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"Primat der Diplomatie" oder "Weiter wie bisher"? /"This time he stressed diplomacy" - "Mr Bush has demonstrated that he means what he says"

Internationale Pressestimmen zu Bushs Rede zur "Lage der Nation" / International comments and leaders on Mr Bush's state of the union speech

Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einer Reihe von Kommentaren aus der in- und ausländischen Presse zu Bushs Rede "Zur Lage der Nation" vom 2. Februar 2005

"Bushs emotionale Botschaft" betitelt Dietmar Ostermann seinen Kommentar in der Frankfurter Rundschau. Die USA, so die Warnung, wird gegen die muslimisch-arabische Welt in gewohnter Manier weiter vorgehen, wenn sich andere nicht energhischer in die Debnatte einmischen.
Vor zwei Wochen, nach der Amtseinführung, schlug George W. Bush viel Skepsis entgegen, als er die Verbreitung von Freiheit und Demokratie in der Welt zur Maxime seiner Außenpolitik deklarierte. Nach der Rede zur Lage der Nation kann es kaum mehr einen Zweifel geben, dass dieses Thema den US-Präsidenten umtreibt wie keines sonst und dass er dabei vor allem eine Region im Blick hat: die muslimische und arabische Welt.
Bush hat sich bei dem Auftritt im Kapitol eher lustlos durch ein innenpolitisches Programm gekämpft. Leidenschaftlich und emotional wurde er erst, als es um den Siegesmarsch der Freiheit durch Nahost ging. Manches daran klingt nach nachgeschobener Rechtfertigung für einen Krieg, dem die Gründe abhanden gekommen sind, anderes pathetisch, vieles unausgegoren und wenig konkret. Die Absicht indes ist klar: Die USA betrachten den Status quo im Nahen und Mittleren Osten als untragbar.
Trotz der ernüchternden Irak-Erfahrung wird die Supermacht in der instabilen und hochexplosiven Region weiter energisch auf Wandel dringen. Dass der in den arabischen Autokratien notwendig ist, kann ernstlich niemand bestreiten. Entscheidend aber wird sein, welche Formen der amerikanische Veränderungsdruck annimmt. Dies wird auch davon abhängen, wie sich andere, allen voran Europa, in die Debatte einmischen. Wer dies nicht tut, überlässt einer US-Regierung das Feld, die kühne Visionen bisher selten mit kluger Politik unterfüttern konnte.

Aus: Frankfurter Rundschau, 4. Februar 2005

Olaf Standke sieht das nicht wesentlich anders. Im "Neuen Deutschland" ("Fette Worte, magere Küche") weist er auf die wahre Botschaft hin, die hinter Bushs "pathetischem Hochglanzlack" lauert: "nackte Machtpolitik":
Die Zeit der »Bushismen«, der sprichwörtlichen präsidialen Sprachschnitzer, ist endgültig vorbei, befinden Beobachter. Der Meister der unfreiwilligen Verballhornung sei zum wahren Orator mutiert. Aber ist wirklich besser geworden, was wir da aus dem Weißen Haus hören? Die erste Rede zur Lage der Nation in Bushs zweiter Amtszeit lässt letztlich nur ein Urteil zu: nein. Wischt man den Wortschaum weg, bleiben lediglich dünne Details. Entfernt man den pathetischen Hochglanzlack vom angekündigten weltweiten Kampf gegen die Tyrannei, grinst uns nackte Machtpolitik an. Die Lage ist schlechter, als Bushs Bericht bar jedes Selbstzweifels und voll von Sendungsbewusstsein suggeriert, und das betrifft nicht nur den globalen »Siegeszug der Demokratie«, sondern auch den Alltag in den USA selbst.
Immer wenn es konkret werden müsste, blieb der Präsident bei seinem Showauftritt im Kongress Antworten schuldig, ob es nun um die von ihm zum innenpolitischen Schwerpunkt erklärte Reform der Sozialversicherung ging oder um die Frage, wie weiter nach den Wahlen in Irak. Von der Beendigung der Besatzung im Zweistromland etwa war keine Silbe zu hören, und das war dann selbst den von Bush streckenweise regelrecht nationalistisch euphorisierten Demokraten zu wenig. Meine Großmutter pflegte immer zu sagen: Was nützen fette Worte, wenn die Küche mager ist.

