der Elefant ist das Markenzeichen von Charoen Sririvadhanabhakdi. Der Dickhäuter ziert jede Flasche Chang-Bier, das in dessen Thai-Beverage-Konzern produziert wird. Und um im Bild zu bleiben, setzt dieser Elefant nun seinen Fuß auf das Territorium des nahegelegenen Stadtstaates Singapur. Dort nämlich hat der Oligarch gerade die Kontrolle über Fraser and Neave Limited (F&N) gewonnen. Nachdem »ThaiBev« bereits im September vorigen Jahres mit knapp einem Viertel der Anteile bei F&N eingestiegen war, konnte sich Charoen über TCC, einen weiteren Arm seines Firmenimperiums, Anfang Februar nun mit mehr als zwei Dritteln die beherrschende Stellung bei den Singapurern und einen Sieg im Übernahmekampf mit anderen Interessenten sichern. Für Thailands drittreichsten Kapitalisten, dessen Vermögen auf umgerechnet mindestens sechs Milliarden US-Dollar (4,4 Milliarden Euro) geschätzt wird, ist es der Schritt in die Internationalität. Denn F&N (wie auch der nunmehrige Mutterkonzern) ist strukturell nicht nur auf den Getränke- und Nahrungsgütermarkt begrenzt. Geographisch reicht der Einfluß des Unternehmens weit über den Stadtstaat hinaus ins benachbarte Malaysia und weitere 20 Länder im asiatisch-pazifischen Raum.

Den öffentlichkeitsscheuen Magnaten kennt außerhalb seiner Heimat kaum jemand, der Name Charoen ist kein Begriff. Dafür sind das umsomehr einzelne Marken aus der Produktpalette des Unternehmers. Besonders das Chang Beer hat das früher in Thailand dominierende Singha längst vom Spitzenplatz verdrängt. Und mit der Privatisierung des thailändischen Spirituosenmarktes wurde der – wie die anderen Thai-Milliardäre – chinesischstämmige Geschäftsmann auch zum »Whisky-König«.

Es ist eine gern kolportierte Geschichte: Charoen stammt aus einfachsten Verhältnissen. Sein Vater, ein Straßenverkäufer, wanderte aus dem Süden Chinas nach Bangkok aus, wo der Junge als sechstes von elf Kindern zur Welt kam und selbst bereits im Alter von neun Jahren die Schule verließ, um mit eigener Arbeit zum Familieneinkommen beizutragen. Doch mit »Arbeit« wird niemand Milliardär. Seine Belieferung der damals noch unter staatlicher Kontrolle laufenden Whiskydestillerien schufen Kontakte, die ihm später halfen, sich eigene Brennrechte zu sichern. Parallel dazu hatte sich Charoen zunächst mit dem dänischen Carlsberg-Konzern zusammengetan, um in Thailands Biermarkt vorzudringen. 1994, nur drei Jahre nach dem Start des Joint-Ventures, löste er sich von Partner und ging mit der Neugründung Chang, die dem 60 Jahre alten Platzhirsch Singha das Feld streitig zu machen begann, eigene Wege. Die Methode behielt Charoen in Variationen auch sonst öfter bei: Ausländisches Know-how als Eintrittskarte für geschäftliches Neuland nutzen, aber rechtzeitig den Absprung schaffen, um seine Interessen voll durchzusetzen. 2003 stieg Carlsberg endgültig aus der früheren Kooperation aus.

Deals mit Bier und Whisky haben in erster Linie zum Milliardenvermögen der Familie beigetragen, bilden das geschäftliche Rückgrat des Firmenimperiums. Doch ThaiBev, TCC und die anderen Bereiche des von Charoen beherrschten Konglomerats, das beispielsweise auch Hauptsponsor der britischen Fußballmannschaft von FC Everton ist, sind insgesamt wesentlich breiter aufgestellt. Zu ihnen gehören vor allem auch zahlreiche Immobilien inner- und außerhalb Thailands. Längst hat der Milliardär seine fünf Kinder an der Spitze der Einzelfirmen installiert, um seine dynastische Kontrolle zu sichern. Sohn Thapana ist Vorstandschef von ThaiBev, Tochter Wallapa führt »TCC Land«, also das Unternehmen, welches den immer schwerer zu überschauenden Immobilienbesitz bündelt.

Die Übernahme der F&N-Mehrheit ist das Ergebnis eines sechsmonatigen Tauziehens vor allem mit Konkurrent Overseas Union Enterprise (OUE). Der in Indonesien ansässige Konzern hat es fast geschafft, Charoen ans Limit zu bringen. ThaiBev allein konnte keine weiteren Schulden mehr aufnehmen, weshalb mit »TCC Assets« ein weiteres Unternehmen der Muttergesellschaft zur Unterstützung einsprang. In trockenen Tüchern war alles schließlich, als der japanische Getränkemulti Kirin seinen knapp 15 Prozent großen Anteil an F&N Ende Januar den Thais verkaufte.

Fraser and Neave hat in Singapur, das sich wegen seiner Wirtschaftsstärke mittlerweile als der sogenannten ersten Welt zugehörig empfindet, eine starke Stellung bei Softdrinks, Fruchtsäften und mit einer eigenen Mineralwassermarke. Zum Konzern gehören neben dem Getränke- und Nahrungsgütersektor aber auch Verlage für Kinder- und Schulbücher sowie ein ausgedehnter Immobilienbereich. Umgerechnet knapp achteinhalb Milliarden Euro wird Charoen der Übernahmepoker am Ende gekostet haben, doch damit hat sich ein bisher wenig bekannter Thai-Milliardär zum wichtigen »Regional player« in Südostasien und im asiatisch-pazifischen Raum gemacht. Der Bier-Elefant hat ein weitaus größeres Terrain erobert.

* Aus: junge Welt, Freitag 8. Februar 2013


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