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Thailands Junta verordnet Fröhlichkeit

Armee setzt sich in staatlichen Schlüsselpositionen fest und will weiter regieren

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Mit der Gewährung ziviler Freiheiten will Thailands Junta Kritiker zum Schweigen bringen. Zurück zur Demokratie will sie sobald nicht.

Äußerlich ist der Alltag zurückgekehrt. Singende und tanzende Polizisten und Soldaten in Bangkok gaukeln an Kreuzungen und in Parkanlagen Heiterkeit vor. Touristen bemerken schon gar nichts von einer neuen Angst. Das Wetter und die Küche sind vorzüglich, Bars schließen erst tief in der Nacht, und die Mädchen lächeln. Doch unter der anscheinend ruhigen Oberfläche tobt ein Machtkampf. Der wirft Thailands politische und gesellschaftliche Entwicklung um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurück.

Den Herrschenden zufolge gehe es um die Rückkehr zu Frieden und Stabilität. Böse Zungen sprechen aber vom unbedingten Willen der Elite, die Krone und die eines Tages anstehende Thronfolge vor republikanischen Strömungen zu schützen. Diese Strömungen erstarken in dem Maße, wie sie unterdrückt werden.

Die Junta um Putschführer Prayuth Chan-ocha, der längere Zeit als Regierungschef agieren dürfte, besetzt Schlüsselpositionen in Verwaltung und Wirtschaft mit Getreuen. Auf der Straße kann schon das Verzehren eines Sandwichs oder das Lesen von Orwells »1984« zu einer Verhaftung führen. Das unschuldige Sandwich und der Klassiker, beide gelten als Symbole für Demokratie, Individualismus und freie Gedanken – Werte, denen in der »fröhlichen« Welt der Junta wenig Platz zugestanden wird.

»Happiness«, Fröhlichkeit, steht ganz oben auf der Prioritätenliste der Generäle. Ihnen erscheint keine Maßnahme streng genug, um dem Volk Heiterkeit beizubringen. Wer kritisch den Herrschern gegenübersteht, gilt als »nicht fröhlich«. Er kann vorgeladen werden. Wer Regimekritiker anzeigt, dem winkt eine Belohnung von umgerechnet 15 US-Dollar.

»Fröhlichkeitscamps« sollen Widerspenstige zur Räson bringen. Ein besonders beliebtes Erziehungsmittel der Junta ist es, Pässe von Regimekritikern für ungültig zu erklären. Inzwischen ist auch der angesehene, in Japan dozierende Politologe Pavin Chachavalpongpun eine »staatenlose Person«, wie er selber sagt. »Die Junta nimmt sich nicht nur das Recht, die Kontrolle über die Politik zu haben, sie maßt sich auch an, wer thailändischer Bürger sein soll und wer nicht.«

Die verschiedenen Maßstäbe der Junta hat die Gesellschaft zur Kenntnis genommen. Sie sprach ja bei Wahlen genau jenen Volksvertretern das Vertrauen aus, die jetzt von den palastnahen Uniformierten gejagt werden. Anhänger der im Mai zum siebten Mal durch einen Militär- oder Justizcoup gestürzten Regierung des ins Ausland getriebenen Thaksin Shinawatra haben zu schweigen.

Suthep Thaugsuban, der die Proteste gegen die Regierung der Thaksin-Schwester Yingluck angeführt hatte, hielt dagegen in einem luxuriösen Privatklub einen Benefizabend für Anhänger ab: für ein gegnerisches »Rothemd« ein sicherer Verhaftungsgrund. Suthep holte sich lediglich einen Tadel des Putschisten Prayuth. Er dementierte nicht, dass er mit dem General seit Jahren über den Textdienst »Line« in engem Kontakt über den besten Weg zur Vertreibung des Thaksin-Regimes stand. Die »nationale Versöhnung« der Junta ist wählerisch. Kritischen Journalisten droht für harmlose Facebook-Einträge die vorübergehende Festnahme.

Auf die Forderung nach einer Rückkehr zur Demokratie antwortet Prayuth ausweichend mit dem Hinweis auf Wahlen im Oktober 2015. Der EU bleibt der Fahrplan zu vage, Brüssel stufte die Beziehungen zu Thailand herab. Auch die Botschafterin der USA lud zum Nationalfeiertag Oppositionelle ein, von den Junta-Generälen keinen. Das spielt allerdings den thailändischen Nationalisten in die Karten. Nach ihrer Ansicht verstehen Ausländer nichts von den komplexen Problemen im Land.

Regimegegner haben nach dem Modell des Widerstands gegen Japans Besatzung im Zweiten Weltkrieg eine »Free Thai«-Exilregierung gebildet. Die Armee, sagte der ehemalige Minister und Generalsekretär von »Free Thai«, Charupong Ruangsuwan, sei fester Teil der traditionellen Elite und kein neutraler Vermittler, wie sie vorgebe. Wieder habe sie eine Regierung gestürzt, weil sie Wahlen nicht gewinnen könne.

