Thailänder sehen sich abermals enttäuscht
Drei Monate nach dem Putsch in Bangkok
Von Thomas Berger *
Als Befreiung vom korrupten, selbstherrlichen Regime Thaksin Shinawatras begrüßten viele Thais
die Machtergreifung durch die Armee am 19. September. Drei Monate später sind viele Hoffnungen
geschwunden.
In 41 der 76 thailändischen Provinzen wurde in den letzten Novembertagen das Kriegsrecht
aufgehoben. Die Lage, so die Begründung für den lange geforderten Schritt, habe sich dort so
stabilisiert, dass Gefahren für die öffentliche Ordnung nicht mehr drohten. In etlichen Gebieten
jedoch rechnet die Militärführung weiter mit erhöhtem Risiko. Neben dem äußersten Süden nahe der
Grenze zu Malaysia, wo es noch immer zu Morden und Anschlägen kommt, bleiben vor allem weite
Gebiete des Nordens unter besonderer Beobachtung. Dort hatte der gestürzte Premier Thaksin
seine stärkste Bastion, und noch heute sehen ihn viele Einwohner dort als besten Regierungschef
seit langer Zeit an. Die Enthüllung von Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption in der
früheren Regierung haben an diesem Glauben nicht ernsthaft rütteln können.
Mit Blumen und Geschenken waren die Soldaten in Bangkok in den Tagen nach dem Putsch
bedacht worden. Während USA-Außenministerin Condoleezza Rice eine Drohkulisse aufbaute, sah
das Volk in Thailand die unblutige Entmachtung eines immerhin gewählten Regierungschefs als
Chance für einen Neuanfang. Selbst einige demokratische Kräfte hielten sich zunächst mit Kritik an
der neuen Führung zurück. Doch deren Vertrauensvorschuss ist inzwischen aufgebraucht:
Putschführer Sonthi Boonyaratglin und seine Leute müssen sich fragen, ob die Bevölkerung noch
hinter ihnen steht.
Die Erwartung, das Militär und die von ihm eingesetzte Übergangsregierung unter Premier Surayud
Chulanont würden gründlich aufräumen, hat sich bisher nicht erfüllt. Die fortgesetzte Einschränkung
bürgerlich-demokratischer Freiheiten sorgt trotz deutlicher Lockerung in den letzten Wochen für
Enttäuschung. Dazu kommen Fehlentscheidungen und das Ausbleiben von Erfolgen bei der
Aufarbeitung von Skandalen des alten Regimes.
Auch die neue Regierung tut sich schwer damit, das in Jahrzehnten gewachsene Geflecht zwischen
Wirtschaft und Politik zu durchleuchten und zu zerschneiden. Mehrere Ermittlungsteams waren
angetreten, um den Sumpf von Korruption und gegenseitiger Vorteilsnahme trockenzulegen. Doch
der angestrebte schnelle Erfolg blieb aus. Die in den Medien veröffentlichten
Einkommenserklärungen ehemaliger Minister und ihres Premiers samt seiner Familie hatten für
einen Aufschrei der Empörung gesorgt. Doch weder Thaksin noch einigen anderen, die auffallend
niedrige Einkünfte angaben, wurden bisher Falschaussagen nachgewiesen.
Derweil genehmigten sich die sechs Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates, wie sich das
Gremium der Putschisten jetzt nennt, selbst saftige Nebengehälter. Woraus viele Thais schlossen,
dass im bekannten System von Selbstbereicherung und Postenschacher nur das Personal
ausgetauscht wurde. Neuere Umfragen gibt es zwar nicht, doch von 85 Prozent Zustimmung, die
gleich nach dem Putsch ermittelt worden waren, kann keine Rede mehr sein.
Nervös beobachten Sonthi und seine Mitstreiter, wie unbekümmert sich Thaksin Shinawatra in
seiner neuen Rolle als Exilpolitiker eingerichtet hat. Der Multimilliardär reist seit Wochen kreuz und
quer durch Ost- und Südostasien. In China pflegte er »Geschäftskontakte«, auf Bali vertrieb er sich
die Zeit beim Golf. Formell im Londoner Exil residierend, lässt er seine Widersacher bezüglich seiner
Pläne im Unklaren. Thaksin plane keine baldige Rückkehr in die Politik, verkündeten Mitarbeiter
mehrfach. Doch viele glauben, dass er im Hintergrund längst an seinem Comeback arbeitet. Eben
deshalb verweigern ihm die Generäle vorerst die Heimkehr. Anfangs hieß es, erst nach Aufhebung
des Kriegsrechts sei an eine Rückkehr zu denken. Inzwischen ließ man Thaksin aus Bangkok
übermitteln, er solle sich bis nach einer demokratischen Neuwahl im Herbst 2007 gedulden. So
lange wird der Exilant aber nicht warten wollen. Beide Seiten wissen, dass ihm bei der Ankunft in der
Heimat etliche Landsleute zujubeln würden.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Dezember 2006
Zurück zur Thailand-Seite
Zurück zur Homepage