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Sklaven an Bord

Zwangsarbeit ausländischer Hilfskräfte in thailändischer Fischereibranche

Von Thomas Berger *

Es ist noch kein Vierteljahr her, daß die Mitglieder der Thai ­Fishery Producers Coalition (TFPC), Dachverband von acht Verbänden der Fischerei und des fischverarbeitenden Gewerbes, eine Selbstverpflichtung auf Einhaltung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen eingegangen sind. Vor allem soll der Kampf gegen Kinderarbeit und sklavenähnliche Beschäftigungsverhältnisse von Migranten binnen der nächsten zwei Jahre zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden. Seit 2006 läuft dieses Engagement. Bei einer Flotte von mehr als 40000 Booten, so hieß es jetzt, falle die Durchsetzung nicht leicht. Mitgliedern, bei denen Verfehlungen festgestellt werden, droht ein Ausschluß aus dem Verband – und damit vor allem eine Sperre des Zugangs zu Exportmöglichkeiten für ihre Waren.

Daß gerade die thailändische Fischereibranche einer der Sektoren mit der umfassendsten Ausbeutung ausländischer Hilfskräfte darstellt, ist ein offenes Geheimnis. Schon wer aus den ärmeren Nachbarländern Kambodscha und Myanmar stammt und legal an Bord arbeitet, hat es oftmals nicht leicht. Unvergleichlich schlimmer ist das Martyrium, das die nach offizieller Lesart illegalen, über Menschenhändlernetzwerke an die Skipper verkauften Arbeiter erdulden müssen.

Eine solche Leidensgeschichte war gerade in der Bangkok Post, der größten englischsprachigen Zeitung des Landes, nachzulesen. Der 56jährige Ma Win berichtet, was ihm nach Verlassen seiner Heimat Myanmar widerfahren war und wie er es doch schaffte, nach 23 Monaten auf dem Fischerboot die Freiheit zu erlangen. Die Geschichte illustriert, welche Anziehungskraft das vergleichsweise wohlhabend erscheinende Thailand noch immer auf viele Einwohner im bitterarmen westlichen Nachbarstaat ausübt, wo es trotz eines teilweisen wirtschaftlichen Booms seit dem Ende der Militärdiktatur und vieler Sanktionen vor allem noch immer an ausreichend Arbeitsplätzen mangelt. Daß es ausgerechnet ein öfter auch in seiner Uniform auftretender Polizist war, der Ma Win erst auf einer Farm beschäftigte, dann an einen Menschenschmugglerring weitervermittelte, verwundert Kenner der Situation nicht. Nur durch die Deckung oder teils aktive Beteiligung von Vertretern staatlicher Stellen können die Netzwerke überhaupt so erfolgreich und nahezu ungestört operieren. Wie die betroffenen Migranten binnen kurzer Zeit einen – erzwungenen – Schuldenberg aufbauen, den es »abzuarbeiten« gilt, ist den Erlebnissen von Ma Win ebenfalls in aller Deutlichkeit zu entnehmen. Er mußte zunächst 8000 Baht (knapp 200 Euro) »Transportkosten« zahlen, später 13000 Baht, die er schon nicht mehr hatte und die deshalb als »Schuldschein« erschienen, für weiteren Transfer. Als Ma Win in indonesischen Gewässern unterwegs war, gab ihm ein Matrose bei einem Zwischenstopp die Telefonnummer eines UN-Büros als Anlaufstelle für Hilfe. Er solle sich der Polizei stellen und dort anrufen, so der Rat der Landsmanns. Die Polizisten allerdings, so Ma Win, hätten ihn zweimal wieder zurückgebracht – erst beim dritten Mal gelang es ihm, den UN-Mitarbeiter zu kontaktieren. Später fand Ma Win heraus, daß der Skipper sogar einen Matrosen beauftragt hatte, ihn zu ermorden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 2. Juli 2014


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