Aus: Neues Deutschland, 4. Februar 2005

Christoph Winder findet im Wiener "Standard", dass George Bush viel "konzilianter" geworden sei. Von der vormaligen "Achse des Bösen" sei in seiner Rede allenfalls noch ein "Ächslein des Bösen" übrig geblieben. Die Sanktionsdrohung gegen den Iran sei viel moderater ausgefallen als vor drei Jahren die Drohungen gegen den Irak. Im Kommentar heißt es u.a.:
Die "State of the Union"-Rede des Jahres 2005 war frei von Überraschungen, aber sie gab erschöpfend Auskunft über die Regierung Bush und die Art und Weise, wie sie die Welt sieht. (...)
(...) Der Ton im außenpolitischen Teil der Rede war erwartungsgemäß konzilianter als in den Vorjahren. Zur Erinnerung: 2002 hatte Bush die melodramatische Formel von der "Achse des Bösen" eingeführt. 2003 war gleich 19 Mal von Saddam Hussein als dem Vater allen Übels die Rede - 2005 wurde der Exdiktator gerade zweimal erwähnt. Im moderateren "Wording" spiegelt sich eine geänderte Interessenslage wieder. Heute muss die Welt nicht mehr von der Berechtigung eines Kriegs gegen den Irak überzeugt werden - der hat ohnehin schon stattgefunden, ob man das nun gutheißt oder nicht. Bush geht, in einem noch reichlich verfrüht wirkenden Optimismus, davon aus, dass der Irak als historisch erfolgreich erledigter Fall abgehakt werden kann. Der Iran wurde zwar auch diesmal als Terror-Sponsor vor das Forum der Weltöffentlichkeit zitiert. Doch die Sanktionsdrohungen blieben vage. Und ganz nebenbei wurden auch noch - unvorstellbar in der Ära Bush Eins - die diplomatischen Anstrengungen der Europäer gewürdigt. Von Nordkorea war nicht einmal die Rede - ein Indiz dafür, dass die Verhandlungen mit dem Steinzeitregime in Pjöngjang Erfolg versprechender verlaufen als erwartet. Die Achse des Bösen ist vorläufig zum Ächslein geworden.
Dafür rückte der israelisch-palästinenische Konflikt mit der Zusage, die unter Arafat drastisch heruntergekürzte US-Finanzhilfe für die Palästinenser wieder auf 350 Millionen Dollar aufzustocken, mit einem Mal massiv in den Vordergrund. In vielen Details klang an, welche Herkulesarbeit die Abwehr der islamistischen Gotteskrieger für die Amerikaner immer noch darstellt. Ihr innerster Zirkel wird mit Militär und Geheimdienst verfolgt, die sozialen Umfelder, in denen sie gedeihen, sollen ausgedörrt werden. Der Generalschlüssel zu dieser Aufgabe heißt für Bush "Freiheit" (20mal in der "State of the Union"-Rede erwähnt). Und mehr Demokratie. Die hat er ausdrücklich von Ägypten und Saudi-Arabien eingefordert. Dass Bush dies tut, obwohl er genau weiß, dass mehr Demokratie in diesen Ländern vor allem den Fundamentalisten mehr Bewegungsfreiheit verschaffen würde, werden viele Kritiker wieder als typisch amerikanische Scheinheiligkeit werten. In Wahrheit sind die USA an einer überhasteten Demokratisierung keineswegs interessiert. Man kann Bushs Forderung auch viel wohlwollender sehen: Als Ausdruck einer rhetorischen Tradition, die von der Überzeugung getragen ist, dass man große Ziele wie Freiheit und Demokratie sprachlich intensiv beschwören muss, wenn man sie wirklich umsetzen will. Gerade dann, wenn man weiß, dass man in Wirklichkeit noch Lichtjahre von ihnen entfernt ist.

