Kronzeugin der Europa-Hasser
Premier Cameron plant Referendum zu Verbleib in EU
Von Ian King, London *
Drei Wochen nach der britischen Parlamentswahl hat Königin Elizabeth II. die Politik von Premierminister Cameron für die nächsten fünf Jahre umrissen. Sie verlas die Regierungserklärung Camerons.
Jedes Jahr entsteigt die Queen ihrer goldenen Staatskutsche, bittet die Abgeordneten, ihrer Thronrede im Oberhaus zu lauschen und verliest den vom jeweiligen Premier verfassten Text. Die 89-Jährige sieht dabei gelangweilt aus, schließlich nimmt sie seit 1953 am gleichen Ritual teil und bekommt selten Überraschungen. Gerade nicht von mit Mehrheit wiedergewählten Konservativen.
Herzstück der Regierungserklärung ist David Camerons durch die eigenen Europa-Hasser abgerungenes Versprechen, vor Ende 2017 eine Volksabstimmung über den britischen Verbleib in der EU abzuhalten. Es drängt ihn, das betreffende Gesetz an der Labour- und Liberalenopposition und den eigenen Rechten vorbeizuschmuggeln. Aber da gibt’s einen Haken. Je schneller die Volksabstimmung kommt, desto schwieriger wird es für Cameron, den EU-Partnern ernst zu nehmende Konzessionen abzuverlangen. Sollte er aber bei der Abstimmung zaudern, beschwert sich die Wirtschaft über Unsicherheit, die Investitionsvorhaben torpedieren könnte, und die Rechten schreien Zeter und Mordio.
Noch in dieser Woche plant Cameron eine Entlastungsoffensive in etlichen europäischen Hauptstädten. Doch die Reise steht unter einem schlechten Stern. Die erste Station, ein Besuch bei den ebenfalls euroskeptischen Dänen, kann sich der Premier schenken, denn Helle Thorning-Schmidt hat andere Sorgen, ihr stehen Neuwahlen bevor. Die Polin Ewa Kopacz hat gefordert, eine Schlechterstellung der Arbeitsmigranten aus ihrem Land zu unterlassen: Dabei gehört gerade eine Kürzung der Leistungen für »Sozialtouristen« zu Camerons roten Linien bei Verhandlungen.
Präsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel planen eine noch engere Union im Interesse der Euro-Zone, keineswegs die Rückgabe von Kompetenzen an London.
Unter diesen Umständen kann der Premier sein Air-Miles-Konto aufbessern, mehr ist jedoch nicht drin. Sein Plan, EU-Ausländer von der Volksabstimmung auszuschließen, ist auch nicht angetan, das von Cameron angeblich ersehnte Ja zum EU-Verbleib zu fördern. Dank einer jahrelangen Verdummungsoffensive der Rechtspresse - fest in den Händen von Steuerflüchtlingen wie Rupert Murdoch und den auf den Kanalinseln wohnenden Barclay-Brüdern - wissen viele Briten nicht einmal, dass die deutsche Währung der Euro ist. Zu allem Überfluss hat der Premier versprochen, schon vor der Wahl 2020 abzutreten. Ein Autoritätsschwund ist vorauszusehen, ein Sieg der EU-Freunde rückt in weite Ferne.
Sonst noch Regierungspläne? Dies sei ein Kabinett des einigen Volkes, der arbeitenden Menschen, so Cameron. Des englischen Volkes vielleicht, zumindest seines gut situierten Teils, der sich auf weitere Steuererleichterungen und subventionierte Kinderbetreuung freuen kann; noch mehr Häuser aus dem sozialen Wohnungsbau sollen verscherbelt werden, den letzten Sozialmieter beißen die Hunde. Auch Arbeitslose, behinderte Menschen, Studierende und Jugendliche wählen keine Tories und können sehen, wo sie bleiben. Schottische Abgeordnete sollen bei der Besprechung englischer Gesetze außen vor bleiben - die Belohnung für ihr Nein zur staatlichen Trennung von England im September 2014?
Gewerkschaftlern wird das Streikrecht erschwert und das quasi automatische Spenden an die Labour-Opposition ebenfalls. Es reicht nicht, sie durch eine neue Wahlkreiseinteilung zu benachteiligen, Cameron und die Seinen wollen ihre Gegner aushungern. Eine ähnliche Behandlung von Industriespenden an die Tories lässt auf sich warten. Kurz: Trotz warmer Worte haben arbeitende Menschen nichts zu melden.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 29. Mai 2015
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