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Reiskrise verschärft

Bauern in Thailand trotz höherer Weltmarktpreise weiter in Not. Erträge sinken weiter. Stützprogramm der Regierung für ärmste Konsumenten

Von Thomas Berger, Bangkok *

Die Preise auf dem globalen Reismarkt explodieren. Jetzt hat nach Indien mit Vietnam der zweite der drei größten Exporteure des wichtigsten asiatischen Grundnahrungsmittels vorerst jegliche Reisverkäufe ins Ausland gestoppt. Ähnlich wie bei der indischen Entscheidung, die schon vor Monaten fiel, sind prognostizierte Ernteeinbußen der Grund für die Maßnahme. Noch vor kurzem hatte Hanoi mit den Philippinen ein großes Geschäft abgeschlossen. Die dabei vereinbarte Lieferung von 700000 Tonnen Reis ist die vorerst letzte Ausfuhr. Thailand, das vor Vietnam und Indien die Weltrangliste bei Reisexporten anführt, steht nun noch mehr als bisher im Mittelpunkt des Interesses. Eine Steigerung der Produktion, um das entstehende Defizit im international handelbaren Reisaufkommen abzufangen, ist aber kaum möglich. Die thailändische Vereinigung der Exportfirmen und andere Experten befürchten deshalb weitere Preisanstiege. Innerhalb eines Monats hatte sich die Tonne Reis um 100 auf nunmehr 536 US-Dollar verteuert.

Dieser Tage ist Erntezeit auf Thailands Reisfeldern. Viele Bauern freuen sich, mit dem Ertrag ihrer Flächen erstmals seit langem wieder ordentliche Erlöse zu erzielen. Die Reismüller stehen Schlange, kaufen das Getreide sozusagen schon vom Feld weg auf. Jubeln können die Landwirte dennoch nicht – denn gestiegen sind auch die Produktionskosten, und das schmälert den Profit am Ende deutlich. So sind beispielsweise die Ausgaben für Dünger um bis zu 400 Prozent nach oben geschnellt. Zudem geht ein Großteil der erzielten Einnahmen bereits dafür drauf, um in der Vergangenheit angehäufte Schulden zu tilgen. Die meisten Reisbauern mögen nun zwar vom Preishoch kurzfristige Vorteile haben – bitterarm sind sie immer noch. Schon für die neue Aussaat müssen manche deshalb wieder Kredite zu hohen Zinsen aufnehmen.

Ein Teil der Farmer in Thailands »Reiskammer«, den zentralen Provinzen nördlich der Hauptstadt Bangkok, ist inzwischen dazu übergegangen, die Felder zu bewachen. Mit Stöcken bewaffnet laufen sie Patrouille, denn es ist bereits zu zahlreichen Diebstählen gekommen. Unter Tränen berichteten Betroffene den herbeigeeilten Reportern der Bangkoker Zeitungen und des Fernsehens, wie sie morgens plötzlich einen Teil ihrer Flächen von Unbekannten abgeerntet vorfanden. Solche Erfahrungen und der geringe finanzielle Spielraum lassen vielen Reisbauern die gegenwärtigen Rekordpreise besonders verlockend erscheinen. Statt dem Boden die übliche dringend benötigte Ruhezeit zu gönnen, sind einige nur wenige Tage nach der Ernte schon zur neuen Aussaat übergegangen. Ein hohes Risiko. Denn die in ihrer Wachstumsphase stark auf Wasser angewiesenen Reispflanzen müßten in der bereits begonnenen heißen Jahreszeit ausschließlich künstlich bewässert werden. Die Behörden haben aber bereits ausgeschlossen, Wasserkontingente aus den im Norden gelegenen Stauseen für die Sicherung einer »Zwischenernte« zur Verfügung zu stellen. Da die Niederschläge des Monsuns 2007 geringer als üblich ausgefallen waren, sind die Reservoire kaum zu 60 Prozent gefüllt. Damit besteht nicht nur die akute Gefahr einer möglichen Mißernte, wenn ein Großteil der Pflanzen verdorrt. Der Boden wäre auch für die nächste reguläre Vegetationsperiode ausgelaugt. Schon jetzt ist in Thailand die Produktivität der meisten Felder recht gering. Der Ertrag droht somit stetig weiter zu sinken. Da nützen perspektivisch auch keine noch so hohen Erlöse, um Einbußen durch eine verringerte Menge zu verhindern.

Von den weltweit pro Jahr erzeugten 420 Millionen Tonnen Reis werden lediglich etwa sieben Prozent gehandelt. Allein der größte Produzent China braucht seine 123 Millionen Tonnen zur Ernährungssicherung der eigenen Milliardenbevölkerung. Dennoch schlagen die Rekordpreise auf dem Weltmarkt inzwischen auch auf die lokalen Märkte durch. Die Regierung in Bangkok versucht gegenzusteuern. Thailands Politiker haben ein Maßnahmepaket beschlossen, das die verbilligte Abgabe eines Teils der Ernte vorsieht. Etwa 30 Prozent günstiger sind spezielle Fünf-Kilo-Päckchen für den ärmeren Teil der Bevölkerung. Das löst bei diesen Menschen das große Problem extrem gestiegener Kosten für Grundgüter zwar nicht, aber mildert es immerhin etwas ab.

Allerdings machen schon Gerüchte die Runde, daß Reismühlenbesitzer größere Mengen horten, um in einigen Monaten von weiteren Preisanstiegen profitieren zu können. Der auf diese Weise entstehende Engpaß würde eine neue Kostenexplosion noch vorantreiben.

* Aus: junge Welt, 7. April 2008


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