Aus: DER STANDARD, 4. Februar 2005

Der Berliner "Tagesspiegel" veröffentlichte anstelle eines eigenen Kommentars ein Interview mit Peter Rudolf, Amerika-Experte der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik. Zum Schwerpunkt Nahoskonflikt äußert sich Rudolf folgendermaßen:

Bush hat klar gemacht: Ein zentrales Anliegen dieser Administration ist es, die Chance zu nutzen, die sich nach dem Tod Arafats im Nahen Osten ergeben hat.
(...)
Die außenpolitischen Ambitionen der USA haben sich nicht verändert, auch wenn die Administration gelernt hat, dass sie vieles nicht ohne Unterstützung verbündeter Staaten erreichen kann – deshalb auch der Besuch von Schily bei Bush und die Reise von Rice nach Berlin. Aber es wurde schon deutlich, dass Bush zwar seine ehrgeizige Agenda vorantreiben will, dass er aber auch versucht, Kritik aufzunehmen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass er jetzt stärker auf die Palästinenser zugeht. Die angekündigte Finanzhilfe von 350 Millionen Dollar ist schon überraschend hoch – das ist nämlich ungefähr das Vierfache dessen, was die USA den Palästinensern bisher jährlich zukommen lassen.
Warum prangert der US-Präsident neben Iran Syrien so nachdrücklich an?
Syrien unterstützt aus amerikanischer Sicht den Terror im Irak, weil es nicht verhindert, dass Geld und Aufständische von Syrien aus den sunnitischen Widerstand im Irak unterstützen. Erstaunlich ist eher, dass Nordkorea kaum erwähnt wird. Das könnte darauf hindeuten, dass gegenüber diesem Land jetzt mehr auf Diplomatie gesetzt wird als bisher.
(...)
Aus: Der Tagesspiegel, 4. Februar 2005

"Blaue Finger für Bush" ist der Kommentar von Olivia Schoeller in der "Berliner Zeitung" überschrieben. Damit ist die Begeisterung über die nach amerikanischer Lesart gelungene Wahl im Irak angedeutet: Der blau gefärbte Zeigefinger "erinnerte an die tanzenden Iraker und die vielen blaugefärbten Zeigefinger, die man seit der Wahl in Irak gesehen hat. Eigentlich sollte die blaue Tinte vor Wahlbetrug schützen, doch mittlerweile ist sie zu einem Siegessymbol geworden."
(...) Für George W. Bush bedeutete der Tag der blauen Zeigefinger eine große Erleichterung. Selten zuvor hatte ein US-Präsident vor dem Beginn seiner zweiten Amtszeit eine so negative Bewertung von der Bevölkerung erhalten wie Bush. Die Zustimmungsrate für das amerikanische Engagement in Irak sank ständig. Die Wahl in Irak hat das geändert. Obwohl er selbst vor zu großem Optimismus warnt, gibt es keinen Zweifel, dass sich Bush nicht nur in seiner Politik gegenüber Bagdad, sondern in seiner großen Vision der Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens bestärkt fühlt. In der Rede zur Lage der Union, dem Rechenschaftsbericht des Präsidenten vor dem amerikanischen Volk, blieb Bush seinen Landsleuten zwar einen Termin für den Abzug amerikanischer Truppen aus Irak schuldig. Dafür aber stellte er, selbstbewusst wie selten zuvor, die Wahl in Irak in einen größeren Zusammenhang. Irak sei nur ein Beispiel von drei demokratischen Entwicklungen in der Region, für die sich Bush offenbar mitverantwortlich fühlt: In Irak, Afghanistan und den Palästinensergebieten wurde gewählt. Bush nannte das ein Zeichen der Hoffnung. Er versprach den Palästinensern 350 Millionen Dollar und schickt seine Außenministerin auf Besuch in die Region; der Friedensprozess in Nahost ist damit wieder in den Fokus der amerikanischen Außenpolitik gerückt. In Afghanistan sieht man die Situation mehr oder weniger unter Kontrolle. In Washington herrscht eine Art demokratischer Aufbruchstimmung, dass Osama Bin Laden immer noch nicht gefasst ist, stört da nur wenig.
Vielleicht war der Tag der Wahl in Irak tatsächlich ein Neuanfang, der Beginn eines Neuanfangs. Vielleicht war er nur ein Moment der Hoffnung, die schon morgen wieder in der Gewalt ersticken wird. Doch für die Amerikaner war die Begeisterung der Iraker eine Genugtuung. Um so empfindlicher blickt man derzeit nach Europa. Jubel war von den Gegner des Irak-Kriegs nicht zu erwarteten, doch zeigten sich selbst Bush-Kritiker erstaunt über die sehr skeptische Haltung in Teilen Europas. Die Wahl in Irak, so meinte jüngst der Politikexperte Walter Russell Mead, habe bewiesen, dass Bush-Kritiker ebenso wenig von Irak verstehen, wie das Weiße Haus. In Washington hofft man deshalb, dass der Besuch der Außenministerin Condoleezza Rice helfen kann, die Abneigung der Europäer gegen Präsident Bush in ein positives Interesse an einer demokratischen Entwicklung in Irak zu ändern.