Diese Junta ist sich nicht einmal zu schade für denselben Populismus, den sie der gestürzten Regierung vorgehalten hat. Preiskontrollen sollen die Inflation dämpfen. Für einen patriotischen Kinofilm gab es freien Eintritt. Auf Druck der Generäle zeigten zwei öffentliche Fernsehkanäle, die der Armee gehören, sämtliche Spiele der Fußball-WM gratis. Dem Sender, der die FIFA-Rechte teuer erworben hatte, blieb »zum Wohl der nationalen Fröhlichkeit« das Nachsehen.

Ihren Putsch und einen resoluten Kurs rechtfertigt die Junta mit drohender Bürgerkriegsgefahr. Widerständler würden die Eskalation suchen, ganze Waffenarsenale seien ausgehoben worden.

* Aus: neues deutschland, Montag 14. Juli 2014


Furcht vor Rückkehr

Thailand: Flüchtlingen aus Myanmar droht die Abschiebung. Dort wirken die bewaffneten Konflikte bis heute nach

Von Thomas Berger **


Rund 140000 Flüchtlinge aus dem benachbarten Myanmar (Burma), die in den letzten drei Jahrzehnten in Thailand eine Zuflucht gefunden haben, fürchten um ihre Zukunft. Die Militärregierung in Bangkok hat nach Konsultationen mit dem angrenzenden Staat während eines Arbeitstreffens des Innenministeriums mit Vertretern weiterer Institutionen am Freitag ihre Rückführung angekündigt. Betroffen sind vor allem jene rund 113000 Menschen, die in neun Flüchtlingscamps entlang der gemeinsamen Grenze untergekommen sind. In der größten Einrichtung dieser Art leben 31000 Personen, in vielen anderen Lagern jeweils zwischen 10000 und 18000 Menschen. Ihnen bleibt der Zugang zu höherer Bildung ebenso verwehrt wie zu regulären Beschäftigungsverhältnissen, um ihre Familien selbständig angemessen versorgen zu können.

Die Abschiebungsdrohung basiert offenbar auf einem kürzlich stattgefundenen Gespräch zwischen Thailands Armeechef Prayuth Chan Ocha b>mit General Min Aung Hlaing, dem Oberkommandierenden der Streitkräfte Myanmars. Letzteres hat derzeit zudem den rotierenden Vorsitz der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN inne. Auch dieser Fakt wird von thailändischer Seite dafür ins Feld geführt, daß es sich um einen geeigneten Zeitpunkt handle, die Rückführung der Flüchtlinge in ihre Heimat zu planen. Wie genau und in welchem zeitlichen Rahmen dies vonstatten gehen soll, ist derzeit allerdings noch unklar. Bei Menschenrechtsgruppen und Experten stößt der Vorschlag mindestens auf Bedenken, wenn nicht sogar unverhohlene Kritik.

Niran Pitakwatchara von der Nationalen Menschenrechtskommission Thailands mahnte, daß die Rückführung nicht dem Prinzip zuwiderlaufen dürfe, Verfolgte nicht in die Hände ihrer Verfolger zu übergeben. Zudem müsse die Regierung Myanmars sicherstellen, daß die Heimkehrer in die Lage versetzt würden, für ihr eigenes wirtschaftliches Überleben zu sichern. Ebenfalls massive Bedenken hat derzeit auch noch Supang Chantawanich, wie sie der Tageszeitung Bangkok Post sagte. Die Leiterin des Asiatischen Zentrums für Migration an der renommierten Chulalangkorn-Universität in Bangkok bezeichnete Frieden als grundlegende Voraussetzung, die Flüchtlinge wieder in ihrer alten Heimat anzusiedeln. Dazu seien durch entsprechende Abkommen von Myanmars Regierung mit den Rebellengruppen der diversen ethnischen Minderheiten in den meisten Landesteilen aber die notwendigen Schritte erfolgt. Ausreichende Erwerbsgrundlagen und eine gut koordinierte Abstimmung beider Länder untereinander sowie Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hält sie ebenfalls für notwendig.

Manche der Betroffenen harren schon seit 1984 in den Lagern aus, viele der heutigen Kinder und Jugendlichen haben die Heimat ihrer Eltern noch nie gesehen, wo zudem aufgrund der jahrelangen Konflikte von Armee und Rebellen noch zahlreiche Landminen große Gefahr bedeuten – Myanmar gehört heute zu den am stärksten verminten Ländern der Welt. Zwar hat sich nach dem Ende der Militärdiktatur der Staat politisch wie ökonomisch schon stark gewandelt. Gerade auf dem flachen Land leben die Menschen aber nach wie vor in bitterster Armut und haben bisher kaum eine Möglichkeit, vom wirtschaftlichen Aufschwung zu profitieren. Überdies herrscht immer noch nicht überall in den Siedlungsgebieten der Minderheiten tatsächlich Frieden. Mehrere dieser Abkommen, das zeigten zuletzt die Eskalationen zwischen der Kachin Independence Army (KIA) und Regierungstruppen im Juni, sind brüchig. Ein neuer Konfliktherd hat sich in der aktuellen Größenordnung zudem erst in den letzten paar Jahren im westlichen Rahkine-Staat zwischen den dortigen Volksgruppen der buddhistischen Titularethnie und den muslimischen Rohingya aufgetan. Ob zumindest letzteren weiter ein besonderer Schutzstatus in Thailand zuerkannt wird, der eine Rückführung verhindert, ist völlig ungewiß.

** Aus: junge Welt, Montag 14. Juli 2014


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