Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

London will auf Atomwaffen nicht verzichten

Widerstand gegen Modernisierung des Trident-Systems wächst dennoch

Von Hubert Thielicke *

Während die konservativ-liberale Regierung Großbritanniens weiter über die Zukunft seines Kernwaffenarsenals streitet, wächst im Land der Widerstand gegen die nukleare Rüstung.

Eine Entscheidung über das Trident-System, wie die mit Atomraketen bestückten Vanguard-U-Boote Großbritanniens genannt werden, ist schon auf die Zeit nach der nächsten Parlamentswahl 2015 verschoben worden. Die Debatte über die Zukunft der Nuklearstreitmacht dauert aber an. Die jüngst veröffentlichte Studie einer von der Regierungskoalition eingesetzten Expertengruppe schlägt nun vor, auf eines der U-Boote zu verzichten. Vorher diskutierte Alternativen, wie der Umstieg auf Marschflugkörper, werden verworfen, der grundlegende Atomwaffenverzicht wird nicht in Betracht gezogen.

An der Haltung der Regierungsparteien ändert die Studie damit wohl nichts. Während die Konservativen auch künftig eine aus vier U-Booten bestehende »Abschreckungsmacht« beibehalten wollen, setzen sich die Liberaldemokraten für Abstriche ein. Neben Einsparungsmöglichkeiten haben sie auch ihre Wähler im Blick.

Die Dienstzeit der Vanguard-U-Boote läuft in den 20er Jahren aus. Die Indienststellung neuer U-Boote setzte 2007 noch die Labour-Regierung mit Unterstützung der Konservativen durch. Wirtschaftliche Probleme, nicht zuletzt das wachsende Haushaltsdefizit, fachten die Diskussion aber wieder an. Auch in politischen und militärischen Kreisen wuchsen Zweifel am Sinn der Nuklearstreitmacht. Am deutlichsten brachten diese Gedanken im Jahre 2009 drei ehemalige hochrangige Generäle in einem von der »Times« veröffentlichten Brief zum Ausdruck. Ihrer Meinung nach ist die britische nukleare Abschreckung völlig irrelevant, nötig seien vielmehr hocheffektive, mobile konventionelle Streitkräfte.

Eine solche Modernisierung ist aber kaum möglich, wenn ein Großteil des Militärbudgets für das Nukleararsenal verwendet wird. Die politische Elite Großbritanniens sieht diese Waffen jedoch als letztes Symbol des einstigen Weltmachtstatus und will damit nicht zuletzt den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat rechtfertigen. Zudem verdienen Konzerne wie BAE Systems, Babcock und Rolls Royce prächtig an der atomaren Rüstung.

Während die Regierung und die Führung der Labour Party am Nuklearstatus festhalten, wächst der Widerstand im Lande. Die im Juni von der Campaign for Nuclear Disarmament (CND) veröffentlichte Studie »The Real Alternative« schlussfolgert, dass der Verzicht auf eigene Kernwaffen der nationalen und internationalen Sicherheit am besten dienen würde. Die 100 Milliarden Pfund für die Modernisierung des Trident-Systems sollten für dringendere Projekte ausgegeben werden.

Diese Ansicht wird auch in den Parteien zunehmend unterstützt. »Ich bin enttäuscht, dass die Regierungsstudie nicht den kompletten Verzicht auf diese Waffen erwägt«, erklärte die liberaldemokratische Abgeordnete Tessa Munt. Eindeutig äußerte sich die Schottische Nationalpartei. »Das Establishment von Westminster scheint vergessen zu haben, dass das Trident-System in Schottland stationiert ist, und weder das Volk noch das Parlament von Schottland möchten es dort haben«, sagte Angus Robertson, Fraktionsführer im Unterhaus.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 25. Juli 2013


Zurück zur Großbritannien-Seite

Zur Atomwaffen-Seite

Zurück zur Homepage