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Die Brücke über den N'Guéli

Mehr als 30 Menschen flohen aus der tschadischen Hauptstadt N'Djamena über die Grenze nach Kamerun

Von Raphael Mvogo, Kousseri/Kamerun (IPS) *

Noch hält sich Tschads Regime, unterstützt von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, mit anhaltendem Ausnahmerecht an der Regierung. Trotzdem ist die Ruhe im Land trügerisch, zumal schwer einzuschätzen ist, wie schnell sich die Aufständischen der aus drei Rebellenorganisationen bestehenden »Union des forces de la résistance« (UFR) wieder formieren werden, die Anfang Februar bis in die Hauptstadt N'Djamena vordrangen und dort offensichtlich nur mit Hilfe französischer Soldaten gestoppt werden konnten. Indes fliehen wegen der Unsicherheit mehr Menschen aus dem zentralafrikanischen Land. Hauptziel ist der Kamerun, der Nachbarstaat im Südwesten.

Vor allem Frauen und Kinder haben sich in der nordkamerunischen Grenzstadt Kousseri in Sicherheit gebracht. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) spricht von mehr als 30000 Menschen, die derzeit in einem Durchgangslager jenseits des N'Guéli-Flusses betreut werden. »Die Schwächsten haben in diesem Konflikt die größte Last zu tragen«, sagte Sophie de Caen, UN-Koordinatorin in Kamerun. Nach ihren Angaben sind bis zu 75 Prozent der Flüchtlinge, die sich in Kousseri gemeldet haben, Frauen und Kinder.

Kousseri ist schwimmend oder zu Fuß und mit Kraftfahrzeugen von N'Djamena aus über eine Brücke zu erreichen, die über den N'Guéli führt. Die Stadt erwies sich als idealer Zufluchtsort für Menschen, die aus dem umkämpften N'Djamena fliehen wollten. Auf der anderen Seite des Flusses werden die Flüchtlinge zunächst provisorisch in der Lehrerbildungsanstalt im grenznahen Stadtteil Madana aufgenommen. Dann werden sie nach Angaben des UNHCR-Vertreters in Kamerun, Jacques Franquin, ins 32 Kilometer entfernte Flüchtlingslager Maltam weitergeschickt. Die Umsiedlung hat am Wochenende begonnen. Mehr als 10000 Menschen sollen dort Platz in 4000 bis 5000 Zelten finden.

»Versorgungsprobleme haben wir nicht«, berichtete Franquin. Er wies allerdings darauf hin, daß Tschad-Flüchtlinge, die in Kamerun unter freiem Himmel kampieren, an Atemproblemen leiden. Sie bekommen seit zwei Wochen den Harmattan zu spüren, einen aus der Sahara kommenden kalten, kräftigen Landwind, der während der Trockenzeit von November bis Februar Staub- und Sandwolken vor sich her treibt. 13 Nichtregierungsorganisationen (NGO) beteiligen sich an der Versorgung der Flüchtlinge, so Maurizio Giuliano, der Pressesprecher des Büros der UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Hilfe (OCHA) in N'Djamena, bei einem Treffen in Jaunde.

Kameruns Behörden sehen in dem Flüchtlingsstrom aus dem Tschad, der sich nicht allein auf Kousseri beschränkt, ein Sicherheitsrisiko. Nicht alle leben in Flüchtlingslagern. Auch in Maroua, der Hauptstadt der Provinz Extrême Nord, und selbst in Jaunde sind TschadFlüchtlinge untergekommen. Berichten zufolge haben tschadische Armeeangehörige Flüchtlinge über die Grenze hinweg verfolgt. Manche tarnen sich in Kousseri als Einheimische.

* Aus: junge Welt, 21. Februar 2008


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