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Streit um Tschads Erdöl

Regierung Déby überprüft Verträge mit ausländischen Förderkonzernen

Von Anton Holberg *

Tschads Präsident Idriss Déby hat zum politischen Befreiungsschlag ausgeholt. Mit seinem Vorgehen gegen zwei Erdölmultis will er der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen. Doch die hat ein neues militärisches Bündnis gegen ihn angekündigt.

Der Rohstoffboom weckt Begehrlichkeiten. Nur zu verständlich, dass auch die Regierungen in Förderländern eine Neuverteilung des größeren Kuchens einfordern. So wird nun die Regierung von Tschad sämtliche Verträge mit ausländischen Unternehmen zur Förderung von Öl und zur Erschließung neuer Quellen überprüfen. Damit will Tschad eine größere Kontrolle über das Erdöl erhalten und sicherstellen, dass die Unternehmen ihren Steuerpflichten nachkämen. Dieser Vorwurf hatte Ende August die Regierung Déby dazu veranlasst, zwei im Tschad tätige Erdölkonzerne zum Verlassen des Landes aufzufordern. Die beiden zum von Exxon Mobil geführten Konsortium gehörenden Firmen – die US-amerikanische Firma Chevron Texaco und Malaysias Petronas – bestreiten allerdings die Vorwürfel.

Den beiden Konzernen wird auch vorgeworfen, dass sie versucht hätten, Regierungsmitglieder zu bestechen, um so ermäßigte Steuern durchzusetzen. Im Zusammenhang damit wurden drei Minister der erst Mitte August gebildeten Regierung – darunter der Erdölminister Mahamat Nasser Hassane – von Déby entlassen. Beobachter gehen davon aus, dass die so plötzlich verkündete »Revolution« vor allem das Ziel habe, eine »nationale Einheit« um einen Präsidenten zu schaffen, dessen Herrschaft von einer vielgestaltigen politischen und militärischen Opposition in Frage gestellt wird.

International hat Déby in letzter Zeit eine Reihe von Erfolgen verbuchen können, darunter die Wiederherstellung der im April abgebrochenen Beziehungen zu Sudan und vor allem die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu China, das sich seit Jahren besonders eifrig darum bemüht, weltweit und nicht zuletzt in Afrika Zugriff auf Erdölvorkommen zu bekommen. Erste Stellungnahmen der tschadischen Opposition deuten jedoch nicht darauf hin, dass Débys Konzept aufgeht. Für die Opposition handelt es sich um ein durchsichtiges Manöver des Mannes, der zusammen mit seinem Clan für die schlechten Verträge mit den Ölfirmen verantwortlich sei. Der Abgeordnete Ngarlejy Yorongar warf die Frage auf, wie Déby denn die Entschädigung von 2,4 Milliarden US-Dollar bezahlen wolle, wenn er die beiden Firmen wirklich ausweise. Die angekündigte tschadische Erdölgesellschaft werde letztlich de facto auch nur ein Privatunternehmen von Déby und seinen Leuten sein, die sich so die Taschen füllen können.

Die Wirkungslosigkeit der Maßnahme Débys gegenüber der relevanten Opposition wurde dieser Tage auch dadurch unterstrichen, dass zwei der politisch-militärischen Oppositionsgruppen, die RAFD und die CNT am Montag ein militärisches Bündnis gegen Déby bekannt gaben. Die Sammlung demokratischer Kräfte (RAFD) stützt sich unter Führung von Timamn Erdimi, eines ehemaligen Kabinettschefs Débys, auf die Ethnie der auch in der sudanesischen Provinz Darfur lebenden Zaghawa, zu der auch Déby gehört. Sie ist eine der drei stärksten militärischen Oppositionsgruppen des Landes.

Die Befürchtung, dass es nur darum gehe, die Taschen von Déby und dessen Clan noch mehr zu füllen, ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man bedenkt, dass Tschad im letztjährigen Bericht von Transparency International als weltweit korruptester Staat genannt wurde. Die Einnahmen aus dem Erdölexport haben bislang die Bevölkerung, gerade auch die im Fördergebiet um Doba im Südwesten überhaupt nicht erreicht. Die Forderung der Weltbank, den größten Teil der Ölerlöse zur Armutsbekämpfung einzusetzen, bleibt unerfüllt. Amnesty International hat sogar davon gesprochen, dass die Profitinteressen der Ölkonzerne und der mit ihnen kolaborierenden Regierung schwere Verletzungen der Menschenrechte der Bevölkerung vor Ort nach sich ziehen.

Déby sucht derweil weiter internationale Rückendeckung. Nach seinem Besuch bei Frankreichs Präsident Jacques Chirac Anfang des Monats erklärte er seine Unterstützung für UNO-Truppen in Darfur, was von der sudanesischen Regierung bekanntlich völlig abgelehnt wird.

* Aus: Neues Deutschland, 7. September 2006


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