Aus: Berliner Zeitung, 4. Februar 2005

Auch für den Kommentator der "Neuen Zürcher Zeitung" (H.K.) ist der Nahe Osten bzw. Palästina die "erste Wegmarke" für Bush. Auszüge:
(...) Die Formulierungen in Bushs Rede - das Ziel zweier unabhängiger Staaten, Israel und Palästina, liege in Reichweite, und Amerika werde helfen - deuteten an, dass dies eines der vorrangigen Ziele Washingtons in den nächsten vier Jahren sein könnte. Dies würde, zumindest nach bisherigen Bekundungen, auch in Europa gut ankommen und die reichlichen arabischen Proklamationen des Mitgefühls mit den Palästinensern auf ihren wirklichen Gehalt prüfen. Die beiden «befreundeten» Regime in Riad und Kairo fasste Bush mit Samthandschuhen an, ermutigte sie aber doch dazu, mehr für eine Demokratisierung zu tun. Deutlich härter tönte es gegenüber Damaskus und Teheran.
Angebote zur Zusammenarbeit machte Bush auch den Demokraten. Doch zum Begriff «exit strategy» in Bezug auf den Irak, seit der Rede Senator Kennedys der neue Schlachtruf der Opposition, erklärte er ganz klar, er werde keinen künstlichen Zeitplan ankündigen, denn ein solcher diene den Zielen der Terroristen. (...)
Erneut hob Bush universelle Freiheit als Ziel menschlichen Strebens hervor und ergänzte dies mit dem Zusatz, Amerika habe kein Recht, keinen Wunsch und keine Absicht, die eigene Regierungsform irgendjemandem aufzuzwingen. Grosse Teile der Weltkugel fehlten in Bushs rhetorischem Gemälde. Russland und China kamen nicht vor, Afrika und Lateinamerika ebenso wenig. Europa wurde nur im Zusammenhang mit Freunden und Alliierten erwähnt und als Partner bei der Politik gegenüber Iran. Auch hier folgte unmissverständlich die Aussage, dass ein Regimewechsel in Teheran zwar erwünscht sei, aber von innen kommen müsste. (...)
(...) Israelische Befürchtungen, Amerika könnte zulasten Israels die transatlantischen Beziehungen verbessern, haben keinen Hintergrund. Doch seit Arafats Tod ist Bewegung entstanden.
Dieses Unerhörte geschieht, obwohl die «Kriegsgurgel» Sharon immer noch an der Macht ist und eine Mauer baut, die vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Verletzung des Völkerrechts gebrandmarkt wurde. Dass die Terroranschläge in Israel durch die Mauer bereits drastisch reduziert worden sind, als Arafat noch lebte, wird weniger zur Kenntnis genommen. Der Gerichtshof hat auch nicht den Sicherheitszaun an sich verurteilt - er hat das Recht Israels auf Selbstverteidigung bestätigt -, sondern seinen Verlauf bemängelt in der Auffassung, er präjudiziere künftige Grenzziehungen.
Doch für ein Gefühl der Sicherheit in Israel ist das unschöne Bauwerk leider wichtig. Und dieses Gefühl ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen für eine Verhandlungslösung, die beträchtliche Konzessionen gegenüber den Palästinensern enthalten muss. Diese Zugeständnisse werden in Israel den innenpolitischen Konsens strapazieren und könnten zu einer harten politischen Zerreissprobe führen, die der innerpalästinensischen Ausmarchung kaum nachsteht. Der Weg ist schwierig. So oder so ist die Zeit amerikanischen Abseitsstehens vorbei. Bush hat einen Stein ins Wasser geworfen.

