Vorwärts in die Vergangenheit
Mit Thailands neuer Regierung sitzt wieder die alte Elite am Ruder des Staates
Von Thomas Berger *
Hoffnungsträger« war eines der Attribute, mit denen Abhisit Vejjajiva
bei seinem Amtsantritt als neuer Regierungschef beschrieben würde.
Unzutreffend für den 44jährigen, der zwar jung und unbelastet, in den
drei Jahren als Chef der Demokratischen Partei (DP) und
Oppositionsführer aber auch blaß geblieben ist. Von einem Neuanfang im
Land des Lächelns kann allein mit dem Austausch des tonangebenden
Spitzenpersonals keine Rede sein.
Abhisit ist in England geboren und hat dort auch studiert. Auf die
aktuelle ökonomische Krise will er vor allem mit Steuererleichterungen
für Unternehmen reagieren – einfallsloser hätte das Konzept in Reaktion
auf die Folgen der globalen Entwicklungen kaum sein können. Dafür ist
der nunmehrige Premier nicht nur zur Aufnahme neuer Schulden bereit,
sondern will die Gegenfinanzierung der Maßnahmen insbesondere durch
Ausgabenkürzungen für die ländlichen Provinzen sicherstellen. Ein
deutliches Signal, daß nun wieder die alte Bangkok-Clique am Ruder sitzt.
Der angebliche Weg in eine bessere Zukunft ist nach allen bisherigen
Erkenntnissen einer zurück in die Vergangenheit. Abhisit selbst ist zwar
nicht unbedingt Teil berüchtigter Seilschaften. Doch in seinem engeren
Umfeld gibt es genug Leute, die explizit für das korrupte System in den
neunziger Jahren stehen, von dem vor allem eine kleine Schicht
einflußreicher Geschäftsleute aus der Hauptstadt und ihre politischen
Handlanger profitierten. Es war der umstrittene Expremier Thaksin
Shinawatra, der mit seinem Machtantritt 2001 diese alten Eliten
kaltstellte und eigene Gefolgsleute an den Schalthebeln der Macht
installierte. Dieser Konflikt wirkt bis heute nach: Die Volksallianz für
Demokratie (PAD), die über Monate hinweg Regierungssitz und zuletzt
beide Bangkoker Flughäfen besetzte, ist der radikalste Flügel der damals
ins Abseits Geratenen.
Abhisit mag in der eigenen Partei die Nummer eins sein, doch auch die
DP, die älteste Partei des Landes, ist durch Grüppchenbildung
gekennzeichnet. Weniger Ideologie und Konzepte, sondern Einfluß und die
richtigen Kontakte zählen. Schon seine Wahl zum Regierungschef war das
Ergebnis solchen Kuhhandels: Vier der fünf ehemaligen Koalitionspartner
der aufgelösten Volksmacht-Partei (PPP) konnte er auf seine Seite
ziehen. Darunter ist auch die umgewandelte Chart Thai des konservativen
Politveterans Banharn Silpa-archa, der selbst einmal Premier war und
sich seit den frühen Neunzigern fast jeder Regierung angedient hat. Nur
der Preis mußte jeweils stimmen.
Neben Banharn ist es Newin Chidchob, der als zweiter Mann außerhalb des
Kabinetts im Hintergrund die Fäden zieht. Bis heute ist Newin ein Mann
Thaksins und macht daraus keinen Hehl, hatte sich aber mit dessen
Schwager, dem als Premier abgesetzten Somchai Wongsawat, wegen
Machtstreitigkeiten überworfen. Am Ende waren es die Stimmen der
Newin-Fraktion in der einstigen PPP, die Abhisit zum Sieg im Parlament
verhalfen.
Während der Populist und Multimilliardär Thaksin immerhin für den
unterentwickelten Norden und Nordosten einige Infrastrukturprogramme
anschob sowie eine für jedermann bezahlbare Krankenversicherung
einführte, kaschiert Abhisit nicht einmal seine Absicht, den Schwerpunkt
auf den Großraum Bangkok zu legen. Der Elf-Millionen-Moloch soll noch
weiter boomen und damit das Wirtschaftswachstum am Laufen halten,
während die armen Regionen leerausgehen dürften. Der alte
Bangkok-Klüngel hat wieder Oberwasser, kann nunmehr wohl selbst in
Krisenzeiten seinen Reibach machen, während Millionen auf der Strecke
bleiben. Für eine nationale Versöhnung, wie sie der neue Premier und
sein Team eigentlich anstreben, sind das denkbar schlechte
Voraussetzungen, zumal sich das Thaksin-Lager mit dem plötzlichen
Machtverlust nicht abfinden will.
* Aus: junge Welt, 22. Dezember 2008
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