Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

George W. Bush soll hinter Gitter

USA-Menschenrechtler fordern Strafverfolgung / Tötete geheimes Kommando im Ausland?

Von Olaf Standke *

Menschenrechtler in den USA haben jetzt strafrechtliche Maßnahmen gegen Mitglieder der Bush- Regierung gefordert. Zuvor war ein Geheimbericht des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) an die Öffentlichkeit gelangt, demzufolge Gefangene im Lager Guantanamo systematisch gefoltert worden sind.

Für Manfred Nowak gibt es da keine Frage: Die neue Administration in Washington habe die juristische Verpflichtung, einstigen Regierungsmitgliedern wegen Kriegsverbrechen den Prozess zu machen. Ausdrücklich nennt der UN-Berichterstatter für Folter auch Ex-Präsident Bush und Ex- Verteidigungsminister Rumsfeld. Die müssen sich nun mit neuen Vorwürfen auseinandersetzen, nachdem ein für interne Zwecke bestimmter Guantanamo-Report des IKRK aus dem Jahr 2007 öffentlich wurde – die bislang detaillierteste Darstellung von Misshandlungen in dem Lager. So wird beschrieben, wie mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder durch Schläge, Schlafentzug, extreme Temperaturen und simuliertes Ertrinken (Waterboarding) gequält wurden. Die Behandlung sei »grausam, unmenschlich und erniedrigend« gewesen und »stellt Folter dar«, wie sie in den Genfer Konventionen verboten werde.

Fazit der IKRK-Berichts von 2007 (englisch):

The allegations of ill-treatment of the detainees indicate that, in many cases, the ill-treatment to which they were subjected while held in the CIA program, either singly or in combination, constituted torture. In addition, many other elements of the ill-treatment, either singly or in combination, constituted cruel, inhuman or degrading treatment.*
Zit. n. Mark Danner: US Torture: Voices from the Black Sites. In: The New York Review of Books, Volume 56, Number 6, April 9, 2009; www.nybooks.com/articles/22530

* Dt. Übersetzung: "Die Behauptungen, dass Gefangene misshandelt worden seien, deuten darauf hin, dass die Misshandlungen, denen sie im Rahmen des CIA-Programms entweder einzeln oder zusammen ausgesetzt waren, Folter darstellten. Mehr noch, viele andere Bestandteile der Misshandlung - einzeln oder gemeinsam - stellen eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar." [AGF]



Der Report bestätigt, was Brandon Neely gerade als einer der ersten Wachleute im Rahmen eines Projekts der Universität von Kalifornien über die verheerenden Zustände in Guantanamo berichtete. Auch der 28-Jährige, inzwischen Polizist in Houston, sprach von Folter und sexuellem Missbrauch unter medizinischen Vorwänden. Die Wächter seien unter Druck gesetzt worden, die Gefangenen regelmäßig zu züchtigen. Er empfinde tiefe Schuld und Scham darüber, wie sie behandelt worden seien, sagte Neely.

USA-Menschenrechtler verlangten nach Bekanntwerden des IKRK-Reports strafrechtliche Maßnahmen gegen Mitglieder der Bush-Regierung. Mit jedem solcher Berichte wachse der Druck auf Präsident Barack Obama, »etwas zu unternehmen«, betonte Sarah Mendolson vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien. Es gebe ausreichend Informationen, die ernsthaftere Ermittlungen als bisher rechtfertigten, kritisierte Jameel Jaffer von der Bürgerrechtsorganisation ACLU.

Wie ein IKRK-Sprecher in Genf erklärte, habe man Kopien des Reports an die CIA und das Weiße Haus weitergegeben. Menschenrechtler vermuten, dass er nun von Mitarbeitern der neuen Regierung in Umlauf gebracht wurde. Während Demokraten wie Senator Patrick Leahy die Einrichtung einer »Wahrheitskommission« zur Aufklärung des Machtmissbrauchs in der Bush-Ära fordern, stand Präsident Obama Aufrufen zu juristischen Schritten etwa wegen Misshandlungen in Guantanamo bislang aber distanziert gegenüber.

Jetzt könnte der Enthüllungsreporter Seymour Hersh, der mit der Aufdeckung des Massakers von My Lai im Vietnamkrieg und des Folter-Skandals im irakischen Abu-Ghoreib-Gefängnis weltweit für Schlagzeilen sorgte, den Handlungsbedarf weiter erhöht haben. Er warf der Bush-Regierung den Einsatz eines geheimen staatlichen Killerkommandos vor. Vom Präsidenten autorisierte Kräfte des Joint Special Operations Command hätten im Ausland unter Umgehung der zuständigen Aufsichtsgremien des Kongresses sowie ohne Wissen der USA-Botschafter und selbst der örtlichen CIA-Repräsentanten Mordanschläge verübt und seien dabei lediglich Vizepräsident Cheney gegenüber verantwortlich gewesen. Hersh spricht von einem »executive assassination (Mörder) ring«. Ihr Kommandeur, der Drei-Sterne-Admiral William H. McRaven, habe inzwischen den Stopp der Einsätze befohlen, weil es »zu viele kollaterale Tote« gebe.

Hersh arbeitet an einem Buch, das sich mit dieser Spezialeinheit beschäftigt, und kündigte genügend Beweise für die ungeheuerlichen Vorwürfe an, »sogar für Hyperskeptiker«. Der demokratische Kongressabgeordnete Dennis Kucinich will jedoch nicht erst auf diese Veröffentlichung warten und hat deshalb unverzügliche Untersuchungen gefordert, auch gegen Ex- Präsident Bush und seinen Vize Cheney.

* Aus: Neues Deutschland, 18. März 2009


Zurück zur USA-Seite

Zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage