Thais stimmen neuer Verfassung zu
Zahl der Nein-Stimmen unerwartet hoch
Von Michael Lenz, Bangkok *
Thailand hat eine neue Verfassung.
57,8 Prozent der Teilnehmer der ersten Volksabstimmung in der Geschichte des Landes stimmten
für sie, lautet das vorläufige Ergebnis.
Mit der Annahme der Verfassung ist der Weg frei zur Wahl eines neuen Parlaments und einer
daraus hervorgehenden Regierung. Die herrschende Militärjunta hielt das Versprechen, das sie
gleich nach dem Putsch gegen Premier Thaksin Shinawatra am 19. September vergangenen Jahres
abgegeben hatte. Innerhalb eines Jahres, sagte sie damals zu, werde sie die Macht wieder einer
gewählten Regierung übertragen. Enttäuschend für die Junta war die Wahlbeteiligung, die nach
Angaben der Wahlkommission bei knapp 57 Prozent lag.
Die Militärjunta unter General Sonthi und die von ihr eingesetzte zivile Regierung von
Ministerpräsident Surayud Chulanont, einem Exgeneral, haben daher nur begrenzten Anlass zu
Freude. Das Ja der Thailänder zur 18. Verfassung in 75 Jahren ist nur eine sehr begrenzte
Legitimierung ihres Staatsstreichs. Mit 42 Prozent fiel der Anteil der Nein-Stimmen unerwartet hoch
aus. Im ländlichen Nordosten Thailands, dem Isaan, sowie im Norden des Landes entschieden sich
die Wähler sogar mit überwältigender Mehrheit gegen den Verfassungsentwurf des Militärs. Diese
bevölkerungsreichen Regionen Thailands waren die Machtbasis des gestürzten Thaksin Shinawatra
und seiner Partei Thai Rak Thai (Thais lieben Thais).
An dem hohen Anteil der Nein-Stimmen hat jedoch auch die Kampagne der Demokratieaktivisten
und Bürgerrechtler ihren Anteil, die sowohl gegen die Regierung des autokratischen und
populistischen Thaksin als auch gegen den Militärputsch als Mittel gegen eine ungeliebte Regierung
waren. Der Politikwissenschaftler Pitch Pongsawat von der Chulalongkorn-Universität in Bangkok
nannte gegenüber Medien das Resultat der Volksabstimmung »erstaunlich«. Pitch sagte: »Wir
hätten unsere Kampagne schon bei nur einer Million Nein-Stimmen als Erfolg gewertet. Bürger, die
gegen die Verfassung waren, sahen sich allen möglichen Formen von Druck und Drohungen von
Seiten des Staates ausgesetzt.«
Die kommenden Parlamentswahlen werden in einer völlig veränderten politischen Landschaft
stattfinden. Die Partei Thai Rak Thai ist aufgelöst, viele ihrer Spitzenfunktionäre wurden wegen
Wahlbetrugs verurteilt und dürfen fünf Jahre lang kein politisches Mandat wahrnehmen Thaksin
selbst lebt mit seiner Frau im Exil in. London. Gegen beide wurde kurz vor dem Referendum ein
Haftbefehl wegen Korruption erlassen. Die bislang oppositionelle Partei der Demokraten rechnet
sich jetzt eine realistische Chance aus, stärkste Partei zu werden. Ein unbekannter Faktor ist jedoch
die neue Partei der Volksmacht (PPP), zu der sich Anhänger der früheren Thaksin-Partei
zusammengeschlossen haben.
Die Parlamentswahlen werden »nach dem 5. Dezember« – dem 80. Geburtstag von König Bhumipol
– stattfinden, kündigte Ministerpräsident Surayud Chulanont am Montag in Bangkok an. Der genaue
Wahltermin werde nach der formellen Inkraftsetzung der Verfassung festgelegt. Die Gegner der
neuen Verfassung fordern bereits jetzt von den Parteien, sich nach der Wahl für eine Ergänzung des
neuen Grundgesetzes einzusetzen. Die in der Verfassung garantierte Macht der Bürokratie und des
Militärs müsse zugunsten der Macht für das Volk zurückgedrängt werden.
