Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ein US-Angriff gegen Iran ist nicht mehr zu vermeiden"

Beunruhigende Signale aus dem Inneren Asiens - US-Militärstützpunkt in Turkemistan "schließt den Ring um den Iran" - Washington "ohne klare Konzeption"

Manchmal sind es die kleinen Meldungen, die einen aufhorchen lassen. So auch die folgende, die wir der russischen Nachrichtenagentur "Nowosti" verdanken. Es geht darin um die Stationierung von US-Truppen auf turkmenischem Gebiet - ein Umstand, der angesichts der Omnipräsenz des Westens und der USA in Zentralasien seit dem Afghanistan-Krieg kein größeres Aufsehen erregen würde. Trotzdem verdient der Sachverhalt aus zwei Gründen ein besonderes Gewicht: Einmal mussten die US-Truppen vor kurzem Usbekistan verlassen, sodass eine strategische Lücke in dieser Region entstand. Sie dürfte jetzt wieder geschlossen werden. Zum anderen, und das wiegt noch schwerer, passt die Truppenstationierung in Turkmenistan offenbar gut in die Vorbereitung der USA auf einen Krieg gegen Iran, den die Bush-Administration nie ausgeschlossen hat.
Die Nowosti-Meldung ist von einem russischen Standpunkt aus geschrieben. Das sollte bei der Interpretation der Nachricht nicht außer Acht gelassen werden. Im Übrigen dokumentieren wir die Meldung vom 6. September im Folgenden im vollen Wortlaut.
Doch in Russland herrscht auch keine Klarheit in der Einschätzung der Pläne Washingtons. Jedenfalls kommt ein Angehöriger eines Moskauer Think Tanks, Politikberater Wladimir Orlow, zu ganz anderen Schlussfolgerungen. Die USA seien erstens nicht in der Lage zu einem Militärschlag gegen Iran und hätten zweitens keine klare Konzeption: Das Weiße Haus habe "16 mögliche Varianten der Politik gegenüber Iran" und nur eine davon sei militärischer Art. Auch diese Meldung dokumentieren wir anschließend im Wortlaut.


Experten: Stationierung des US-Militärs in Turkmenien - ein beunruhigendes Signal für Russland

MOSKAU, 6. September (RIA Nowosti). Kurz nachdem der US-Stützpunkt aus Usbekistan abgezogen wurde, kann er in Turkmenien stationiert werden. Dies würde Russland sowohl Vor- als auch Nachteile bringen, warnen Experten, befragt von den Tageszeitungen „Nowyje Iswestija“ und „Nesawissimaja Gaseta“.

Die USA brauchten einen Militärstützpunkt in Turkmenien vor allem, um eine Offensive gegen Iran zu starten, meinen Beobachter. Mit der Stationierung einer Base in Turkmenien würde sich der Ring um Iran schließen, denn US-Militär befindet sich bereits in allen anderen Iran-Nachbarstaaten, hieß es.

Der US-Stützpunkt in Turkmenien würde die Interessen Russlands beeinträchtigen, meint der Vorsitzende des Islamischen Komitees Russlands Gejdar Dschemal. Erstens würde Washington dadurch so gut wie alle Republiken Zentralasiens unter seine Kontrolle bekommen. Zweitens würde Russland Iran als seinen wichtigen Verbündeten in der Region verlieren.

„Ein US-Angriff gegen Iran ist nicht mehr zu vermeiden. Er ist für die nächste Zeit geplant“, sagte ein Experte im Gespräch mit der „Nowyje Iswestija“. Russland werde darunter unter anderem auch wirtschaftlich leiden, denn eine Offensive gegen Iran würde die gesamte Infrastruktur in der Region außer Gleichgewicht bringen und einen Flüchtlingsstrom nach Russland auslösen.

Nach der Iran-Besetzung bekommen die USA alle wichtigsten Ölreserven, aus denen heute Europa beliefert wird, in die Hand.

Was den Abzug des amerikanischen Militärs aus Usbekistan angehe, so schließt der Leiter des russischen Zentrums für Militärprognose Oberst Anatoli Zyganok nicht aus, dass der usbekische Präsident Islam Karimow bereit wäre, den USA für einen unverzüglichen Truppenabzug aus Chanabad 100 bis 130 Millionen Dollar auszuzahlen.

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Stützpunkt, nachdem der US-Militär abgezogen ist, ins Blickfeld der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ: Russland, China, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan) geraten wird, die dort unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfes in Zentralasien eine eigene Fliegergruppe unterbringen könne.

Usbekistan hingegen habe dafür kein Geld, meint der Experte. Als Sponsoren kämen deshalb die SOZ-Staaten, vor allem Russland oder China in Frage. Dem Experten zufolge würde sich Moskau diese günstige Chance nicht entgehen lassen und es würde alles daran setzen, diesen usbekischen Flugplatz unter eigene Kontrolle zu bringen.

Quelle: RIA NOWOSTI, 6. September 2005; im Internet: http://de.rian.ru/onlinenews/


USA haben keine klare Linie gegenüber Iran

MOSKAU, 6. September (RIA Nowosti). Die USA haben keine klare Politik gegenüber Iran. Diese Meinung vertrat Wladimir Orlow, Direktor des Zentrums für politische Studien in Russland, am Dienstag auf einer Pressekonferenz in der RIA Nowosti.

Das Weiße Haus habe jetzt "16 mögliche Varianten der Politik gegenüber Iran", sagte der Experte mit Hinweis auf Äußerungen amerikanischer Top-Politiker.

"Das Weiße Haus hat jetzt 16 mögliche Varianten der Politik gegenüber Iran - vom Dialog bis hin zu Raketenschlägen gegen die Atomanlagen. Das bedeutet, dass die USA nicht einmal eine vernünftige Strategie gegenüber diesem Land haben", äußerte Orlow.

Auf die Verhandlungen zwischen der EU und Iran zum iranischen Atomprogramm eingehend, betonte Orlow, die USA setzen die EU-Troika momentan unter keinerlei starken Druck, denn sie haben "keine klare Konzeption für Iran".

Deshalb ist auch die russische Beteiligung am Aufbau des Kernkraftwerkes im iranischen Bushehr für die USA schon kein wichtiges Thema mehr.

"Ganz im Gegenteil loben sowohl die USA als auch die EU die Zusammenarbeit Russlands mit dem Iran beim Bau des KKW Bushehr als Vorbild der internationalen Zusammenarbeit, denn sie entspricht allen Forderungen des Atomwaffensperrvertrages", sagte der Experte.

Zugleich zweifelte er daran, dass sich die USA für einen Gewalteinsatz gegen den Iran entscheiden. "Dies ist kaum wahrscheinlich." Um eine groß angelegte Militäraktion gegen den Iran zu starten, brauchten die USA nämlich "mindestens 400.000 Armeeangehörige, die sie jetzt nicht haben", argumentierte Orlow.

"Unter den jetzigen Bedingungen ist eine Gewaltaktion in Iran unmöglich. Sonst haben die Amerikaner mit noch schwereren Problemen zu kämpfen als in Irak", warnte Orlow.

Quelle: RIA NOWOSTI, 6. September 2005; im Internet: http://de.rian.ru/onlinenews/


Zurück zur Turkmenistan-Seite

Zur Iran-Seite

Zurück zur Homepage