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Tränengas gegen Protest in Ankara

Studenten wehren sich gegen Fällung von Bäumen *

Die türkische Polizei hat in der Hauptstadt Ankara Proteste von Hunderten Studenten gegen ein Straßenbauprojekt mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Nach Angaben des linksgerichteten Studentenbündnisses Genc-Der wurden 26 Teilnehmer am Samstag festgenommen, als sie versuchten, vom Stadtzentrum zum Gelände der Technischen Universität des Nahen Ostens zu marschieren, wo rund 3000 Bäume einer Straße weichen sollen.

Laut einem Vertreter des Bündnisses, das die Kundgebung organisiert hatte, hinderte die Polizei die Studenten zudem daran, Bäume im Garten eines öffentlichen Gebäudes zu pflanzen. Bei einer weiteren Protestaktion betraten später etwa 200 Demonstranten die Baustelle auf dem Universitätscampus. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Dogan setzte die Polizei erneut Tränengas sowie Wasserwerfer ein, um die Demonstranten von dem Gelände zu vertreiben.

Seit Wochen gibt es in Ankara und anderen Städten wiederholt Proteste gegen Pläne, die Straße mitten über den Campus laufen zu lassen, um die Verkehrsbelastung in der Hauptstadt abzumildern. Wie schon bei den Massenprotesten im Sommer gegen ein Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park zeigte sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unbeugsam. Die Demonstranten in Ankara bezeichnete er vergangene Woche als »moderne Banditen«.

Die Proteste von Millionen von Menschen gegen das Bauprojekt im Gezi-Park hatten im Juni in der Türkei wochenlange landesweite Unruhen ausgelöst, in deren Verlauf sechs Menschen starben. Ein weiterer Demonstrant starb bei neuen Unruhen Mitte September. Erdogan warf den Demonstranten damals vor, sie seien »Plünderer« und wollten seine Regierung mit den Mitteln der Straße zu Fall bringen. Die Gegner des konservativ-islamischen Regierungschefs kritisieren einen übertriebenen Einsatz der Staatsgewalt gegen die Proteste.

Das brutale Vorgehen der Polizei gegen eine lokale Protestaktion um den Istanbuler Gezi-Park hatte die landesweiten schweren Unruhen vom Juni ausgelöst. Bei wochenlangen Straßenschlachten in den meisten großen Städten der Türkei waren damals sechs Menschen getötet und mehrere tausend verletzt worden. Bei neu aufgeflammten Protesten im September starb ein weiterer Demonstrant.

* Aus: neues deutschland, Montag, 28. Oktober 2013


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