* Aus: Neues Deutschland, 21. August 2007
Mehrheit für neue Verfassung
Thailand: Parlamentswahlen noch in diesem Jahr angekündigt
Von Thomas Berger **
Mit rund 58 Prozent Zustimmung bei einer Beteiligung von lediglich knapp 60 Prozent der Berechtigten ist der Entwurf einer neuen Verfassung in Thailands erstem Referendum angenommen worden. 42 Prozent der Wähler votierten mit Nein. Im Isaan, dem armen und unterentwickelten Nordosten, stimmten 63 Prozent der Einwohner gegen die neue Konstitution. Dieser Landstrich ist eine Hochburg des früheren Premiers Thaksin Shinawatra, dessen Getreue am massivsten für ein Nein an der Wahlurne geworben hatten.
Mit dem Ergebnis »schlagen wir ein neues Kapitel für die Demokratie in unserem Land auf«, sagte General Sonthi Boonyaratglin, der voriges Jahr den Putsch gegen Thaksin angeführt hatte, am Montag. Übergangspremier Surayud Chulanont hatte bereits am Sonntag abend vor der Presse angekündigt, daß mit der Annahme der Verfassung der Weg frei sei für Parlamentsneuwahlen noch in diesem Jahr.
Die Gegner des Verfassungsentwurfes haben ihre Niederlage unterdessen eingeräumt. Verschiedene Gruppen, die noch in der Vorwoche mit Höchsteinsatz die Thais von einem Nein zu überzeugen versucht hatten und am Mittwoch dazu in Bangkok 10000 Menschen auf die Straße brachten, sahen bereits angesichts der ersten verläßlichen Prognosen ein, daß ihre Bemühungen gescheitert waren. Chaturon Chaiseng, zuletzt Vorsitzender der per Gerichtsentscheid aufgelösten vormaligen Regierungspartei TRT (Thai Rak Thai) erklärte, man werde das Ergebnis trotz aller Kritik am Verfahren nicht anfechten. Ähnlich äußerten sich die Vertreter der Vereinigten Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD). Chatuporn Phromphan und Methathan Pothitheeraroj forderten, alle Fälle von Manipulationsvorwürfen genauestens zu prüfen. »Wir erkennen das Resultat zwar an«, doch nun müßten jene, die die Abstimmung organisiert hätten, abtreten.
Gemeint sind damit die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates. So nennt sich das Gremium, in dem all jene führenden Militärs sitzen, die General Sonthi am 19. September 2006 beim Sturz des gewählten Regierungschefs unterstützt hatten. Hinter den Kulissen der von Premier Chulanont geführten Interimsadministration ist der Sicherheitsrat derzeit die eigentliche Machtbasis in Bangkok. Hätten die Wähler nicht mehrheitlich mit Ja gestimmt, so hatten sich die Putschführer ausdrücklich das Recht ausbedungen, nach Gutdünken eine der 16 früheren Verfassungen Thailands wieder einzuführen. Auch dieser Umstand mag dazu geführt haben, daß einige Unentschlossene ihre Zustimmung gaben.
Jetzt muß noch der König das per Referendum zum neuen Grundgesetz gemachte Papier abnicken, damit es in Kraft treten kann. Das Kompendium enthält Fortschritte beispielsweise bei Minderheitenrechten, beschränkt darüber hinaus vor allem die Macht des künftigen Premierministers. Ihm werden nur noch maximal zwei Amtszeiten zugebilligt, zudem kann er leichter als nach der beim Putsch annullierten Konstitution von 1997 durch ein Mißtrauensvotum gestürzt werden. Daß nur noch die Hälfte der Mitglieder des Senats, des Oberhauses des Parlaments, durch Wahl bestimmt werden soll, ist allerdings ein klarer Rückschritt.
** Aus: junge Welt, 21. August 2007
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