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Vorwürfe gegen Yingluck

Thailand: Regierungsanhänger und Oppositionelle kündigen weitere Aktionen an

Von Thomas Berger, Bangkok *

Einen Tag nach der Absetzung der thailändischen Regierungs­chefin Yingluck Shinawatra und neun ihrer Minister durch das Verfassungsgericht ist die Exministerpräsidentin von der Antikorruptionsbehörde wegen eines Subventionsprogramms für Reisbauern angeklagt worden. Dabei soll der Staat wegen »Mißmanagements« umgerechnet drei Milliarden Euro verloren haben. Die Behörde verwies den Fall an die zweite Parlamentskammer, den Senat. Dieser kann Yingluck für fünf Jahre aus der Politik verbannen und Strafgerichte anrufen. Bei einem Schuldspruch droht der 46jährigen eine Haftstrafe.

Suthep Thaugsuban, Wortführer der außerparlamentarischen Opposition um das »Volksdemokratische Reformkomitee« (PDRC), das die traditionellen Eliten des Landes repräsentiert, hat für den heutigen Freitag zu einer neuen Massenkundgebung der radikalen Regierungsgegner aufgerufen. Gemeinsam wolle man den Druck der Straße noch einmal erhöhen, um auch den Rest der Regierungsmannschaft zum Abtreten zu zwingen, erklärte er.

Die mit der regierenden Pheu Thai Party (PT) verbündeten »Rothemden« unter Führung der »Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur« (UDD), die vor allem von der armen Landbevölkerung im Norden des Landes unterstützt werden, wollen wiederum am Wochenende demonstrieren.

Unklar ist zudem, wann es Neuwahlen geben kann. Hatten die nationale Wahlkommission (EC) und Yingluck bei ihrem letzten Treffen noch den 20. Juli ins Auge gefaßt, steht jetzt für kommenden Mittwoch ein Treffen zwischen der EC und dem zum neuen Interimspremier berufenen bisherigen Handelsminister Niwatthamrong Bunsongphaisan auf dem Programm. Dessen Aufgabe wäre es, König Bhumiphol Adulyadej den Vorschlag für einen Wahltermin zur royalen Genehmigung vorzulegen.

Für Spannungen sorgten ungeachtet der allgemeinen Ruhe drei Anschläge in der Nacht zum Donnerstag, die als unmittelbare Reaktion auf Yinglucks Absetzung gelten. Ein Sprengsatz wurde in das Wohnhaus von einem der beteiligten Richter geworfen, der sich aber zu der Zeit nicht daheim aufhielt. Wie in den beiden anderen Fällen, bei denen eine Bankzentrale und ein Krankenhaus das Ziel von Handgranatenwürfen waren, entstand nur geringer Sachschaden.

Zudem mußte am Donnerstag die Polizei eingreifen, als eine Gruppe »Rothemden« ein Gelände »für die Öffentlichkeit zurückerobern« wollte, das seit geraumer Zeit von PDRC-Aktivisten um den buddhistischen Mönch Luang Pu Buddha Issara, dem zweitwichtigsten Anführer der Bewegung, besetzt gehalten wird. Dieser zeigte sich generell umzugsbereit. Gespräche mit Behördenvertretern über einen neuen Platz, der die Sicherheitsanforderungen der Oppositionellen erfüllt, brachten aber zunächst kein Ergebnis.

Klar ist derzeit nur, daß Suthep und seine Anhänger weiter den kompletten Sturz der Regierung wollen. Sie sehen die Pheu-Thai-Administration insgesamt als von Yinglucks älterem Bruder, dem exilierten früheren Premier Thaksin Shinawatra, ferngesteuert an und fordern die Einrichtung eines nicht gewählten »Volksrats« anstelle der Regierung.

* Aus: junge Welt, Freitag, 9. Mai 2014


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