Aus: Neue Zürcher Zeitung, 4. Februar 2005

Auch die Frankfurter Allegmeine Zeitung sieht einen weich gespülten US-Präsidenten seine zweite Amtszeit antreten. Matthias Rüb attestiert der künftigen Außenpolitik des Präsidenten einen "Primat der Diplomatie":
(...)
Der „Krieg gegen den Terrorismus” bleibt draußen in der Welt und auf heimischem Boden die alles überragende Hauptaufgabe. Nach den Wahlen im Irak vom Sonntag und in Afghanistan vom Oktober können sich Bush und seine maßgeblichen außen- und sicherheitspolitischen Vordenker vorerst in ihrer Überzeugung bestätigt fühlen, daß es der nationalen Sicherheit förderlich ist, diesen Krieg in Feindesland zu tragen und den islamischen Terrorismus durch einen notfalls gewaltsamen Anstoß zur Demokratisierung an der Wurzel zu bekämpfen statt ihn daheim erleiden und ausfechten zu müssen.
Deshalb wird es einen Zeitplan für den Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan und aus dem Irak erst geben, wenn „der Job erledigt” ist. Das Thema innere Sicherheit, die Stärkung der „wehrhaften Demokratie” ohne ungebührliche Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und ohne Beschädigung der Grundlagen des Rechtsstaates dürften zentral und auch kontrovers bleiben. Bush will die bisher bis Ende 2005 befristeten Bestimmungen des „Patriot Act” zur besseren Terrorbekämpfung verstetigt sehen, was er in einem republikanisch beherrschten Kongreß auch durchsetzen dürfte.
Seit Jahresbeginn haben sich sowohl Präsident Bush wie seine neue Außenministerin Rice mutiger gezeigt, die Vision der Schaffung eines palästinensischen Staates als Fundament einer Aussöhnung zwischen Israel und den Palästinensern bis zum Ende der Amtszeit im Januar 2009 zu benennen. De facto hat sich die Regierung auch zur diplomatischen Lösung der Konflikte mit Iran und Nordkorea um die vermuteten Atomwaffenprogramme der beiden verbliebenen Staaten auf Bushs „Achse des Bösen” bekannt.
Nach zwei Kriegen in der ersten Amtszeit ist ein weiterer in der zweiten Amtszeit Bushs unwahrscheinlich - vorausgesetzt, es kommt zu keinem weiteren katastrophalen Terroranschlag, für den ein Land unmittelbar verantwortlich gemacht werden kann. Für den „Primat der Diplomatie” in der zweiten Amtszeit sprechen auch die Bemühung von Frau Rice, mit ihrer ersten Auslandsreise die ramponierten Beziehungen zu den Europäern zu reparieren und den Friedensprozeß zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang zu bringen.
(...)
Aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Februar 2005

Auch die Kölnische Rundschau betont den Versöhnung-Trip, auf dem sich die derzeitige US-Administration angeblich befindet ("Bush sendet Signale der Annäherung"). Doch dahinter lauert offenbar immer noch Gefahr:
(...) Der Texaner will in seiner zweiten Amtszeit wieder stärker auf Wandel durch breite Koalitionen setzen. Dazu wird auch die Hand erneut in Richtung Berlin und Paris ausgestreckt.
Doch selbstlos ist dies natürlich nicht. Nur wenn das Demokratisierungsprojekt im Irak gelingt, kann Bush glaubwürdig seine „Ich befreie die Welt von Tyrannen“-Politik fortsetzen, die nach der vergeblichen Suche nach Massenvernichtungswaffen nun den Mittelpunkt der Bush-Agenda bildet.
Quertreiber, Stänkerer und unwillige Helfer in Europa kommen dem US-Präsidenten dabei ungelegen. Und der guten Stimmung zuliebe will sich Bush sogar wieder stärker im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern engagieren.
Für die Europäer bietet dieser Annäherungskurs die Chance, erneut und nachdrücklich die Bedenken zu formulieren, die nach Bushs Säbelrasseln gegenüber dem Regime in Teheran entstanden sind. Grundsätzlich aber erscheint eine zweigleisige Strategie, also eine Kombination von Diplomatie und Drohungen, nicht unbedingt von vornherein zum Scheitern verurteilt gegenüber einer Regierung, die in der Vergangenheit mit der Einhaltung ihrer Zusagen nicht immer ein Musterknabe war.
Ohnehin drängt sich mittlerweile angesichts der der internen Beschwichtigungen aus Washington gegenüber europäischen Regierungen der Eindruck auf, dass Bush hier bewusst ein „bad cop, good cop“ („schlechter Polizist, guter Polizist“)-Klima geschaffen hat, weil er sich davon größtmöglichen Druck auf den Iran verspricht und glaubt, einen weiteren Waffengang vermeiden zu können.
Denn populär wäre dieser angesichts des Blutzolls im Irak auch im eigenen Land nicht. So zeigt sich Bush derzeit als Wolf im Schafspelz - mit der niemals ausgeschlossenen Option, notfalls sich jederzeit des Schafspelzes wieder zu entledigen.

