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Wieder Wahlschlappe für Necas

Sozialdemokraten mit absoluter Mehrheit im tschechischen Senat

Von Jindra Kolar, Prag *

Nach den Teilwahlen zum tschechischen Senat verfügen die Sozialdemokraten dort nun über eine ausreichende Mehrheit, um von der bürgerlichen Regierung eingebrachte Gesetze zu stoppen. Als erstes wird davon ihr Sparpaket betroffen sein.

Der tschechische Senat, das Oberhaus des Parlaments, wird künftig eine sozialdemokratische Mehrheit besitzen. Das zeichnete sich am Samstagnachmittag schon vor Abschluss der Auszählung aller Stimmbezirke ab. Danach wird die CSSD über 41 der 81 Senatssitze verfügen, wie die nationale Statistikbehörde in Prag mitteilte. Die Regierungsparteien werden mit 29 Mandaten präsent sein; 25 Sitze erreichten die konservativen Bürgerdemokraten (ODS), vier die TOP 09 von Außenminister Karel Schwarzenberg. Die dritte Kraft in der Regierung, die Partei »Öffentliche Angelegenheiten« (VV), wird nicht vertreten sein. Mit dieser Mehrheit können die Sozialdemokraten wesentlich in die Politik der Regierung unter Petr Necas (ODS) eingreifen.

Der tschechische Senat hat zwar keine absolute Gewalt, doch müssen seine Mitglieder alle Gesetze, die von der Abgeordnetenkammer beschlossen wurden, absegnen. Widersprechen sie, muss die gesetzgebende Versammlung erneut über die Vorlage abstimmen. Dann reicht aber eine einfache Mehrheit aus, um den Gesetzentwurf durchzubringen. Erster Lackmustest ist jetzt das ungeliebte Sparpaket der Regierung Necas. Aller Voraussicht nach werden die sozialdemokratischen Senatoren das Projekt stoppen, zumindest bis Januar, wenn es erneut zur Lesung in die erste Kammer kommt.

Auch bei verfassungsgebenden Gesetzen und bei der Bestallung der Verfassungsrichter haben die Senatoren das entscheidende Wort - insofern wirkt sich die Stimmverteilung im Oberhaus auf die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts aus und schließlich, bei Anrufung desselben, wieder auf die Politik zurück.

»Wir wollen eine soziale Wache sein«, erklärte CSSD-Chef Bohuslav Sobotka nach dem Wahlergebnis. Die amtierende Koalition - ohnehin in vielen Punkten zerstritten - wird es in Zukunft noch schwerer haben, sich zu behaupten. Nach den Verlusten bei den Kommunalwahlen und bei der Wahl des Oberbürgermeisters von Prag war dieser zweite Wahlgang zum Senat eine weitere herbe Schlappe für die ODS.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Oktober 2010


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