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Togos Diktator ist tot, die Diktatur lebt weiter

Abdul Gafar Tchedre Djibril kritisiert das Auswärtige Amt: Von einer Beruhigung der Lage im Lande kann keine Rede sein

Abdul Gafar Tchedre Djibril (37) ist Sprecher der Internationalen Kampagne gegen die Diktatur in Togo. Er floh 1993 vor dem Eyadéma-Regime und lebt in Hamburg. Über die Entwickung in Togo seit dem Tod des langjährigen Diktators Gnassingbé Eyadéma (1967-2005) sprach mit ihm Birgit Gärtner für das "Neue Deutschland".*

ND: Die Linkspartei.PDS in Mecklenburg-Vorpommern hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aufgefordert, den Togo-Lagebericht des Auswärtigen Amts zu überarbeiten. Das AA spricht davon, die Lage in Togo habe sich beruhigt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Abdul Gafar Tchedre Djibril: Im Gegenteil, seit der Machtübernahme Fauré Eyadémas hat sich die politische Situation in Togo extrem verschärft. In den Städten patrouillieren die Milizen der Regierungspartei RPT (Versammlung des Togolesischen Volkes) inzwischen in Zivil. Die Familien Oppositioneller werden bedroht und eingeschüchtert, ihre Häuser durchsucht, selbst in Benin sind die Flüchtlinge nicht vor Eyadémas Leuten sicher. Vor den Wahlen im April letzten Jahres hatte Fauré Waffen an RPT-Mitglieder verteilen lassen, weil er einen Bürgerkrieg befürchtete und wollte, dass seine Leute sich verteidigen können. Dadurch ist das Bedrohungspotenzial heute viel größer als zu Zeiten seines Vaters.

Was bedeutet das für Flüchtlinge, die aus Europa nach Togo abgeschoben werden?

Sie sind extrem gefährdet, denn jeder von ihnen steht unter Generalverdacht, sich an Aktionen der Exil-Opposition beteiligt zu haben. Togo ist ein kleines Land, selbst in den Städten kennt jeder jeden. Wenn jemand aus Europa zurückkommt, spricht sich das schnell herum und die RPT-Milizen werden in den Familien vorstellig. Außerdem werden die Flüchtlinge ja an die Behörden ausgeliefert, so dass sie Eyadémas Folterknechten gar nicht entrinnen können.

Der Tod von Diktator Gnassingbé Eyadéma hat Togo nicht auf den Weg zur Demokratie gebracht?

Mitnichten, schon die Machtübernahme nach dessen Tod im Februar 2005 durch seinen Sohn Fauré Eyadéma war – gelinde gesagt – illegal: Parlamentspräsident Fanbare Outtara, der Gnassingbés Amt kommissarisch übernehmen und Neuwahlen hätte einleiten müssen, befand sich zu dem Zeitpunkt außer Landes. Seine Wiedereinreise wurde verhindert und Fauré als Präsident eingesetzt. Schnell wurde klar, dass der Sohn das Land mit denselben Mitteln wie sein Vater regieren würde: Repression, Folter und Terror. Er gab bekannt, dass er gedenke, die Amtszeit seines Vaters bis 2008 zu Ende zu führen, und ließ die Verfassung ändern, um Neuwahlen zu vermeiden. Aufgrund internationalen Drucks und vor allem aus Angst vor Sanktionen anderer westafrikanischer Staaten wurde Fauré jedoch dazu gezwungen, im April 2005 Wahlen zuzulassen.

Waren Oppositionsparteien zu den Wahlen zugelassen?

Neben der Regierungspartei RPT konnten auch andere kandidieren. Sechs Oppositionsparteien schlossen sich zu einem Wahlbündnis zusammen und benannten einen gemeinsamen Spitzenkandidaten: Emmanuel Akitani-Bob. Doch obwohl Akitani-Bob große Sympathie in der Bevölkerung genoss, gewann Fauré Eyadéma die Wahlen angeblich mit großer Mehrheit. Die Opposition warf Fauré Wahlbetrug vor und Akitani-Bob erklärte sich daraufhin ebenfalls zum Wahlsieger. Übrigens geht auch die Europäische Union von Wahlmanipulation aus und erkennt die neue Regierung nicht an.
Nach den Wahlen gab es erneut Massenproteste, auf die Eyadéma mit brutalem Terror reagierte. Berichten der Menschenrechtsliga LTDH zufolge gab es innerhalb weniger Tage etwa 400 Tote, ungezählte Verletzte und Massenverhaftungen. Eine Massenflucht in die Nachbarländer Benin und Ghana setzte ein.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2006


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