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Unter dem Damoklesschwert

Thailands größter Regierungspartei droht Zwangsauflösung und dem Premier Politikverbot

Von Thomas Berger *

Für Thailands größte Regierungspartei und damit auch den gegenwärtigen Premier Abhisit Vejjajiva geht es Anfang nächster Woche womöglich um alles oder nichts. Abhisit und mehrere Mitglieder seines Kabinetts werden am Montag als Zeugen in einer Anhörung beim Verfassungsgerichtshof erscheinen. Hintergrund ist der Prozeß um den Mißbrauch eines Parteifonds in Höhe von 29 Millionen Baht (600000 Euro), an dessen Ende im schlimmsten Fall für die Beteiligten nicht nur die Auflösung der seit 2008 in Bangkok tonangebenden Demokratischen Partei (DP) stehen könnte, sondern auch ein mehrjähriges Politikverbot für mehrere Führungspersönlichkeiten.

Eine Zwangsauflösung der DP, Thailands ältester Partei, würde das Land erneut in politische Turbulenzen stürzen. Bei den blutigen Unruhen im Mai hatte das Militär im Regierungsauftrag die Massenproteste der oppositionellen »Rothemden« von der Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD) gewaltsam aufgelöst. 91 Menschen waren dabei ums Leben gekommen, Dutzende Geschäfte in der Hauptstadt sowie öffentliche Gebäude in mehreren Städten landesweit im Anschluß in Flammen aufgegangen.

Schon zweimal haben die Richter die im Grundsatz seit mehr als einem Jahrzehnt bestehende Regelung zur Zwangsauflösung von Parteien bei Fehlverhalten einzelner Führungsmitglieder in Anwendung gebracht. Erst betraf es die Thai Rak Thai (TRT), die Hausmacht des beim Putsch 2006 gestürzten Expremiers Thaksin Shinawatra. Auch mit ihrer Nachfolgerin PPP war das gegnerische Lager der heute in Bangkok Herrschenden betroffen. Mochten die Demokraten seinerzeit mit einer gewissen Schadenfreude die Ereignisse verfolgt haben, schwebt das gleiche Damoklesschwert nun auch über ihnen.

Die Wahlkommission sieht jedenfalls Gründe für eine Auflösungsentscheidung und übergab den Fall den Verfassungsrichtern. Offen ist die Frage, auf Basis welcher Fassung des Gesetzes zur Zwangsauflösung von Parteien entschieden werden soll. Da die relevanten Finanzvergehen aus den Jahren 2004/05 datieren, wäre es logisch, das damals geltende Gesetz von 1998 anzuwenden. In diesem Fall könnte zwar die Partei aufgelöst werden, ihr Spitzenpersonal wäre von einer Sperre aber nicht betroffen. Sollten die Richter allerdings die Fassung von 2007 zur Anwendung bringen, könnten Abhisit und andere im schlimmsten Fall zusätzlich fünf Jahre für politische Ämter gesperrt werden. Nach den letzten Zeugenanhörungen soll das Urteil Ende des Monats verkündet werden.

* Aus: junge Welt, 15. Oktober 2010


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