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Täter in Uniform

Tödlicher Schuß auf italienischen Journalisten in Bangkok vor drei Jahren kam aus Reihen der Armee

Von Thomas Berger *

Thailand kommt mit der Aufarbeitung der dunkelsten Episoden seiner jüngsten Vergangenheit schrittweise voran. Hinsichtlich der blutigen Ereignisse vor drei Jahren, als die Konfrontation zwischen den beiden großen politischen Lagern im Land eskalierte und das Militär schließlich im Auftrag der damaligen Regierung gewaltsam gegen die sogenannten Rothemden vorging, hat es jetzt ein Gerichtsurteil zum Tod eines italienischen Reporters gegeben. Die Richter in Bangkok sahen die vorliegenden Beweise als überzeugend an, daß eine von Soldaten abgefeuerte Kugel für die tödliche Verwundung von Fabio Polenghi am 19. Mai 2010 verantwortlich war. Das Opfer war zwar noch in ein Polizeikrankenhaus eingeliefert worden, kurz darauf aber seiner Verletzung erlegen.

Bei dem Datum handelt es sich um jenen Tag, da die Armee die Besetzung des zentralen Geschäftsviertels der Hauptstadt durch die Rothemden der Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD) mit ihrem Eingreifen beendete. Mehrere Dutzend Tote waren allein am 19. Mai zu beklagen, weitere hatte es vereinzelt schon seit Anfang April in den Wochen zuvor gegeben, als sich die Situation immer mehr hochschaukelte. Polenghi starb den vorliegenden Erkenntnissen zufolge in einem Kugelhagel, bei dem auch andere ausländische Journalisten verletzt wurden. Die Aussagen des amerikanischen Reporters Bradley Cox und des Niederländers Michel Maas flossen in die Bewertung durch das Gericht ebenso ein wie die Schlußfolgerungen forensischer Experten. Allen Berichte ist zu entnehmen, daß eine Gruppe Militärs sich entlang eines Straßenzuges fortbewegte und augenscheinlich das Feuer auf fliehende UDD-Aktivisten eröffnet hatte. Der Raum für etwaige Zweifel ist minimal: Die tödlichen Verletzungen Fabio Polenghis stammen von Waffen und Munition, die die Soldaten an diesem Tag bei ihrem Einsatz benutzt hatten. Lediglich den unmittelbaren Todesschützen unter den Angehörigen des Zweiten Bataillons der Königlichen Garde auszumachen, dürfte im Nachgang nahezu unmöglich sein. Mutter und Schwester des Opfers zeigten sich nach dem Gerichtsurteil aber zumindest vor der Presse erleichtert, daß nun Licht ins Dunkel des Todesfalles gebracht wurde.

Gemeinsam mit anderen Hinterbliebenen wollen sie ihren Kampf fortsetzen, die Auftraggeber für das Vorgehen der Soldaten zur Verantwortung zu ziehen. Im Visier stehen dabei in erster Linie Abhisit Vejjajiva, seinerzeit Premierminister, und sein damaliger insbesondere für Sicherheitsfragen zuständige Vize Suthep Thaugsuban. Gegen die beiden namhaften Politiker der Demokratischen Partei (DP), die seit den jüngsten Wahlen wieder auf den Oppositionsbänken sitzt, war schon Ende des vorigen Jahres ein Verfahren durch die Sonderermittlungsbehörde DSI eröffnet worden. Den beiden wird nämlich auch zur Last gelegt, am Tod eines Taxifahrers mindestens indirekt mitschuldig zu sein. Das Opfer war offenbar nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und starb am 14. Mai, fünf Tage vor dem italienischen Reporter, als staatliche Sicherheitskräfte das Feuer auf ein angeblich verdächtiges Fahrzeug eröffneten.

Wie weit folgte das Militär in jenen turbulenten Wochen direkter Order durch die höchsten Kreise der Politik – oder waren es ohne unmittelbare Anordnung der Regierung die eigenen Anführer, die den Schußwaffengebrauch anordneten, der neben UDD-Aktivisten auch völlig Unbeteiligte tötete? Mit dieser Frage wird sich Thailands Justiz nun weiter auseinanderzusetzen haben.

* Aus: junge Welt, Freitag, 31. Mai 2013


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