Aus: Kölnische Rundschau (Online-Ausgabe), 3. Februar 2005

Der Leitartikel im britischen "Guardian" beschäftigt sich vor allem mit dem außenpolitischen Teil der Rede und versucht hinter die "Fanfaren der Freiheit", die Bush ausgestoßen hat, zu blicken. Und hier tut saich als Verheißung allenfalls Palästina auf - ansonsten viele Defizite:
(...) But such emotive flourishes offer little guidance to the way ahead. The president's critics argue that he has no strategy for achieving his goals. Instead, in a speech that was more sermon than programme - "yet another feel-good paean to freedom and democracy", the New York Times felt - he uttered some selective words of warning: Iran, a member of his original "axis of evil," was told not to pursue nuclear weapons or sponsor terror. Europeans will have noticed, with qualified relief, his approving reference to their diplomatic efforts with Tehran, a message being repeated by Condoleezza Rice, the new secretary of state, in London and elsewhere in the coming days. Syria, not in the original "axis," was also ordered to end terror and "open the door to freedom". To balance those warnings there were gentler signals to two Arab allies which are not beacons of the values Mr Bush so fervently espouses: Saudi Arabia was urged to "expand the role of its people in determining their future". Egypt - the largest recipient of US aid outside Israel - might "show the way toward democracy". But there was no suggestion that either would face any negative consequences if they did not. Perhaps the president had them in mind when he explained that democracy was an "ultimate" rather than an immediate American goal. If that signals a cooling of his world-changing zeal and the more "consensual" approach Tony Blair says he now expects from Washington, that might be good news.
It bears repeating that democracy and freedom are fine things - the motherhood and apple pie of international discourse; except for those, as Mr Bush reminded us, like the "terrorist Zarqawi", unknown a short time ago but now the odious enemy of us all thanks to the way that Iraq and the "war on terror" have morphed into one titanic struggle. But how they are to be achieved, at what cost, and by whom, remain as controversial as they were before Saddam Hussein fell. Many Arabs and Europeans still suspect American motives as well as questioning the wisdom of deploying "Jeffersonian tanks" to bring democracy along with liberation to "outposts of tyranny".
That the president, so single-mindedly ambitious in the greater Middle East, found nothing to say about China, Russia, Africa or Latin America is worrying. But Mr Bush did repeat his commitment to an independent, democratic Palestinian state. If he were to really achieve that and thus help, in his own eloquent words "to eliminate the conditions that feed radicalism and ideologies of murder", the judgment of history would be a lot kinder than it looks like being right now.

The Guardian, February 4, 2005

Am Ende noch eine Stimme aus den USA selbst. Die New York Times macht im Editorial aus ihrer - erwarteten - Enttäuschung kein Hehl: Bush blieb bei den zentralen Themen Irak und soziale Sicherheit eine konkrete Antwort schuldig:
"[This] state of the union speech ... is almost certainly going to be remembered for his call to stay the course in Iraq and change the course of social security. On both counts, Mr Bush fudged the most critical points ...
"Everyone has already agreed that the turnout for last weekend's election was very encouraging ... [But] his speech was yet another feel-good paean to freedom and democracy that did little to show the American people an exit strategy for US troops, or to show the Iraqis what we expect from them next ...

New York Times, Editorial, February 3, 2005


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