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Thailand spielt Krise herunter

Auswärtiges Amt mahnt zur Vorsicht bei Reisen nach Bangkok *

Einen Tag nach den schwersten blutigen Straßenschlachten in Bangkok seit 1992 hat die thailändische Regierung versichert, dass sie die Lage unter Kontrolle habe.

»Wir werden unsere heimischen Probleme durch einen demokratischen Prozess lösen«, beteuerte Regierungschef Somchai Wongsawat am Mittwoch vor 80 eigens ins Außenministerium geladenen Diplomaten. Auslandsinvestoren und Touristen seien weiter willkommen, sagte er, während unbewaffnete Soldaten in den Straßen patrouillierten, um neue Ausschreitungen zu verhindern.

Über der Stadt lag gespannte Ruhe. Tausende Demonstranten, die von den einflussreichen Familienclans in Bangkok unterstützt werden, hielten wie seit Wochen weiter den Regierungssitz besetzt.

In Bangkok müsse auch in den nächsten Wochen mit großen Demonstrationen gerechnet werden, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Es empfahl dringend, »Demonstrationen und sonstige größere Menschenansammlungen zu meiden, auch um sich nicht dem Risiko eventueller Sprengstoffanschläge auszusetzen«. Mehr als ein Dutzend Länder haben Reisewarnungen für Thailand verhängt.

»Die thailändische Gesellschaft hat politische Stürme schon in der Vergangenheit mit großer Stärke durchstanden«, sagte Somchai. Er hatte am Dienstag über einen Zaun springen und im Hubschrauber flüchten müssen, weil Tausende Demonstranten das Parlament umstellt hatten.

Die Polizei hatte vergeblich versucht, die Anhänger der seit Wochen gegen die Regierung protestierenden außerparlamentarischen Opposition (PAD) mit Tränengas auseinander zu treiben. Die aufgebrachte Menge leistete Widerstand. Bei den blutigen Zusammenstößen kamen zwei Menschen ums Leben. Mehr als 400 wurden zum Teil schwer verletzt, darunter acht Polizisten.

Das Oppositionsbündnis verlangt den Rücktritt der Regierung. Es erkennt das Ergebnis der demokratischen Wahlen vom vergangenen Dezember nicht an. Daraus war die People Power-Partei (PPP) als Siegerin hervorgegangen, die von Anhängern des 2006 gestürzten Regierungschefs Thaksin besteht. Das Bündnis argwöhnt, dass die Partei Thaksin wieder an die Macht bringen will. Gegen den Telekom-Milliardär laufen Korruptionsverfahren. Er hat in Großbritannien Asyl beantragt.

In der PAD haben sich Royalisten, Gewerkschafter, Geschäftsleute und Vertreter traditioneller Eliten aus Bangkok zusammengeschlossen. Sie halten das derzeitige demokratische System für korruptionsanfällig und fordern deshalb ein Parlament, in dem 30 Prozent der Abgeordneten gewählt und die restlichen 70 Prozent ernannt werden.

Dem Blutbad 1992 waren auch Proteste gegen die damalige Regierung vorausgegangen. Einer der Anführer war Generalmajor Chamlong Srimuang, der auch zu den Gründungsmitgliedern der PAD gehört. Damals griff die Armee schließlich ein. Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben.

Nach den schweren Straßenschlachten in Bangkok befürchtet die Tourismusindustrie vor der kommenden Hochsaison über Weihnachten schwere Einbrüche. »Ich kann nur beten, dass sich die Situation so schnell wie möglich bessert«, sagte der Präsident des Reiseveranstalter-Verbandes, Apichart Sankary, der »Bangkok Post«. »Wer dieses Land wirklich liebt, sollte die Gewalt beenden.« Die Branche befürchtet nach dem Bericht Einnahmeausfälle von mehr als 200 Millionen Euro in den letzten drei Monaten des Jahres. Die Vorsitzende der Tourismusbehörde zeigte sich dagegen optimistisch. Die Auswirkungen seien wahrscheinlich unbedeutend, weil die Unruhen ja nur einen Drei-Quadratkilometer-Bereich in Bangkok beträfen, sagte Phornsiri Manoharn der Zeitung.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Oktober 2008


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