Bush löffelte Suppe aus – in der Downing Street
London war letzte Station der Europareise des US-Präsidenten / Treffen mit Premier Brown im Zeichen von Eintracht
Von Annette Reuther, London *
Ob es Zufall war oder ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Gordon Brown beim Abschiedsbesuch von
George W. Bush Historiker zum Abendessen einlud, war unklar. Doch der US-Präsident dachte
zwischen Erbsensuppe mit Minze und Roastbeef wohl auch an seinen eigenen Platz in der
Geschichte, als er in der Londoner Downing Street im Beisein britischer Geschichtsexperten speiste.
»Danke für die Historiker, ihr habt hier ja ganz gute«, scherzte Bush auf der Pressekonferenz am
letzten Tag seiner Abschiedstour durch Europa.
Mit dem Treffen beim alten Bündnispartner – inklusive eines Frühstücks mit Bushs persönlichem
Freund Tony Blair – ging eine Reise zu Ende, die von vielen schon als »Nachruf« auf Bush
angesehen wurde.
Doch keine Würdigung des Präsidenten, der in etwa einem halben Jahr aus dem Amt scheidet, wird
ohne Erwähnung der Proteste auskommen, die auch in London wieder laut wurden. Tausende
Kriegsgegner gingen unweit des Regierungsviertels auf die Straße, 25 Menschen wurden
festgenommen. »Terrorist« stand auf den Plakaten der Bush-Gegner, »Kriegsverbrecher«. Doch
Bush wiederholte ein ums andere Mal, dass er zu seinen Anti-Terror-Kriegen stehe. Seine
Unbeliebtheit sowohl im eigenen Land als auch auf dem europäischen Kontinent bekümmerte ihn
dabei weniger: »Du kannst in dieser Welt kein Führer sein, wenn du hinter etwas herjagst, das so
flüchtig ist wie die Daten einer Beliebtheitsumfrage«, sagte er dem britischen Sender Sky News.
Trotz Spekulationen in der Presse über mögliche Dissonanzen zwischen London und Washington
gaben sich Bush und Brown am Montag fröhlich und in Eintracht. Bush hielt noch einen Plausch mit
Browns kleinen Söhnen, bevor ihm der Premierminister fast überschwänglich für sein Engagement
gegen den Terror dankte und die hervorragenden Beziehungen zwischen Großbritannien und
den USA lobte.
Bush dürfte auch gefallen haben, dass Brown eine Truppenverstärkung in Afghanistan versprach –
kämpfen die USA doch seit langem um mehr Engagement der Europäer in dem krisengeschüttelten
Land. Ein Politologe hatte bereits im Vorfeld gescherzt, dass sich der Texaner neben dem britischen
Premier wohlfühlen werde – schließlich sei Brown genauso unbeliebt wie Bush.
Die einwöchige Tour von Ljubljana über Berlin, Rom, Paris und London zeigte, wie sehr die Augen
Europas bereits auf Bushs Nachfolger im Weißen Haus gerichtet sind – egal, ob der Republikaner
John McCain oder der Demokrat Barack Obama das Erbe in Washington antreten wird. So
umschiffte Angela Merkel die Frage, ob sie Bush vermissen werde. In Rom gab es hinter
vorgehaltener Hand Kritik, dass Papst Benedikt XVI. Bush angeblich zu freundlich empfangen habe,
und in Frankreich interessierten sich die Medien mehr für einen zurückgetretenen
Nachrichtensprecher als für den US-Präsidenten.
Und so erhoffte sich Bush bei seiner letzten Europa-Station eine freundliche Atmosphäre beim
Kriegspartner Großbritannien. Zwar lästerte die linksliberale Zeitung »The Guardian«: »Die bloße
Aussicht, dass Bush das Amt verlässt, ist genug, um die Stimmung zu heben.« Dafür hatte der
»Daily Telegraph« immerhin freundlichere Worte für den Staatschef der USA übrig: »Wir wünschen
ihm alles Gute für die Zukunft.«
Bush verfolgt wieder »rauchende Colts«
Die römische Zeitung »La Repubblica« schrieb am Montag zu den Drohungen der USA gegen Iran
und Parallelen zum Irakkrieg: »Als Krönung für seine Abschiedstour, bei der Präsident Bush die
europäischen Alliierten gegen Iran mobilisieren wollte, erhebt sich aus dem Nebel der nach dem Irak-
Fiasko in der Krise steckenden amerikanischen Geheimdienste das Profil eines neuen möglichen
›rauchenden Colts‹ in den Händen Ahmadinedschads. ... Wird Bush, der am Ende seiner Herrschaft
angekommen ist, dieses Mal die gleiche Antwort geben, um in Iran Rauch zu verfolgen, ohne zu
wissen, wo die Pistole ist?«
* Aus: Neues Deutschland, 17. Juni 2008
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