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Rote Flut

Thailand: Regierungslager auf der Straße. Tauziehen um neuen Übergangspremier

Von Thomas Berger, Phnom Penh *

Nachdem die Opposition am Freitag mit Tausenden Anhängern durch Bangkoks Innenstadt marschierte, hat am Sonnabend das Lager der mit der amtierenden Regierung der Pheu Thai Party (PT) verbündeten »Rothemden« mit einer ähnlich machtvollen Kundgebung geantwortet. Tausende Aktivisten der »Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur« (UDD) versammelten sich entlang des Uthayan Boulevards. Die wichtige Ausfallstraße in den westlichen Vororten der thailändischen Hauptstadt war stundenlang in ein Meer von Rot getaucht. Bewußt hat sich die UDD abermals auf dieses Areal zurückgezogen, um direkte Zusammenstöße mit dem gegnerischen Lager zu vermeiden. Jatuporn Prompan, namhaftester Wortführer der »Rothemden«, rief alle Gefolgsleute ausdrücklich zur Zurückhaltung auf. Niemand solle etwas auf eigene Faust unternehmen. Sollte die Bedrohung des demokratischen Staatsgefüges durch die radikalen Oppositionellen indes zunehmen, sei die UDD für Gegenmaßnahmen gerüstet, sagte Jatuporn. Jede Eskalation seitens des »Volksdemokratischen Reformkomitees« (PDRC), der stärksten Kraft unter den Regierungsgegnern, könne deshalb »zu einem Bürgerkrieg führen«.

Gemeint ist damit vor allem die Drohung von PDRC-Chef Suthep Thaugsuban, seine Getreuen würden die Sache »in die eigenen Hände nehmen«, sollten der Oberste Gerichtshof und der Vorsitzende des Senats nicht eine »neutrale« Übergangsregierung einsetzen. Obwohl die bisherige Premierministerin Yingluck Shinawatra, die seit Parlamentsauflösung im Dezember nur noch geschäftsführend im Amt war, am vergangenen Mittwoch zusammen mit neun ihrer Minister vom Verfassungsgericht abgesetzt worden war, hält die PT weiter die Regierungsmacht in ihren Händen. Das ist den Oppositionellen ein Dorn im Auge. Die PDRC-Aktivisten zogen sich am späten Sonntag vormittag (Ortszeit) aber immerhin von jenen fünf unabhängigen Fernsehsendern zurück, die gezwungen worden waren, Sutheps Ansprachen live auszustrahlen. Eigentlich sollte den Journalisten sogar völlig untersagt werden, Berichte der Regierung oder der UDD auszustrahlen. Dieser Angriff auf die Pressefreiheit wurde aber in der Öffentlichkeit so einhellig verurteilt, daß sich sogar der sonst so selbstüberzeugte Suthep zu einer halben Entschuldigung genötigt sah.

Für ihre Pressekonferenzen dürfen er und einige andere Spitzenvertreter der Bewegung ein Gebäude des Regierungssitzes nutzen, verkündete am Sonntag General Apirak Konsompong, Chef der 1. Infanteriedivision und enger Vertrauter von Armeechef Prayudh Chan-ocha. Soldaten und Polizisten würden den Komplex aber ansonsten weiter gegen Oppositionelle abschirmen. In der Nähe des Gebäudes wurden am Sonntag morgen Granaten auf ein Protestcamp von oppositionellen Studenten abgefeuert. Zwei Personen wurden den Meldungen zufolge verletzt.

Die verfeindeten politischen Lager liefern sich neben den Machtdemonstrationen auf der Straße auch ein juristisches Tauziehen. Regierungsvertreter machen verfassungsrechtliche Bedenken dagegen geltend, daß am Freitag der mit Sutheps PDRC sympathisierende Surachai Liangboonlertchai zum neuen Vorsitzenden des Senats gewählt wurde. Ein solcher Akt dürfe weder auf einer außerordentlichen Sitzung noch ohne Ankündigung in der offiziellen Tagesordnung stattfinden, hieß es von Sprechern des Regierungslagers. Der bisherige Senatsvize Surachai hatte zudem nach dem Rücktritt des vormaligen Sprechers Nikom Wairatpanich die Sitzung geleitet und an der Aussprache teilgenommen, obwohl er selbst kandidierte – aus Sicht namhafter PT-Mitglieder ebenfalls nicht rechtskonform. Suthep und seine Gefolgsleute ziehen wiederum die Befugnisse des neuen Interimpremiers Niwatthamrong Bunsongphaisan in Zweifel. Vor allem dürfe dieser nicht den Termin für Neuwahlen festlegen.

* Aus: junge welt, Montag, 12. Mai 2014


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