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Türkei am Pranger

Europäische Journalisten-Gewerkschaften protestieren gegen Inhaftierung von Kollegen

Von Peter Wolter *

Mit einem europaweiten Aktionstag haben Journalisten-Gewerkschaften am Montag dieser Woche gegen die Inhaftierung von 76 Kolleginnen und Kollegen in der Türkei protestiert. Mindestens sieben von ihnen nehmen nach Informationen der Deutschen Journalisten-Union (dju) an dem seit über 40 Tage andauernden Hungerstreik von über 600 Gefangenen teil, dem sich in dieser Woche weitere 10000 vorwiegend kurdische Häftlinge angeschlossen haben. Sie fordern unter anderem die Freilassung des inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan und den freien Gebrauch der kurdischen Sprache.

Die Europäische Journalisten-Föderation (EJF) hatte ihre Mitgliedsverbände dazu aufgerufen, unter dem Motto »Stand up for journalism« die Zustände in der Türkei öffentlich zu machen. Bei einer öffentlichen Anhörung vor dem Europaparlament forderte der EJF-Vorsitzende Arne König am Dienstag in Brüssel die Politiker dazu auf, sich für die Freilassung der Kollgeginnen und Kollegen einzusetzen. Bei einer anschließenden Demonstration vor dem Sitzungsgebäude wurde die Arrested Gazette verteilt – die englische Version einer Zeitung mit Beiträgen inhaftierter Journalisten.

Die Zeitung mit dem Originaltitel Tutuklu Gazete ist mittlerweile in der dritten Ausgabe erschienen. Die Artikel werden von den Gefangenen handschriftlich verfaßt und an die türkische Journalisten-Gewerkschaft weitergeleitet, die sie bearbeitet, setzt und in einer Auflage von etwa 100000 Exemplaren druckt. Mehrere türkische Verlage verbreiten sie als Beilage zu ihren eigenen Zeitungen.

Vor drei Jahren seien erst 29 Journalisten inhaftiert gewesen, heißt es in der jüngsten Ausgabe. Zu Beginn dieses Jahres sei ihre Zahl auf 109 angewachsen. Wenn man die Haftdauer aller festgenommenen Kollegen zusammenzähle, komme man auf über 150 Jahre.

Seit September stehen in der Türkei 44 Journalisten und Verlagsmitarbeiter vor Gericht, darunter Ömer Celik, ein 27 Jahre alter Reporter der Nachrichtenagentur Diha, für den die dju in ver.di eine Patenschaft übernommen hat. Die Anklage gegen ihn und die anderen Journalisten beruht auf Artikeln und Recherchen, die angeblich eine Mitgliedschaft in der kurdischen KCK belegen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 08. November 2012


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