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Hilfe für die Starken

Flutkatastrophe bremst Thailands Wirtschaftswachstum. Regierungsprogramme kommen eher ausländischen Investoren zugute. Arme und Kleinbauern außen vor

Von Thomas Berger *

Das Jahr 2011 war für Thailand das Jahr der schlimmsten Flut seit beinahe sieben Jahrzehnten. Nachdem immer mehr Schäden genauer beziffert werden können, werden nun auch die ökonomischen Auswirkungen auf nationaler Ebene deutlicher. Nur noch 1,1 Prozent Plus – so lautet die ernüchternde aktuelle Prognose zum Wirtschaftswachstum des Landes im zurückliegenden Jahr. Das ist nicht nur weit von den angepeilten vier bis fünf Prozent entfernt, sondern auch unterhalb der schon kräftig korrigierten Prognose vom Vormonat (1,8 Prozent). Jetzt setzt Thailands Regierung darauf, daß Wiederaufbau und Investitionen in Hochwasserschutzmaßnahmen 2012 zu einem Schub führen werden und somit kein langfristiger Schaden für die wirtschaftliche Entwicklung des südostasiatischen Landes droht.

Allein 350 Milliarden Baht (8,8 Milliarden Euro) sollen in Projekte fließen, die künftig großflächige Überflutungen vermeiden helfen. Offen ist derzeit, wie dieser Betrag aufgebracht werden soll. Denn aus dem normalen Haushalt will die Regierung das allenfalls zum geringen Teil bestreiten. Angedacht sind deshalb spezielle Anleihen oder die Umsetzung von Maßnahmen sogenannter Public Private Partnerships (PPP).

Allein 7510 Fabrikanlagen landesweit standen unter Wasser, als über viele Wochen hinweg vor allem die Zentralregion in weiten Gebieten überschwemmt war. 65 der insgesamt 76 Provinzen litten mehr oder weniger unter der Flut. Besonders schlimm traf es Ayutthaya, nur 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Neben seinen weltberühmten historischen Tempeln ist das eines der industriellen Zentren des Landes. Damit Wiederaufbau und Produktion schnell in Gang kommen, offeriert die Regierung den in- und ausländischen Unternehmen großzügige Unterstützung: Neuinvestionen in den Flutgebieten sind acht Jahre steuerfrei, bei zusätzlichen Maßnahmen an flutgeschädigten Standorten kann das Anderthalbfache der Investitionssumme als Abschreibung steuerlich geltend gemacht werden. Wer unter den Sonderkriterien der staatlichen Investitionsbehörde noch eine Restlaufzeit für bestehende Steuerbefreiungen hat, bekommt diese (voll oder zum halben Satz) auf bis zu acht Jahre verlängert.

Immerhin zwölf Milliarden Baht (300 Millionen Euro) an jährlich ausbleibenden Steuereinnahmen kostet dies die Staatskasse. Und die Hilfe kommt nur einigen zugute: Firmen, die schon länger ansässig sind und damit keine Steuerfreiheit mehr haben, gehen leer aus, auch wenn es am Standort Schäden bis hin zum Totalverlust geben mag. Das sind vor allem kleinere Unternehmen, während ausländische Konzerne, die sich mit ihren Tochtergesellschaft oft erst vor wenigen Jahren niedergelassen haben, vermutlich überproportional zu den Nutznießern zählen werden.

Immerhin hat die Regierung für kleine und mittelständische Betriebe sowie Privatpersonen ein Sonderkreditprogramm aufgelegt. 320 Milliarden Baht (acht Milliarden Euro) sollen an Darlehen mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Zinssatz von lediglich drei Prozent ausgereicht werden. Für 70 Prozent der Summe springt die Zentralbank ein, den Rest sollen die privaten Kreditinstitute aufbringen. Diese sind derzeit auch dabei, ihren von der Flut betroffenen Kreditnehmern spezielle Konditionen anzubieten, sollten diese ihre Raten nicht aufbringen können. Die Zentralbank hat grünes Licht gegeben, die Zahlungen für drei, sechs oder neun Monate aussetzen zu können.

So wichtig das Wiederankurbeln der Wirtschaft im nationalen Maßstab sein mag – zahlreiche Betroffene werden nicht in den Genuß dieser Unterstützung kommen. Mangels Sicherheiten können viele Privatleute und kleine Geschäftsinhaber ohnehin auf keinen normalen Bankkredit hoffen. Und den Armen in Bangkoks Vororten und innerstädtischen Slumgebieten, die wegen der Priorität zur Rettung des Zentrums noch höhere Flutpegelstände erdulden mußten, helfen jegliche Steuererleichterungen nichts. Viele dieser Betroffenen haben neben dem eigenen Leben bestenfalls ein paar persönliche Gegenstände aus ihren bis zum Dach im Wasser stehenden Häusern und Hütten retten können. Auch zahlreichen Kleinbauern geht es kaum besser: Während Großfarmer mittels günstiger Kredite ihre Ausfälle immerhin mittelfristig wettmachen und ohne größere Probleme weiter wirtschaften können, droht ihnen das Aus. Denn ihre komplette Ernte ist verdorben und kein Geld für neues Saatgut verfügbar.

800 Milliarden Baht (20 Milliarden Euro) für Wiederaufbauhilfe und Schutzmaßnahmen hat die Regierung für 2012 und die nächsten Jahre angekündigt. »Nicht wie das Geld ausgegeben wird, sondern wieviel davon bei den Flutopfern ankommt, ist die grundlegende Frage«, schrieb dieser Tage Suthichai Yoon in einem Kommentar des englischsprachigen Wirtschaftsblattes The Nation. Denn Thailand laufe Gefahr, daß ein guter Teil der beachtlichen Summe wie üblich in dunklen Kanälen versickere, die Taschen korrupter Staatsbeamter, Politiker und Wirtschaftsleute fülle. Verwiesen wird in dem Beitrag auf Vorschläge der Antikorruptionskommission, daß beispielsweise jede Firma, die einen Großauftrag bei Wiederaufbaumaßnahmen erhalte, ihre Einnahmen und Ausgaben detailliert offenlegen müsse.

* Aus: junge Welt, 23. Januar 2012


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