Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hotels für "Patriot"-Helden

Bundeswehreinsatz an syrischer Grenze wird teurer

Von René Heilig *

FOC (Full Operational Capability - volle Einsatzbereitschaft) meldete der Kontingentführer am 28. Januar aus Kahramanmaras. Die türkische Stadt liegt etwa 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Die in die Türkei geschickten Bundeswehr-Raketensysteme und deren Bedienungen gehören zu einer NATO-Mission, die die Türkei vor möglichen Raketenangriffen aus Syrien schützen soll. Mit von der Partie sind »Patriot«-Einheiten aus den USA und den Niederlanden.

Bevor die »Patriot«-Soldaten in die Türkei abflogen, um ihre Technik im Hafen von Iskenderun abzuholen, war ein Vorauskommando vor Ort. Die Bundeswehr wollte nichts dem Zufall überlassen. Das Kommando einigte sich mit den türkischen Militärs rasch über den Stationierungsort. Nun stehen die Raketen samt ihrer Leitsysteme in der Gazi-Kaserne der türkischen Streitkräfte, etwas oberhalb von Kahramanmaras. Rasch waren notwendige Flächen begradigt, Zufahrtswege befestigt oder neu angelegt. Die Baumaßnahmen erledigte das türkische Militär gemeinsam mit ortsansässigen Firmen. Auf wessen Kosten?

Durch die FOC-Meldung sind die Staffeln dem Kommando der NATO unterstellt. Das Headquarter Allied Air Command in Ramstein hat die Befehlsgewalt. Der Dienst vor Ort wird - wie es heißt - lageabhängig geplant. Die Bürgerkriegsparteien in Syrien zeigen - wie vorauszusehen war - keinerlei Kampfeslust gegenüber der Türkei oder der NATO. Die Lage ist also ruhig, der Dienst der deutschen Raketensoldaten könnte ganz entspannt sein - wäre da nicht ein Gegner aufgetaucht, mit dem nicht zu rechnen war. Er heißt Bürokratie und lässt sich offenbar nur mit Geld, mehr Geld niederringen.

So muss Deutschland für seine Teilnahme an der »Operation Active Fence Turkey« fürs erste fast fünf Millionen Euro mehr aufwenden. Das teilte das Verteidigungsministerium Ende vergangener Woche den Mitgliedern des Bundestags-Verteidigungsausschusses mit. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit: »Das zwischen der NATO (SHAPE) und der Türkei gezeichnete Implementing Agreement (IA) legt den durch die Türkei zu leistenden Host Nation Support fest. Da demnach nicht alle Unterstützungsleistungen durch die Türkei unentgeltlich zu erbringen sind, werden die einsatzbedingten Zusatzausgaben der Bundeswehr voraussichtlich um rund 4,8 Millionen Euro auf insgesamt rund 29,9 Millionen Euro anwachsen.« Diese Mehrausgaben gründen sich »im Wesentlichen« auf »Mehrausgaben für Betriebsstoffe sowie durch Mehrausgaben für die temporäre Unterbringung des deutschen Personals in Hotels«.

Fünf Millionen Euro sind überschaubar. Geht man von 250 Soldaten und einem Jahr Stationierung aus, so sind die Hotelzimmer günstig. Knapp 55 Euro pro Nacht. Andererseits: Mit fünf Millionen könnte das Land Berlin ein Vierteljahr die Verpflegung an seinen Ganztagsgrundschulen sichern. Und wenn man die Summe mit jener vergleicht, die Deutschland zur »Entschädigung« der Hinterbliebenen des Kundus-Bombardements locker gemacht hat, sollte Schamesröte aufblühen: 90 mal 3900 Euro - also 351 000 Euro insgesamt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 05. Februar 2013


Syrien: Bedrohliche Optionen

Iran verspricht Damaskus Unterstützung / McCain bringt Patriot-Angriffe ins Spiel **

Die Zerstörung des Zentrums sei vermutlich auf Angriffe auf ein Fahrzeug mit Flugabwehrwaffen sowie auf die folgende Explosion der Raketen zurückzuführen, berichtete die »New York Times« unter Berufung auf das US-Militär. Ein US-Beamter hatte zuvor gesagt, Israels Luftwaffe habe Raketen auf einem Lastwagen sowie einen Militärkomplex angegriffen, in dem sich möglicherweise Chemikalien befanden.

Das nahe der Hauptstadt Damaskus gelegene Forschungszentrum ist wegen der angeblichen Entwicklungsarbeiten an biologischen und chemischen Waffen seit mehr als zehn Jahren Ziel westlicher Sanktionen. Wie der ranghohe Militärbeamte der »NYT« weiter sagte, soll sich die israelische Armee bei dem Angriff in der vergangenen Woche relativ weniger Kampfflugzeuge bedient haben, um die syrische Luftabwehr zu umgehen. Israel hatte den Angriff zuletzt indirekt eingeräumt, als Verteidigungsminister Ehud Barak bei der Münchner Sicherheitskonferenz sagte, der Angriff sei ein »weiterer Beweis, dass wir meinen, was wir sagen«.

Damaskus drohte nach der Attacke mit Vergeltung. Unterdessen hat auch der Sekretär des iranischen Sicherheitsrates, Said Dschalili, bei einem Syrien-Besuch den israelischen Luftangriff auf ein Gebiet bei Damaskus mit scharfen Worten verurteilt. In der syrischen Hauptstadt sagte er am Montag vor Journalisten, Israel werde den Angriff auf Syrien bereuen, so wie es auch die früheren Kriege bereut habe. Er fügte hinzu, dass Iran Syrien unterstützen werde.

Iran hat allerdings bestritten, dass es das Regime von Baschar al-Assad in Syrien mit Kämpfern unterstützt. »Die syrische Armee ist groß genug, sie brauchen keine Kämpfer von außen«, erklärte Irans Außenminister Ali Akbar Salehi am Montag bei einem Deutschlandbesuch in Berlin. Gleichzeitig warnte er alle Staaten vor einer Einmischung in den Konflikt. »Lasst diesen Prozess seinen natürlichen Gang gehen«, sagte er und plädierte für Präsidentschaftswahlen unter internationaler Aufsicht. Dass auch Assad bei einer solchen Wahl antreten könnte, schloss Salehi nicht aus. »Das liegt an ihm.«

US-Senator John McCain hatte auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Zerstörung der syrischen Luftwaffe gefordert. McCain sagte, man könne dem Bürgerkrieg nicht weiter tatenlos zusehen. »»Tatsache ist, es gibt Optionen. Die NATO hat Patriot-Raketen in der Türkei stationiert, die in der Lage sind, syrische Flugzeuge so weit südlich wie Aleppo abzuschießen.« Der einflussreiche Senator brachte auch taktische Marschflugkörper (Cruise Missiles) ins Spiel, um startende syrische Kampfjets abzuschießen.

Drei in Syrien entführte Ingenieure aus Russland und Italien sind nach russischen Angaben wieder frei. Die Männer seien im Austausch für »aufständische Kämpfer« freigekommen, erklärte das russische Außenministerium in Moskau am Montag, ohne weitere Details zu dem Austausch zu machen. Die Geiseln wurden bereits am Sonntag freigelassen. Die drei Männer arbeiteten für eine private syrische Gießerei in der Nähe der umkämpften Stadt Homs.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 05. Februar 2013


Zurück zur Türkei-Seite

Zur Syrien-Seite

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage