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"Kopf nicht in den Sand stecken"

NATO-Generalsekretär will Pakt für Syrien-Intervention weich klopfen *

Angesichts von Berichten über eine angebliche Bereitstellung von Chemiewaffen in Syrien ist eine Debatte über einen möglichen internationalen Militäreinsatz in dem Land entbrannt.

Zwischen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und mehreren europäischen Außenministern habe es zur Frage einer möglichen Syrien-Intervention eine heftige Auseinandersetzung gegeben, berichtete die »Süddeutsche Zeitung« am Donnerstag.

Dem Bericht zufolge sagte Rasmussen bei einem informellen Abendessen am Dienstag unter Hinweis auf US-Geheimdienstberichte, wonach die syrische Armee den Einsatz von Chemiewaffen vorbereiten könnte, die NATO könne den »Kopf nicht weiter in den Sand stecken«. Unter den Ministern wurde dies laut der Zeitung als Versuch Rasmussens gewertet, den Weg für die militärische Führung zu öffnen, Pläne für ein direktes oder indirektes Eingreifen in Syrien zu entwickeln.

Rasmussen wurde demnach von den USA, Großbritannien und der Türkei unterstützt. Gegen den Vorstoß hätten sich mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, die Niederlande und Tschechien, gewandt. Sie hätten vor einer Überbewertung der angeblichen Geheimdiensterkenntnisse gewarnt und darauf bestanden, dass der Konflikt in Syrien nur friedlich und nur über die Vereinten Nationen gelöst werden könne.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle reagierte verärgert auf den Bericht zu den Überlegungen. Er sei »alles andere als erfreut über die zum Teil öffentlich geführte Debatte«, sagte er in Berlin. Der FDP-Politiker betonte, Deutschland sei an »keinerlei Überlegungen oder Planungen beteiligt, die auf eine Intervention hinauslaufen«. Zugleich warnte Westerwelle die syrische Regierung in scharfer Form vor einem Einsatz von Chemiewaffen. Damit würde eine »rote Linie« überschritten, die nicht nur die NATO und der Westen ziehen würden, sondern »die gesamte Völkergemeinschaft«.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte in Berlin, dass die Chemiewaffen in Syrien »bereit und verwendungsfähig« seien. Bislang sei aber nicht erkennbar, dass sie eingesetzt werden sollten. Syriens Armee habe jedoch die Fähigkeit dazu, sagte de Maizière.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon drohte Syriens Staatschef Baschar al-Assad für den Fall eines Chemiewaffeneinsatzes mit strafrechtlichen Konsequenzen. Assad müsse »vor die Justiz gebracht« werden, sollte er Chemiewaffen einsetzen, sagte Ban in der irakischen Hauptstadt Bagdad.

Der US-Fernsehsender NBC berichtete am Mittwoch, die syrische Armee habe Bomben, die aus Flugzeugen abgeworfen werden könnten, mit den Giftgas Sarin befüllt. Vor wenigen Tagen hatte es geheißen, Assads Führung habe chemische Kampfstoffe zusammengemischt, zudem gebe es Bewegungen bei Syriens Chemiewaffeneinheiten.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 07. Dezember 2012

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