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US-Neokonservative attackieren Obama

Von Ilja Kramnik *

Der Moskau-Besuch des US-Präsidenten Barack Obama ist sowohl weltweit als auch in den USA auf Widerspruch gestoßen.

Medien in den USA wie auch weltweit kritisieren Obama, weil sie glauben, dass die Ergebnisse seines Russland-Besuchs sich auf die Sicherheit der USA und deren Verbündeten negativ auswirken würden. Auch sonst widerspreche Obamas politische Linie gegenüber Moskau den Prinzipien der US-Außenpolitik.

Besonders scharf kritisiert wird die wichtigste Vereinbarung, die Obama aus Moskau mitbrachte: "Gemeinsame Auffassung der Frage nach weiteren Reduzierungen und Begrenzungen der strategischen Offensivwaffen". Dieses Rahmenabkommen soll dem START-Vertrag zugrunde gelegt werden.

Vor allem die US-Autoren Ralph Peters ("New York Post") und Brad Macdonald ("Trumpet") stachen als die schärfsten Kritiker des Papiers hervor.

Der konservative Journalist Peters serviert das START-Abkommen als "Aufgabe der Positionen" seitens der USA. Er verurteilt Obamas Zustimmung zur Begrenzung der Zahl der Atomwaffenträger. Eine solche Begrenzung wurde im Abkommen über die strategischen Angriffspotenziale von 2002 nicht festgelegt.

Damals wurde ein "wiederverwendbares Potenzial" von gelagerten Atomgefechtsköpfen erlaubt, mit denen die Träger im Notfall rasch ausgestattet werden könnten.

Kritisiert wird auch Punkt 5 des Abkommens, über "die Wechselbeziehung zwischen strategischen Offensiv- und Defensivwaffen" (Raketenabwehrsystemen).

Durch die Aufnahme dieses Punkts habe Obama, schreibt Peters, zugegeben, dass Osteuropa einen "Teil der Kreml-Einflusssphäre" bilde. Der Journalist stellt Obama an den Pranger, die Militärstärke der USA ohne ein angemessenes Entgelt zu untergraben.

Im gleichen Geiste äußert sich auch Brad Macdonald. Nach seiner Ansicht hat Moskau vorteilhafte Bedingungen der Begrenzung der strategischen Offensivwaffen durchgesetzt.

Beide Journalisten finden, dass kein einziges Zugeständnis Moskaus bei den Verhandlungen den nationalen Interessen Russlands schade, im Unterschied zu den Zugeständnissen, auf die Washington eingegangen sei.

Diese Meinungen sind nichts Ausschließliches, sie fügen sich in die Masse der kritischen Äußerungen eines Teils der US-Elite über die neuen Herrscher im Weißen Hauses ein. Nach allem zu urteilen, sehen diese Kritiker in Obamas Handlungen einen Verstoß gegen den Konsens der politischen Kräfte, der sich in den USA vor den Wahlen im vorigen Herbst herausgebildet habe.

Obama wird nicht so sehr wegen konkreter Handlungen in den Beziehungen zu Russland kritisiert wie vielmehr wegen des Wandels in Washingtons Politik, der sich seit dem Amtsantritt des 44. US-Präsidenten abgezeichnet hat.

Dieser Wandel, der mit der Schließung des Guantanamo-Gefängnisses, dem allmählichen Abzug aus Irak und in seinen Reden in Kairo und Moskau zutage getreten ist, provoziert die Vorwürfe, Obama verstehe die Rolle der USA in der heutigen Welt nicht und verursache deren "moralische Entwaffnung".

Kennzeichnend zum Beispiel eine Erklärung von Liz Cheney, Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten und bis vor kurzem stellvertretende US-Außenministerin. Sie beschuldigt Obama einer "Revision der Geschichte" nach seiner Rede in Moskau, als er sagte: "Der Kalte Krieg hat mit dem Frieden geendet, weil die Völker Russlands und Osteuropas beschlossen haben, ihm ein Ende zu setzen."

"Es gibt zwei Versionen dessen, wie der Kalte Krieg endete: die russische Version und die wahre", sagte die Vertreterin des US-amerikanischen Neokonservatismus und bezichtigte Obama des "ideologischen Verrats".

Die meisten Kritiker an Obamas Außenpolitik sind sich in ihrer messianischen Einstellung zur Rolle der USA in der Welt einig. Eine solche Haltung könnte "demokratischer Imperialismus" genannt werden.

In dieser Hinsicht werden die amerikanischen Kritiker von ihren russischen Glaubensgenossen unterstützt, die die Auffassung vertreten, dass die Haltung der USA zu Russland hauptsächlich davon abhängen solle, inwiefern der russische Staat auf dem Weg der bedingungslosen Übernahme und Nachahmung der westlichen Standards von Demokratie und Bürgergesellschaft vorangekommen sei.

Ein solcher Idealismus in der Politik ist keine Novität. Seinerzeit zeichnete sich die Sowjetunion darin aus, sich in ihren Beziehungen zu den Ländern der Dritten Welt vor allem von ideologischen Richtlinien leiten zu lassen.

Zugleich damit war die UdSSR in den Beziehungen zu den westlichen Ländern, darunter auch zu den USA, praktisch völlig frei von ideologischen Klischees. Das ermöglichte es, Vereinbarungen über viele Fragen zu treffen: von der Atomwaffenreduzierung über den Warenhandel bis zum Kulturaustausch.

Auch die Politik der westlichen Staaten wies meist ein gleiches rationalistisches Herangehen auf. Dieser Umstand machte es trotz der Unvereinbarkeit der Ideologien möglich, eine direkte militärische Konfrontation der Supermächte zu vermeiden und auf einigen Gebieten sogar beeindruckende Ergebnisse in der friedlichen Zusammenarbeit zu erreichen.

Ein abermaliges Rückfall der Großmächte wie der USA in den außenpolitischen Idealismus - dafür setzen sich Obamas Kritiker in den USA und anderen Ländern ein - könnte äußerst schwere Folgen nach sich ziehen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 20. Juli 2009; http://de.rian.ru



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