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Öl als Trumpfas

Vor den Wahlen im Tschad: Präsident Déby sichert sich Unterstützung der alten und neuen Kolonialmächte in Paris und Washington

Von Anton Holberg*

Idriss Déby ist ins Gerede geraten. Bei der militärischen Niederschlagung von Angriffen der Rebellenarmee FUC (Vereinigte Front für den Wandel) in den ersten Aprilhälfte stützte sich der Präsident des Tschad entscheidend auf die Truppen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. In der vergangenen Woche bedankte er sich dafür ausdrücklich bei der Regierung in Paris, erwähnte allerdings lediglich eine Unterstützung durch den französischen Geheimdienst – nicht die Mobilisierung von 1350 Fremdenlegionären sowie den Einsatz von Kampfflugzeugen.

Nun kandidiert Déby erneut für die Präsidentschaft. Am Mittwoch soll gewählt werden. Seine Chancen stehen auch deswegen gut, weil es wie schon in der Vergangenheit wohl wieder zu einem massenhaften Wahlboykott kommen wird. Um überhaupt zum dritten Mal antreten zu können, hatte Déby zuvor die Verfassung ändern lassen. Seine seit 1990 währende Regentschaft ist durch blutige Unterdrückung und allgemeine Korruption geprägt. Allerdings förderte seine Weigerung, Einnahmen aus dem Erdölexport nicht – wie zugesagt – für soziale und infrastrukturelle Projekte auszugeben, die Skepsis seiner bisherigen Unterstützer Frankreich und USA deutlich. Diese gehen davon aus, daß eine sichere Erdölversorgung ein Mindestmaß an politischer Stabilität voraussetzt. Davon kann im Tschad längst nicht mehr die Rede sein. Die von der Südostgrenze bis in die Hauptstadt N’Djaména vorgebrachte militärische Offensive des Oppositionsbündnisses der FUC war hierfür nicht das erste Zeichen.

Daß diese Offensive nicht zu Debys Sturz führte, lag offenbar an einem Irrtum: Die FUC hatte ein Treffen mit Vertretern der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich als grünes Licht für eine Offensive gegen den Präsidenten gewertet. Frankreich jedoch schien vielmehr auf einen Kompromiß zwischen den beiden Seiten gesetzt zu haben. Jedenfalls gefiel der FUC-Präsident Mahamat Nour Paris nicht als Débys Nachfolger: Gegen diesen spricht vor allem dessen vermutete Nähe zur sudanesischen Regierung.

Frankreich und die USA setzen deshalb lieber weiter auf den amtierenden Präsidenten, dabei spielt auch dessen gestörtes Verhältnis zu Demokratie und Menschenrechten keine Rolle. Vielmehr deutet manches darauf hin, daß die sich verschärfende Konkurrenz zwischen den USA, Frankreich und anderen EU-Staaten einerseits und der VR China andererseits ein wichtiger Orientierungspunkt ist. Derzeit stammen etwa 25 Prozent aller chinesischen Ölimporte aus Afrika und davon ein Großteil aus dem Sudan. Déby versuchte offenbar, diese Lage für sich auszunutzen, als er den Westen davor warnte, daß eine Machtübernahme durch Mahamat Nour und die FUC zu einer Änderung der tschadischen Ölpolitik führen würde. Die schon heute täglich geförderten 200000 Barrel im Tschad würden dann nicht mehr über Kamerun in die USA, sondern über Port Sudan nach China fließen.

* Aus: junge Welt, 2. Mai 2006


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