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Milliarden für den Boom

Thailand vor neuem "Tigersprung"? Investitionen stiegen 2007 stark an. Doch soziale Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke

Von Thomas Berger *

Ungeachtet der politischen Turbulenzen, die Thailand unter anderem mit den Nachwehen des Putsches vom September 2006 im vergangenen Jahr erschütterten, haben die Investitionen in dem südostasiatischen Land 2007 einen neuen Rekordstand erreicht. Wie die zuständige Behörde mitteilte, wurde mit einem Zufluß von insgesamt 655,8 Milliarden Baht (knapp 14 Milliarden Euro) nicht nur die Bilanz des Vorjahres um 32 Prozent übertroffen. Das Ergebnis liegt auch deutlich über dem Ziel, das sich die Investmentförderer selbst für diesen Zeitraum gesteckt hatten. Der Umfang der Projekte, die von der Behörde genehmigt wurden, hat sich auf einen Wert von 744 Milliarden Baht in etwa verdoppelt. Satit Chanjavanakul, Generalsekretär des Verbandes der Investoren, gab sich vor der Presse denn auch entsprechend zufrieden mit den Zahlen: »Obwohl das Land unruhige Zeiten durchlebt hat, haben die Investoren der thailändischen Wirtschaft und der Infrastruktur vertraut.«

Beliebter Standort

Ungeachtet der Tatsache, daß im äußersten Süden des Königreiches ein blutiger Konflikt mit nach Unabhängigkeit strebenden Kräften schon das vierte Jahr in Folge anhält, das Militär seit dem Putsch über den sogenannten Nationalen Sicherheitsrat die Regierung kontrolliert und es immer wieder zu Protestaktionen der breiten Demokratiebewegung kam, ließen sich ausländische Firmen nicht abschrecken. Auf gut 500 Milliarden Baht am Gesamtvolumen der Investitionen beläuft sich ihr Anteil. Das sind stolze 63 Prozent mehr als die 307 Milliarden im Jahr 2006. Diese Statistik illustriert, daß es den meisten Konzernvorständen weitgehend egal ist, ob in Bangkok ein gewählter Populist wie Expremier Thaksin Shinawatra oder, mit einer teilweise zivilen Fassade, die Generäle regieren.

Japanische Investoren liegen mit 149 Milliarden (2006: 110 Milliarden) Baht deutlich an der Spitze, pumpten soviel Geld in Projekte wie Firmen aus der EU und den USA zusammen. Den höchsten Anstieg allerdings wiesen die deutschen Konzerne auf, wie die führende englischsprachige Tageszeitung Bangkok Post vergangene Woche meldete. Von gerade einmal 1,28 Milliarden im Vorjahr kletterte die Summe der Investitionen aus Deutschland 2007 auf mehr als 37 Milliarden Baht. Bemerkenswert ist nach den Worten Satits auch der enorme Anstieg des Engagements von Unternehmen aus Südkorea (121 Prozent) und China (38 Prozent). Die führenden Japaner eingerechnet, liegen ostasiatische Investoren damit noch immer weit vor der US-amerikanischen und europäischen Konkurrenz.

Die thailändischen Investitionsförderer sehen die Zahlen als gute Basis für das anhaltend hohe Wirtschaftswachstum. Dienstleistungssektor, Autobau, Elektronik, Chemie und Maschinenbau sind branchenmäßig die größten Motoren. Dort konzentriert sich denn auch das Interesse der ausländischen Investoren. Erstmals seit der Asienkrise 1997, als die Wirtschaft der sogenannten Tigerstaaten der Region abstürzte und vor allem Thailands Ökonomie in den Grundfesten erschüttert wurde, weist auch die Industrie wieder ein deutliches Wachstum auf.

Kein Sozialstaat

Dies alles ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Daß sich hinsichtlich einer stärkeren Teilhabe der breiten Masse der Bevölkerung am Wirtschaftswachstum abermals wenig getan hat, darüber geben solcherlei Statistiken keine Auskunft. Ein schlüssiges Programm für mehr soziale Gerechtigkeit und Entwicklungsprojekte der im nationalen Vergleich stark hinterherhinkenden Armutsregionen im Norden und vor allem Nordosten konnte im Wahlkampf keine der konkurrierenden politischen Kräfte vorlegen. Letztlich überboten sich die verschiedenen Parteien fast noch mehr als zu Thaksins Zeiten im Populismus. Die durch höhere Steuereinnahmen besser gefüllte Staatskasse lädt zwar zu verstärkten Ausgaben ein -- meist war jedoch nur von gewissen Steuergeschenken die Rede oder wurden fragwürdige Projektideen in die Diskussion geworfen. Am neoliberalen Kurs der Wirtschaftspolitik, der im Grunde seit Jahrzehnten Konsens in Thailands Führungsschicht ist, änderte sich nichts. Damit kommen die Zuwächse fast nur den oberen Zehntausend und Teilen der urbanen Mittelklasse zugute. Die Masse der Armen geht leer aus.

* Aus: junge Welt, 21. Januar 2008


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